„Die Deutschen werden immer dicker“, heißt es. Die „Wohlstandsgesellschaft“ sei schuld. Doch ist es nicht in vielerlei Hinsicht eine Mangelgesellschaft? Wir haben einen Mangel an Sonnenuntergängen, die wir betrachten können, weil wir alles verbaut haben. Wir haben einen Mangel an klaren Bächen, an frei stehenden Obstbäumen, an Parkplätzen, an Platz überhaupt, an Wiesen und Feldern, an Bäumen, auf die wir klettern dürfen, an Mücken, die wir jagen können und an Spielplätzen für Erwachsene. Wir haben einen Mangel an Zweisamkeit, Dreisamkeit und Gesellschaft. Einen Mangel an Dreigängemenüs in Gesellschaft, an Schlaf, an Dunkelheit in der Nacht. Einen Mangel an Bewegung, weil die Natur dazu fehlt. Einen Mangel an Hausmusik und Gesang, an festen Essenszeiten und Mittagsschlaf, an selbstgemachten Tiramisus, an Fenstern, die sich öffnen lassen, an Treppen, an Bänken am Wegesrand. Einen Mangel an Zeit und Raum und Stau-Freiheit, einen Mangel an freien Kühen, glücklichen Hühnern und Augen, die auch mal zugedrückt werden. Und wir haben einen enormen Mangel an Berührung.
Das macht dick. Nichts sonst.
Dieser Beitrag erschien errstmals am 28.7.2016
Aktualisiert am 7.5.2019