Unvereinbar. Die Mutter, sie möchte helfen und Schlimmeres verhindern, doch sie übt Gewalt aus. Sie quetscht das Kind in der Vojta-Behandlung. Diese Brüste über dem Kind! Viel zu früh wird es gezwungen, Widerstand zu leisten, ein Ich zu entwickeln, sexuelle Erregung zu empfinden. Immerhin: Das Schreien wirkt fast wie ein Schmerzmittel. Die Mutter, die selten zärtlich sein kann, ist die Angreiferin. Sie spricht dem Kind tröstlich zu. Nun ist es vollends verwirrt. Liebe, Gewalt, Erregung – so vermischt, dass es nicht zu verarbeiten ist. Diese Gefühl, etwas nicht verarbeiten zu können, etwas nicht genießen oder annehmen zu können, jemandem nicht angstfrei begegnen zu können, eine unaushaltbare Ambivalenz zu verpüren, lässt das Kind nie mehr los. Weiterlesen
Geborenwerden per Wunsch-Kaiserschnitt, Krippe viel zu früh, Ergo-, Sprachtherapie, Zahnspange, Weisheitszähne-Ziehen, Wurzelbehandlung. Gebären via Kaiserschnitt, Antidepressiva, Betablocker, bald Zahn-, Knie- und Hüftimplantate, Stents, Herzschrittmacher, Krankenhaus, Reanimation, Mehrmaliges Sterben auf Intensivstation. Ohne mich. Weiterlesen
Ich will das nicht alles mittragen müssen: diese Zahnklammer- und Weisheitszahnindustrie, die oft viel zu frühen operativen Geschlechtsangleichungen, die vielen unnötigen Rücken- und Nasenscheidewand-OPs, die vielen Sprachtherapien von Kindern, die einfach nur etwas mehr Zeit brauchen, die vielen Intensivbehandlungen von hochbetagten Menschen, die gerne schon längst gestorben wären. Gar nicht zu reden von der Vojtatherapie bei Babys – einer Misshandlung auf Rezept, wie ich finde. Ich schimpfe. Und breche mir den Arm. Ich wähle die 112, komme wie selbstverständlich in die Notaufnahme, werde bestens behandelt. Und bin dankbar. Für unser Krankenkassensystem.
Es war, als sei ich eines Tages, mitten im Leben, aufgewacht inmitten einer großen Leere. Wie konnte ich nur hierhin gekommen sein? Wo waren die anderen? Die anderen waren im Kreise ihrer Familie. Dort waren sie geboren, feierten ihre Feste, heirateten und starben dort. Mir wurde kalt. Im Alltag, im Beruf, da war ich im Kreise meiner Freunde und Arbeitskollegen. Aber Mengenleere ist grausam: Sobald die Feiertage kommen, ziehen sich alle in ihre Kreise zurück. Unruhe machte sich breit. „Neidisch ist man besonders auf die, deren Ziele man theoretisch auch selbst hätte erreichen können“, hörte ich. „So weit wie Du kommen die meisten mit Deinen Startbedingungen gar nicht“, tröstete mich eine Freundin. Weiterlesen
Die Mutter war außer sich. Schon wieder. Das Kind hatte alles falsch gemacht. Und doch hatte es etwas richtig gemacht: Weil es die Mutter nicht einschätzen konnte, machte es die Mutter wütend, damit es wusste, wo es dran war. Damit es Eindeutigkeit hatte. Doch ein kleines Kind kann die Welt nicht entdecken, wenn die Mutter wütend mit ihm ist. Also versucht es, die Mutter wieder zu besänftigen. „Hab mich wieder lieb, Mama!“, sagt das Kind mit all seiner Kraft. Die erschöpfte, versteinerte Mutter kann nicht sagen: „Ist schon gut, mein Schätzchen.“ Aber die Mutter hat ein Minimum an Fähigkeit, gnädig zu sein. Als sie ausreichend gnädig ist, lässt das Kind los. Weiterlesen
Das Kind, es steht im Mittelpunkt. Ob gut oder schlecht: Die Eltern starren, beobachten, zupfen, küssen, streicheln, beschämen, lauschen, verfolgen, quälen, verlassen. Sie loben und schimpfen. Das Kind, es hat keinen eigenen Raum. Nur manchmal ganz oft, wenn die Eltern sich streiten, dann sind sie beschäftigt. Es ist ihr Streit. Das Kind, es mag ihn nicht hören. Es macht ihm Angst. Es hält sich die Ohren zu und läuft im Flur auf und ab. Ganz allein. Weiterlesen
Die Luft ist rein, der Augenblick scheint wie für mich gemacht. Perfekt. Ich kann mich davonstehlen. Ich habe ein kleines Zeitfensterchen entdeckt, einen kurzen Moment, in dem sie nicht aufpasst. Ich bin schon durch den Türspalt. Ich rieche die Freiheit – gleich da vorne ist sie. Ich tue den ersten Schritt, dann den zweiten. Ich fühle mich etwas sicherer. Großartig. Die Beine finden Halt, ich kann gehen.Weiterlesen