„Der Turm, der wackelt, der Turm, der wackelt, die oberste Spitze fällt ab.“ Kennen Sie dieses Kinderlied? Wie an der Spitze eines solchen Turmes muss sich ein Kind fühlen, das eine hochambivalente Mutter hat. Das Kind einer ambivalenten Mutter, die in extremem Ausmaß mal so, mal so ist, kann sich nicht orientieren. Das Kind wird davon ganz unruhig. Es kann nicht einfach „sein“. Es muss immer die Lage checken und sich fragen: „Wie ist mir die Mutter heute gesinnt? Bekomme ich plötzlich Schläge, Geschrei, Liebesentzug oder werde ich gar mit ‚Liebe‘ überschüttet?“ Die Mutter wirkt wie ein Zufallsgenerator. Weiterlesen
„Woran merkt man eigentlich, dass man psychisch krank ist?“, werde ich manchmal gefragt. Ich glaube, man merkt es unter anderem daran, dass man zu viel denken muss. Wenn das Denken zum Leid wird, dann ist das häufig ein Anzeichen einer psychischen Erkrankung. Es ist ähnlich wie mit dem Körper: Wir atmen unbewusst tausende Male am Tag und müssen nicht darüber nachdenken. Ein Asthmatiker aber denkt sehr wohl über seinen Atem nach – er muss ihn messen und Medikamente einnehmen. Auch wer hyperventiliert, denkt über seinen Atem nach und leidet darunter. Mütter stillen ihre Säuglinge nach Gefühl. Doch sobald ein Problem auftritt, müssen sie darüber nachdenken. Den Magen spüren wir nicht – wenn sich aber ein Magengeschwür entwickelt, wird unser Denken darauf gelenkt.
Besonders Menschen mit einer Hypochondrie (Angst vor Krankheiten) oder einer Angststörung müssen ständig über alles Mögliche nachdenken. Kein Kontakt, kein Besuch, kein Spaziergang ist mehr möglich ohne quälende Gedanken. Die Betroffenen sehnen sich danach, einfach mal unbeschwert sein zu können.
Was ist schon „normal“? Obwohl das einerseits schwer zu sagen ist, wissen wir auch, wenn wir uns nicht „normal“ fühlen: Wenn unsere Ängste zu unverständlich sind, wenn wir für unser Fühlen und Verhalten keine Erklärungen finden, wenn wir nicht schlafen können, dann spüren wir, dass etwas nicht stimmt. Viele spüren auch eine Grenze: „Ich kann das nicht mehr alleine bewältigen, ich brauche Hilfe“, sagen manchmal auch diejenigen, die ansonsten niemals eine Psychotherapie in Betracht ziehen würden. Dieses Eingeständnis, das ja eine Art innere Kapitulation, aber auch eine Anerkennung der Realität ist, ist oft der erste Schritt zur Heilung.
Dieser Beitrag erschien erstmals am 11.11.2014
Aktualisiert am 11.2.2021
Die Ohren stehen zu weit ab? Die Nase ist zu groß? Die Haare sind zu kraus? Bei der „Körperdysmorphen Störung“ haben die Betroffenen panische Angst davor, dass sie unansehnlich wirken. Die Körperdysmorphe Störung ist verwandt mit der Sozialen Phobie und teilweise auch mit der Essstörung. Operationen nützen meistens übrigens nichts: Die Patientinnen sind nach dem Anlegen der Ohren oder der Vergrößerung der Brüste auf lange Sicht gesehen immer noch unzufrieden und in quälender Weise mit ihrem Körper beschäftigt.
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 12.12.2013
Aktualisiert am 22.10.2020
Auf einmal sind beim Lesen die Buchstaben weg. Es ist, als wäre ein blinder Fleck entstanden. Alles verschwimmt und der undeutliche Bereich wird immer größer. Langsam wandert der verschwommene Halbkreis nach außen. Diese Dynamik, dieses „Wandern“ ist typisch für das Flimmerskotom. Manchmal entstehen auch Taubheitsgefühle an Händen und Mund. Hier können Betroffene, die einen Schlaganfall befürchten, beruhigt sein: Bei einem Schlaganfall „wandern“ die Symptome nicht so stark. Pfeiffen, Sprechen, Armheben, Zunge gerade herausstrecken – all das funktioniert im Gegensatz zum Schlaganfall weiterhin normal. Weiterlesen
Sigmund Freud sah in der Neurasthenie eine Erschöpfung, die sich insbesondere aus sexuellen Konflikten ergab. Die Mischung aus Angstneurose und Neurasthenie nannte er „Aktualneurose“. Heute gilt die Neurasthenie als eine Sonderform der Somatisierungsstörung. Früher wurde sie auch als „psychovegetatives Syndrom“ oder „vegetative Dystonie“ bezeichnet. Auch der Begriff „Psychasthenie“ wird heute nur noch selten verwendet. Weiterlesen