Verachtung ist ein Gefühlsgemisch. Es mag eine Mischung aus Enttäuschung, Angst, Häme, Schmerz und Ärger sein. Oft ist der Wunsch nach Distanzierung dabei: „Ich bin nicht so wie mein Vater oder meine Mutter. Ich bin nicht so rassistisch wie die da. Ich verachte die Mitläufer von damals.“ Man hätte sich gewünscht, dass das, was wir verachten, gut gewesen wäre. Man hat sich vielleicht hingeben wollen – an die Eltern, den Partner, an die Idee. Doch dann merkt man, dass es nicht möglich ist, weil der andere Alkoholiker oder auf andere Weise schwach oder schädlich ist. Man verachtet vielleicht den Vater, wenn er zu weich ist. Gleichzeitig schwingt die Angst mit, man könnte genauso werden wie er.Weiterlesen
Erst ist man auf der Suche. Vielleicht sein halbes Leben lang. Oder länger. Und dann trifft man auf einen Menschen, der ist gut. Der nimmt sich Zeit, der nimmt einen ernst, der lehrt einen, sich selbst zu verstehen. Da gibt es keine „brutale Ehrlichkeit“, sondern vorsichtiges Fragen, vorsichtiges Interesse. Dann tritt noch ein guter Mensch in das eigene Leben. Und dann noch einer und noch einer. Keine Angst, es ist auszuhalten, denn der schlechten Menschen gibt’s genug. Aber das Gute, das ist wie eine Kette. Ein Glied reiht sich an das andere. Irgendwann wird man gehalten und aufgefangen vom Guten. In Freiheit. Und Sicherheit. Und plötzlich kommt es: Das späte Glück, die späte Familie ist da.Weiterlesen
Es klingt oft so einfach: Traumatisierte Menschen könne man doch in Trance versetzen und dann das Trauma überschreiben. Wenn es doch so einfach wäre. Es kommt auf die Art des Traumas an. Bei manchen Traumatisierungen, die spät entstanden und von nahestehenden Bezugspersonen relativ unabhängig sind, mag die Hypnotherapie sehr hilfreich sein. Traumata, die jedoch im frühen Kindesalter geschehen sind und bei denen die Verletzenden die nächsten Bezugspersonen waren, sitzen viel tiefer. Häufig gibt es noch nicht einmal bewusste, konkrete Erinnerungen. Das Trauma hat in einer Zweierbeziehung stattgefunden. Man darf nicht vergessen, dass eine Hypnotherapie von einem anderen Menschen, nämlich dem Therapeuten, in einer Zweiersituation durchgeführt wird. Weiterlesen
Oft heißt es ja, das System sei schuld. Die Arbeitswelt sei zu hart und Entspannungsübungen hülfen nicht, wenn die Umstände zu schwierig seien. Doch wie definiert man die „harte Arbeitswelt“? Ich kenne eine Bäckerei, in der ich regelmäßig meine Brötchen hole. Dort arbeitet von montags bis freitags mal die eine, mal die andere Verkäuferin. Kaufe ich bei Verkäuferin A ein, habe ich das Gefühl, sie damit komplett zu überfordern. Hektisch wuselt sie hinter der Theke, die Schweißperlen stehen ihr auf der Stirn, sie findet kein Einpackpapier und ist kreidebleich. Vor lauter Stress wirkt sie unfreundlich.
Jedes Mal, wenn ich Verkäuferin A sehe, denke ich, dass diese Arbeit eine Zumutung und kaum zu bewältigen ist. In der nächsten Woche jedoch treffe ich Verkäuferin B. An denselben Wochentagen, zu denselben Uhrzeiten, zu denselben Bedingungen. Ich werde freundlich begrüßt, wir halten ein kleines Schwätzchen, die Wartenden hinter uns lachen mit, es tut gut, meine Brötchen hier zu kaufen und so warmherzig empfangen zu werden. Kein Zeichen von Stress. Die Innenwelt wirkt oft stärker als die Außenwelt.
Verkäuferin A erscheint panisch. Sie verliert vollkommen den Überblick. Wer weiß, was sie für ein Privatleben hat und wie sie aufgewachsen ist, denke ich. Es ist wie im Flugzeug: Während die ängstlichen Passagiere sich innerlich bei jedem Geräusch auf den Absturz vorbereiten, können die anderen gelassen ihr Mittagessen zu sich nehmen. Wer hat mehr vom Flug? Darf man es sich gut gehen lassen? Muss man Schuldgefühle haben, wenn einem selbst das Essen schmeckt, während der Nachbar in seinem Sessel zittert?
Zurück zur Bäckerei. Hier wird ganz deutlich, wie schwierig es ist, die Arbeit als solche zu definieren und zu sagen, ob sie nun schwer oder leicht ist. Man könnte meinen, Verkäuferin A mache eine ganz andere Arbeit als Verkäuferin B. Frau A. macht sich das Leben schwer. Doch sie kann nicht anders. Sie ist gefangen – die äußere Arbeit spiegelt schon nach kurzen Momenten ihre Innenwelt wider. Mit einfachen Entspannungsübungen kommt die gestresste Verkäuferin wahrscheinlich nicht weiter. Aber beständiges Yoga und/oder eine Psychotherapie könnten wahrscheinlich Einiges verändern – innen wie außen.
Dieser Beitrag erschien erstmals am 7.2.2015
Aktualisiert am 23.3.2024
Schuldgefühle machen alles kompliziert. Man möchte dem anderen nicht wehtun. Man bringt zum Beispiel nicht den Mut auf, ihm abzusagen, weil man ihn mag und nicht enttäuschen will. Man schämt sich. Und schreibt eine Mail, in der man ihm absagt. Und dann? Die Absage sei nicht das Problem, sagt der andere. Sondern die Absage per Mail. Ungewollt hat man alles nur schlimmer gemacht. Und fühlt sich schuldig. Und der andere? Verschiebt vielleicht. Denn auch die Absage wäre ein Problem, doch es wird auf die Mail verschoben. Schuldgefühle jedenfalls will man nicht haben. Sie machen schwer und mutlos. „Feige“ sagen manche. Wie empfinden Sie Schuldgefühle? Wo im Körper spüren Sie sie? Weiterlesen