Wenn Du eine Psychotherapie machst, merkst Du vielleicht, wie wichtig Dir die Stunden sind. Fällt eine Sitzung aus, ist es für Dich schwer auszuhalten. Es ist Dir wichtig, dass Dein Therapeut für Dich anwesend ist. Vielleicht fühlst Du Dich auch in anderen Beziehungen sehr auf den anderen angewiesen. Wenn Deine nächste Bezugsperson weg ist, kommst Du vielleicht in psychische Not. Oder aber Du gehörst zu den Menschen, die sich alleine am wohlsten fühlen. Sobald Du Dich in einer engeren Beziehung wiederfindest, geht es Dir schlecht. Du kannst dann fast nicht mehr nachdenken, weil Du Dich in Deiner Beziehung so gefangen und bedroht fühlst. Manchmal meinst Du vielleicht, Du könntest weder allein noch mit anderen zusammen sein. Hier merkst Du, wie sehr Dein psychisches Befinden von Beziehungen abhängt.
Besonders bei Angststörungen spielt „der Andere“ eine wichtige Rolle. Während einer Angstattacke wünschst Du Dir vielleicht, dass Du zu jemandem gehen könntest, der Dich beruhigt. Aber wenn der andere dann da ist, fühlst Du Dich vielleicht immer noch beunruhigt oder sogar noch beunruhigter. Dann geht es Dir ähnlich wie einem Kind mit einer unsicheren, ambivalenten Bindung zur Mutter.
Vielleicht hast Du kaum eine Vorstellung davon, dass Du mit einem anderen zusammen sein und Dich dennoch frei fühlen kannst. Es wäre so schön, wenn Du Dich einem anderen Menschen nahe fühlen könntest, ohne Dich eingeengt zu fühlen. Und wenn Dein wichtigster Mensch einmal weg ist, fühlst Du Dich nicht fallengelassen oder hoffnungslos allein, sondern gedanklich und emotional weiterhin mit ihm verbunden. Schon allein diese Vorstellung ist oft schwierig und gleichzeitig ist sie ein denkbares Ziel.
Unser ganzes Leben wird von Beziehungen bestimmt. Wegweisend ist die frühe Beziehung zu Mutter, Vater und Geschwistern. Psychische Störungen sind meistens die Folge von misslungenen frühen Beziehungen. Auch die Beziehung, die Du zu Dir selbst hast, hat sich unter anderem aus Deinen Beziehungen zu Deinen Eltern, Geschwistern und Lehrern entwickelt. Beziehungsabbrüche, die Abwesenheit eines bedeutsamen Anderen und Einsamkeit zählen zu den größten psychischen Schmerzen. Sehr negative Beziehungserfahrungen können auch zu einem Mangel an Lebensfreude führen. Helfen kann eine neue Beziehung, z.B. auch die Beziehung zu einem Therapeuten. Wer sich tiefgreifende Veränderungen in seinem Leben wünscht, erreicht diese oft am besten durch eine Psychoanalyse. Dort kann man neue Beziehungserfahrungen machen – dadurch, dass der Andere Dich in einer verstehenden Weise anguckt, kannst Du Dich auch selbst verändern, sodass es Dir immer leichter möglich wird, Dich emotional berühren zu lassen, Dich für andere zu interessieren, Deine Emotionen selbst zu regulieren und Freude an der Beziehung zu haben.
Sobald es Dir gelingt, in Anwesenheit des anderen allein sein zu können, also „bei Dir“ zu bleiben, gehen Deine psychischen Beschwerden wahrscheinlich zurück.
Die wohltuende Nähe zu anderen Menschen kann Dir dann immer öfter möglich werden – das wiederum bringt die Lebensfreude zurück. „Infolge der neuen, besseren Erfahrungen gehen die psychischen Beschwerden zurück und wohltuende Nähe zu anderen Menschen wird immer öfter möglich. „Mein größtes Geschenk ist es, dass ich es genießen kann, mit anderen Menschen zusammen zu sein.“ So ähnlich sagt es eine ehemalige Patientin, die in einer langen Psychoanalyse von ihrer Schizophrenie gesundete (Take these Broken Wings, Youtube).
„Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust“, sagen wir manchmal. Wir können uns nicht entscheiden zwischen dem ein oder anderen. „Mach dir doch eine Liste“, sagen manche und vergessen dabei, dass einzelne Punkte der Liste ein eigenes Gewicht an Gefühl haben. Oft bestehen die zwei Stimmen aus Gefühl und Verstand. Oder aus dem, was wir selbst denken und dem, was in unserer Vorstellung jemand anders, z.B. die Mutter, denken würde. Es kommt darauf an, für welche Stimme wir uns entscheiden. 51% pro oder kontra reichen für eine Entscheidung. Weiterlesen
Natürlich gibt es sie: scheinbar „geheime Kräfte“, die uns bei unseren Vorhaben immer wieder einen Strich durch die Rechnung machen. Oft sind es unbewusste Erwartungen, Wünsche oder Phantasien, die verhindern, dass wir unser Ziel erreichen. Da fällt ein Student immer wieder durch die Prüfung, auf die er sich gut vorbereitet hat, weil er insgeheim den Neid des unstudierten Vaters fürchtet. Der Student weiß: „Ich werde sowieso wieder durch die Prüfung fallen.“ Er fällt aber nicht durch, weil er es sich so sagt, sondern weil er Ängste hat, von denen er nichts weiß und die vielleicht erst in einer psychoanalytischen Therapie verstanden werden können. Die „Selffulfilling Prophecy“ wird jedoch oft missverstanden, weil mit bewussten Vorgängen argumentiert wird.
WeiterlesenManchmal fürchten wir uns vor unseren negativen Gedanken. Wir befürchten, dass sie uns schaden könnten. Besonders dann, wenn wir Schlimmes erwarten oder wenn wir schlecht über jemanden denken, den wir eigentlich mögen oder von dem wir abhängig sind. Da präsentiert uns die beste Freundin ihr Baby und wir sind neidisch. Wir lernen unseren neuen Chef kennen und denken: „Der hat aber eine kindische Art.“ Sofort schämen wir uns für unsere Gedanken oder wir befürchten, das Schlechte könnte wahr werden. Und dann wir fangen an, uns selbst zu beschneiden und zu bearbeiten: Wir verdrängen die schlechten Gedanken – sie dürfen nicht sein. Weiterlesen
Im August 2014 war ich im ZDF-Studio von „Volle Kanne“ zu Gast bei Ingo Nommsen. Das Thema: Wenn Kinder ihre Eltern verlassen: (Link nicht mehr aktiv:
http://www.zdf.de/volle-kanne/verlassene-eltern-interview-mit-medizinerin-dr.-dunja-voos-34671018.html) Weiterlesen
Wer leichtfertig sagt, Schwangerschaft sei keine Krankheit, war vermutlich selbst noch nicht schwanger. Auch Indianer kennen Schmerzen. Gerade zu Beginn der Schwangerschaft, wenn von außen noch nichts sichtbar ist und der volle Einsatz im Beruf gefordert wird, kann es schon wie eine Krankheit sein. Viele Frauen fühlen sich unendlich müde, manche werden von schrecklicher Übelkeit geplagt oder sie haben Blutungen, die sie in furchtbare Sorge um ihre Frucht versetzen. Auch heute noch sterben Frauen bei einer Entbindung. Weiterlesen
Unter Müttern wird heiß diskutiert: Wieviel Kinderbetreuung ist nötig? Wieviel kann/darf die Mutter arbeiten und wie sehr sollte sie sich um die Kinder kümmern? Die „Herdprämie“ hat diese Diskussion angeheizt. (Als „Herdprämie“ wird das Betreuungsgeld bezeichnet, das Eltern erhalten, wenn sie ihre Kinder selbst betreuen und nicht in die Kindertagesstätte schicken.) Gerade unter Müttern wird viel über den „Herd“ diskutiert – er ist ein interessantes Symbol unserer Zeit. Weiterlesen
Es muss uns gut gehen. Davon sind wir überzeugt. Und davon werden wir an jeder Ecke überzeugt – Ratgeber mit befreit lächelnden Menschen auf der Titelseite zeigen uns, wie es wirklich geht: Endlich entspannt zu sein und es „geschafft“ zu haben. „Wenn Sie länger als zwei Wochen antriebslos und traurig sind, gehen Sie zum Arzt – es könnte eine Depression dahinterstecken“, liest man immer wieder. Holla die Waldfee! Weiterlesen
„Ich beobachte nicht, ich schaue“, sagt der Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel in der Dokumentation „Zimmer 202“ (von Eric Bergkraut, 3SAT, 23.2.2014). Bichsel erklärt den Unterschied wunderbar. Seither fällt mir immer wieder auf, wieviel wir beobachten und wie wenig wir einfach schauen. „Beobachten“ kann heißen, schon eine Meinung oder Erwartung zu haben und den Beobachteten daraufhin zu beobachten, ob sich das Gedachte bestätigt. „Beobachten“ kann sein wie „Krallen“, mit dem Blick fest in den Griff nehmen. Schauen ist ganz anders. Weiterlesen