Man möchte nie mehr zurück in die Festanstellung. Heiraten schon mal gar nicht. Der Aufzug könnte einen bequem nach oben fahren, aber da man nicht eingeschlossen sein will, entscheidet man sich für die Treppe. Aber eigentlich entscheidet man sich nicht. Eigentlich lenkt die Angst und lässt einem keine freie Wahl. Irgendwann ist man eingeschlossen in seiner Freiheit. Ausgeschlossen vom Leben der anderen. Und dann entscheidet man sich doch: Gegen die Angst und für das zeitweilige Eingesperrtsein. Und man merkt: Das Eine geht ohne das Andere nicht. Man kann nur frei atmen, weil die Lungen von Rippen gehalten werden. Wirklich frei ist man erst, wenn man die Unfreiheit als Stütze der Freiheit erkennt. Weiterlesen
Es sind oft nicht die großen Ereignisse des Tages, die uns nachts im Traum wieder erscheinen, sondern die Nebensächlichkeiten. Was wir in der Hektik des Tages kaum bemerken, wird im Traum wirkungsvoll. Das kann manchmal logisch sein: Wenn es im Haus brennt, kann eine funktionierende Türklinke zum Lebensretter werden. Oft sagen wir: „Ich weiß gar nicht, wieso dieses oder jenes Detail im Traum so wichtig war.“ Wenn wir an den heutigen Tag oder den Vortag erinnern, fallen uns häufig Zusammenhänge auf. Die Erinnerungsstücke, die wir vom Vortag in den Traum einbauen, heißen Tagesreste (englisch: day residues, französisch: restes diurnes). Weiterlesen
„Ich bin so unzufrieden! Nichts kann man mir recht machen. Alles scheint in einer Sackgasse zu enden“, sagt die Patientin. Sie versteht die Welt nicht mehr. Doch bevor wir uns an jede einzelne Baustelle begeben, bevor wir schauen, wo es überall hakt und hinkt und wo die „Ansprüche zu hoch“ sind, schauen wir lieber auf „die Welt“ – das ist in dem Fall der Psychoanalytiker. Viele empfinden es so: Stimmt die Beziehung zum Psychoanalytiker, stimmt auch alles andere. Es ist wie mit der Mutter und dem kleinen Kind: Ein Küsschen auf die Stirn und das Kind läuft freudig in die Welt hinaus.Weiterlesen
Während meiner Lehranalyse (4-mal pro Woche im Liegen auf der Couch) begann ich mit Yoga. Irgendwann bemerkte ich, wie ich im Liegen entspannter war und wie dadurch die Zeit für mich langsamer verging – ein wunderbarer Effekt, denn gerade gegen Ende der Lehranalyse wollte ich die einzelnen Sitzungen noch richtig auskosten. Wenn unsere Muskeln angespannt sind, sind wir oft auch im Denken angespannt – oder umgekehrt: Wenn wir verkrampft denken, spannen wir unsere Muskeln an. Der Kürmel im Kopf macht, dass wir nicht geordnet denken können und dass uns die Zeit dabei davon rast (denken wir nur an hitzige Streitereien). Weiterlesen
Wenn wir geträumt haben, können wir uns manchmal an den Traum erinnern. Als „manifesten Trauminhalt“ bezeichnete Sigmund Freud den Traum, an den wir uns erinnern können. Er sagt, der manifeste Traum ist „… das, was der Träumer beim Erwachen erinnert“ (Der Wahn und die Träume in Jensens Gradiva, Projekt Gutenberg). Allerdings entspreche das, woran wir uns erinnern, nicht immer dem tatsächlichen Traum, so Freud. Oft fügen wir etwas hinzu oder lassen etwas weg. Das macht sich dann bemerkbar, wenn wir in der Psychoanalyse den Traum erzählen und dann nochmal erzählen – dann können uns verschiedene Dinge entfallen oder neu einfallen. Weiterlesen
Wenn sich ein Patient zum ersten psychoanalytischen Gespräch anmeldet, passiert schon viel. Hat er uns eine Mail geschrieben? Hat die Sekretärin einen Termin für uns festgelegt und was erzählt sie darüber? Konnten wir mit dem Patienten am Telefon sprechen oder hat er uns mit seinem Anruf irgendwo gestört? Die Vorboten des Erstgesprächs sind meistens genau so wichtig wie das Erstgespräch selbst – welche Phantasien sind uns zu diesem angekündigten Patienten gekommen?Weiterlesen
Im Leben werden wir immer wieder durch neue Erkenntnisse beruhigt, aufgeweckt oder erschüttert. Auf vielen Gebieten immer wieder festzustellen, dass sich die Sonne nicht um die Erde dreht, ist eine grosse innere Aufgabe. Diese Veränderung des „Konzeptes im Kopf“ nennen Pädagogen „Conceptual Change“. Solch ein Lernschritt ist oft mit Unbehagen verbunden. Wenn wir von alten Konzepten wegrücken müssen, um Neues zu lernen, fällt uns das oft schwer. Je angstfreier wir im Allgemeinen sind, desto leichter können wir Neues Lernen. Unsere Kindheits-Erfahrungen mit der Triangulierung, also dem Zusammenspiel von Mutter-Vater-Kind, spielen dabei eine besondere Rolle.Weiterlesen