Als Kind ist es ein schöner Traum. Wie von Geisterhand erschaffen, kommt nachts der Nikolaus. Er macht alles heimelig. Das Kind stellt sich vor, dass es sich zusammen mit Mutter und Vater über den Besuch des Nikolauses freut. Alles wurde wie von selbst an diesem Morgen gemacht. Es ist, als hätte ein anderer gut für die Familie gesorgt. Matt und müde stehen die Eltern mit tiefen Augenringen daneben.
Es ist so zäh. Die Tür geht auf. Müde Augen begegnen sich. Beide denken: „Nicht schon wieder.“ Doch die Pflicht, sie ruft.Weiterlesen
Das Kind, es ist noch ein Baby. Ein sehr kleines Baby. Viel zu klein, um einen genaueren Orientierungssinn zu haben. Und doch beginnt es immer dann zu schreien, wenn die Mutter die Einfahrt hochfährt. Das Baby, es weiß genau, was jetzt kommt. Es wird entkleidet. Und auf den Bauch gelegt. Dann wird es gequetscht. Von einem anderen Bauch. Ein erwachsener Bauch legt sich über das Baby. Eine Hand hält seinen Kopf. Das Baby, es fühlt sich gezwungen, sich hochzudrücken. Sein Schambein drückt gegen die Liege.Weiterlesen
Das Kind, es ist längst erwachsen. Und doch lebt es in der Glocke seiner Kindheit. Dort war die Luft verpestet und die Suppe versalzen. Das Kind, es lebt mit seinem Körper in einem Wackelpudding. Es steht fest wie ein grünes Ampelmännchen. Es hat den schwabbeligen Bauch der Mutter vor Augen und den Gürtel des Vaters im Ohr. Es riecht das Verbrechen. Es lebt noch in der Glocke. Aber es erkennt seine Wünsche. Es findet die Tür zu seinem Inneren. Und verweilt. Es findet die Tür nach draußen. Das Mädchen, es tritt heraus. Und kann sich bewegen.Weiterlesen
Sie freute sich auf’s Wiedersehen. Die Freude in ihrem Herzen hüpfte wie ein kleines Kind. Endlich war es so weit. Sie stieg in ihr Auto und lauschte der schönen Musik. Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Sie träumte. Sie näherte sich der Freudenquelle. Dann waren es nur noch zwei Kilometer. Und die Freude, sie tropfte langsam aus einem Loch, das sie nicht finden konnte. Dann sah sie ihn wieder. Und ihr Freudenschiff ging unter ohne Aussicht auf Halt. Weiterlesen
Das Kind ist längst erwachsen. Längst hat es das Nest verlassen. Und doch: Sie sitzt auf der Schulter, sie kontrolliert. Die Mutter taucht immer wieder auf, wenn das Kind sich weiterentwickeln will. Sie taucht auf, wenn das Kind sich einem Mann nähert, wenn es schön aussehen will, wenn der Geldregen kommt. Sie weiß alles besser und durchkreuzt ihre Pläne. Sie weist zurecht, sie weckt den Zweifel. Doch plötzlich ist die Mutter nicht mehr die Schönste im ganzen Land. Das Kind, es ist nicht länger angefasst, nicht länger angepasst. Die Mutter als Schrecken löst sich auf wie Rumpelstilzchen, wenn man es bei seinem Namen nennt.
Geboren worden
Vergewaltigt worden.
Einsam leben.
Einsam sterben.
End of story.