In der Psychoanalyse-Ausbildung zu sein heißt: viel Auto fahren. Einige wenige fahren 100 km pro Weg zu ihrem Lehranalytiker – vier Mal pro Woche. Etwa zweimal pro Woche fährt man zu Theorieseminaren ins Institut. Vor dem Vorkolloquium ist zudem das Erstinterview-Seminar Pflicht. Nach dem Vorkolloquium steht einmal pro Woche oder alle zwei Wochen ein kasuistisch-technisches Seminar (KT-Seminar) an. Kommt der erste Patient viermal pro Woche zur Psychoanalyse, so muss man am 5. Tag zur Supervision fahren. Kommt ein weiterer Patient hinzu, gibt es auch einen weiteren Supervisionstermin. Einer meiner Kollegen hatte sich einen Chauffeur besorgt, sodass er selbst auf den Wegen zur Lehranalyse im Auto arbeiten konnte. Kreativität ist gefragt.
In der Psychoanalyse-Ausbildung ist man also sehr viel unterwegs. Wer nicht gerade in einer Großstadt wohnt, in der oft viele Analytiker angesiedelt sind, der muss sich auf weite Wege gefasst machen. Beispielsweise befindet sich das DPV-Ausbildungsinstitut von Nordrhein-Westfalen in Köln. Ausbildungsteilnehmer aus ganz NRW müssen teilweise sehr weite Strecken zurücklegen. Kollegen, die 170 km pro Strecke und mehr zum Abendseminar zurücklegen, lernt man immer wieder kennen. Ein gutes Auto gehört also zur Ausbildung unbedingt dazu – es sei denn, man lebt in der Nähe des Ausbildungsinstituts, ist sportlich mit dem Fahrrad unterwegs oder liebt die Öffentlichen Verkehrsmittel.
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 4.3.2015
Aktualisiert am 26.7.2022
Irgendwann geht man in der Psychoanalyse-Ausbildung zu einem Seminar, kommt ins Gespräch mit der Sitznachbarin und stellt fest: Wir haben beide denselben Lehranalytiker. „Couchgeschwister“ nennt man die Kollegen, die zum selben Lehranalytiker gehen wie man selbst. Schnell taucht dann die Frage auf: Wie gehe ich mit meinem Couchbruder/meiner Couchschwester um? Die Antworten fallen ganz unterschiedlich aus und hängen auch von der Größe des Instituts ab.
In der Lehranalyse erzählt man alles, was einem in den Sinn kommt. Der Lehranalytiker ist zwar Mitglied des Instituts, aber abstinent. Dennoch möchte man vielleicht unangenehmen Weitererzählungen aus dem Weg gehen.
So entschließen sich manche, während der Ausbildung den Kontakt zum Couchgeschwister nur locker zu halten. Dies ist leichter in einem relativ großen Institut. In kleinen Instituten mit einer familiären Atmosphäre kommt man vielleicht zwangsläufig mit seinen Couchgeschwistern in näheren Kontakt. Manche Kandidaten pflegen schon während der Ausbildung gute Freundschaften mit ihren Couchgeschwistern. Manchmal werden alte Geschwisterrivalitäten reinszeniert. Interessiert beäugt man die Couchschwester/den Couchbruder in seinem Fortkommen.
Insbesondere nach der Ausbildung können die Kontakte von Couchgeschwistern vertrauter werden: „Ich habe mein Leben lang zu meiner Couchschwester eine ganz besondere Verbindung“, erzählte mir eine erfahrene Lehranalytikerin.
Da will man Kolleginnen zum Kaffee einladen und fragt sich: Soll ich meine Couchschwester auch einladen? Habe ich dann meinen Lehranalytiker noch für mich oder erzählt mir meine Couchschwester von meinem Analytiker etwas, das ich gar nicht wissen will? Alle Couchgeschwister finden hier wohl ihre eigenen Wege. Manche genießen das gemeinsame Kaffeetrinken, viele tun es lieber nicht. Auch zwischen Couchgeschwistern kann Abstinenz wichtig sein, um die Lehranalyse nicht zu verkomplizieren.
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 28.9.2014
Aktualisiert am 26.7.2022