Der Vater hat zu viel getrunken, die Mutter schreit und weint. Das Kind versteht die Welt nicht mehr. Es geht in die Schule – es besucht die 3. oder 4. Klasse. Die aufgeräumte Lehrerin kommt herein und bringt frische Luft mit. Sie ist so hübsch. Die Locken schmiegen sich um ihr Gesicht und sie trägt eine helle Bluse. Sie spricht ganz ruhig. Sie stellt ihre schöne Ledertasche auf den Tisch – was da wohl alles drin sein mag? Sie erzählt und erzählt. Sie bringt Wissen in den Kopf des Kindes. Fraulich, freundlich, lehrerhaft, erfrischend, sanft.Weiterlesen
„Warum, warum?“, fragen sie sich immer wieder. „Können sie das nicht verstehen?“, frage ich mich. „Ist ihnen Hass so fremd? Fühlen sie niemals diesen furchtbaren Drang, alles zu zerstören?“ Sie sind so merkwürdig erstaunt. „Astonished“, das englische Wort dafür klingt viel treffender. Man hört daraus, wie versteinert die Menschen sind. Doch mich hält nichts mehr. Und noch während ich schieße, denke ich, dass ich sie alle auf eine ganz merkwürdige Weise liebe. Und dass ich nicht will, was ich da tue. Plötzlich, aus dem Tumult, wie aus dem Nichts, ein Brennen. Und noch während ich zusammensinke, denke ich: „Vielleicht bekomme ich es doch noch – ein bisschen Liebe.“ (Gedanken eines Amokläufers. Text & Bild: Dunja Voos) Weiterlesen
Wie aufgebrochener Asphalt auf der mit dem Schlaghammer aufgebohrten Straße. So liegen die Steine in Fetzen an der Oberfläche neben dem ausgetrockneten Loch. Außen Beschädigung, innen tiefe Erschütterung. Wie in seine Einzelteile zerlegt. Alle Bauklötze umhergeworfen. So fühlt es sich an. Darüber fegt ein Gedankensturm, der fast alle Fensterläden abreißt. Auch innen ist nichts mehr geschlossen. Es herrscht eine Überfüllung aus Abwesenheit. Die Wirkung, die die Mutter hatte, ist verheerend. Weiterlesen
Keine Geschwister. Schwister. Wister. Keine Eltern. ltern. milie. Unfassbar. einsam. gemeinsam. die anderen. nderen. nur. die. Weiterlesen
Noch drei Minuten, sagt der große Zeiger. Gleich wird er klingeln, mein Patient. Wie fast jeden Tag zur vollen Stunde. Und ich kann nichts dagegen tun. Er wird da sein. Er wird wollen. Er will, dass ich zuhöre und nachdenke. Ich kann nicht weg. Dabei bin ich müde. Wie eine Mutter. Doch der Säugling, er gibt keine Ruhe. Er fordert und fordert und fordert. || Noch drei Minuten, sagt das Autoradio. Dann steige ich aus und begebe ich mich zur Tür meines Lehranalytikers. Er wird da stehen und auf mich warten. Ohne Gnade. Er fordert von mir, dass ich sage, was mir einfällt. Ständig. In jeder Sekunde. Meine ich. In meiner Welt. Er sitzt da und wartet und wartet und wartet. Wie ein Herrscher. Ich bin müde, ich will nichts mehr sagen. Doch er ist da, komme, was wolle.Weiterlesen
Da ist eine Perle in mir. Ich bin eine Auster und lasse mich in der Tiefe des Meeres sanft hin- und herbewegen. Meistens ist meine Schale zu, denn ich befürchte, dass man mir meine Perle klauen könnte, wenn ich mich öffne. Was aber, wenn es gar nicht (mehr) so ist? Was, wenn die anderen respektvoll vor mir stehen bleiben? Wenn sie mein Gesicht, meine Perle respektieren? Wenn sie selbst darum bemüht sind, meine Perle zu beschützen? Ich komme an einer anderen Auster vorbei. Sie ist weit offen und trägt eine wunderschöne Perle. Ich sehe sie glänzen. Neid kommt auf. Und auf einmal bin ich es, der rauben will! Ich will diese Perle haben, ich will sie klauen, mir zu eigen machen. Doch dann fällt mir meine eigene Perle ein. Ich hätte nichts davon, die andere Perle zu klauen. Sie würde nicht zu mir passen. Ich hinterließe eine leere Schale und würde selbst einsam werden. Da ist es doch sinnvoller, ich lasse meine eigene Perle in Ruhe wachsen, sodass sie selbst schön glänzt.Weiterlesen