„Können Sie mir einen Traumatherapeuten empfehlen?“, werde ich oft gefragt. Ich bin dann immer ganz verdutzt: Mache ich in meiner täglichen Arbeit als Psychoanalytikerin doch eindeutig Traumatherapie. „Was stellen Sie sich denn unter einem Traumatherapeuten vor?“, frage ich dann. „Jemand, der sich darauf spezialisiert hat und ‚Traumatherapeut‘ als Zusatztitel trägt. Nun wurde ich selbst neugierig und schaute einmal, was Psychotherapeuten mit dem offiziellen Zusatztitel „Traumatherapie“ in ihrer Ausbildung lernen. Weiterlesen
Elf Jahre hat meine Ausbildung bei der DPV gedauert, bis ich mich endlich bei der Ärztekammer zur Prüfung anmelden konnte. Ein Abschlusskolloquium bei der DPV habe ich jedoch nicht gemacht. Ein paar Jahre zuvor wäre diese Vorstellung für mich noch katastrophal gewesen. Ich hätte noch bleiben und vielleicht irgendwann das Kolloquium machen können, aber das Gefühl dafür, wann es wirklich Zeit ist, zu gehen, das kommt einfach. Mich trug der Choral „Es ist genug“ (Bachwerkeverzeichnis 60, Youtube). Obwohl viele oft lange mit der Ausbildung hadern und aufhören möchten, so beissen sich die meisten wohl doch bis zum Abschlusskolloquium durch. Wie ist es, früher zu gehen?Weiterlesen
Unerfüllte Bedürfnisse und Wünsche begleiten uns ein Leben lang. Es sind Hintergrundqualen, die vielleicht immer bei uns bleiben werden. Das Abwesende, das Nicht-Erlangte tut uns weh. Das Vergebliche schmerzt uns zutiefst. Das Unerfüllte nehmen wir mit ins Grab. Es gehört genauso zum Leben wie die Erfüllung. Es ist wie eine ständige Qual im Hintergrund. Und wenn wir eines gemeinsam haben, dann ist es das: die Erfahrung des Vergeblichen. Manchmal, beim Einschlafen oder in anderen überraschenden Momenten spüren wir vielleicht, wie wir trotz allem wieder mit der Wohligkeit verschmelzen können. Wenn Qual zur Trauer wird, ist schon viel gewonnen. Weiterlesen
„Wissen Sie, Frau Doktor, es ist wegen dieser Krankheit“, sagt die Patientin. Ich denke: „Oha! Leukämie, Magenkrebs, Brustkrebs?“, und frage: „Welche Krankheit meinen Sie?“ – „Na, die Depression!“ Seit Anbeginn meiner Beschäftigung mit psychischen „Erkrankungen und Störungen“ habe ich Schwierigkeiten damit, die Depression als Krankheit zu sehen. Wir können krank sein, wenn wir eine Gallenkolik haben oder mit 40 Grad Fieber im Bett liegen. Natürlich kommt es auch bei Depressionen vor, dass wir vielleicht nur mit größter Mühe unser Bett verlassen können – oder dass wir unruhig alles erledigen können, uns aber tödlich gequält fühlen. Und doch finde ich den Begriff „Krankheit“ fehl am Platz, auch, wenn ich keine schlaue Alternative nennen kann. Weiterlesen
„Populismus: Der Aufstand gegen die liberale Demokratie und die Suche nach der richtigen Antwort“, lese ich (Cover des Rotary-Magazins, Mai 2017). Viele ähnliche Titel begegnen uns überall. Gesehen werden ganze Gruppen, Gesellschaften und Phänomene. Diskutiert wird hochintellektuell, mit Verstand und Vernunft. Man will Flagge zeigen. „Wir kämpfen gegen Fremdenfeindlichkeit!“, steht da. Und dann denke ich an meine Psychoanalyse-Praxis und an den einzelnen Menschen, der viel zu wenig angeschaut wird. Es ist, als wollte man die Masern bekämpfen, ohne einmal unter’s Mikroskop zu schauen und die Vorgänge im Kleinen zu verstehen. Weiterlesen
Ein Gedanke, ein Gefühl, ein Bild, eine Atmosphäre, eine unbewusste Erinnerung. Manchmal auch nichts. Dann ein Ruck. Er geht durch Körper und Psyche. Der innere Boden wird weggezogen. Eine ungeheure Schwäche kommt. Orientierungslosigkeit. Die anderen gucken schon. Die Erschütterung ist da, die Kaskade geht los. Ich weiss schon, was kommt. Im Darm löst sich alles. Die Panik bricht durch, äußere und innere Wände werden porös, die Bedrohung scheint überall zu sein. Eine Frage von Millisekunden: Schweissgeruch, Zittern, Atemnot. Weiterlesen
Der Vater hat zu viel getrunken, die Mutter schreit. Das Kind versteht die Welt nicht mehr. Es geht in die Schule – es besucht die 3. oder 4. Klasse. Die aufgeräumte Lehrerin kommt herein und bringt frische Luft mit. Sie ist so hübsch. Die Locken schmiegen sich um ihr Gesicht und sie trägt eine helle Bluse. Sie spricht ganz ruhig. Sie stellt ihre schöne Ledertasche auf den Tisch – was da wohl alles drin sein mag? Sie erzählt und erzählt. Sie bringt Wissen in den Kopf des Kindes. Fraulich, freundlich, lehrerhaft, erfrischend, sanft.Weiterlesen
Die tiefe Hocke (Saigonhocke, Entspannungshocke), bei der die Füße ganz auf dem Boden aufgesetzt sind, kann sehr wohltuend sein. Viele Youtube-Videos erklären, wie sie sich erlernen lässt. Doch es wird vergessen, dass die anatomischen Proportionen die tiefe Hocke unmöglich machen können. Schon bei Kindern sieht man, wie manche gerne und natürlichweise in der tiefen Hocke sitzen und andere schon recht früh die Fersen anheben. Während man in Asien sehr viele Menschen in der tiefen Hocke sitzen sieht, ist sie in anderen Teilen der Welt nicht so verbreitet (siehe Gemälde von Max Slevogt: Hockender Afrikaner, 1912, artmedia.de). Weiterlesen