Wer unter Reizdarm oder einer entzündlichen Darmerkrankung leidet, der weiß: Durchfälle können sich sehr unterschiedlich anfühlen. Ob der Durchfall primär körperlich bedingt (z.B. Ernährung) oder eher psychisch bedingt ist, lässt sich nicht immer einordnen – manchmal jedoch schon. Man könnte von „primärem und sekundärem Durchfall“ sprechen. Beim „primären Durchfall“ fängt’s plötzlich im Bauch an zu rumoren. Man hat etwas Ungutes hektisch gegessen, hat Zeitdruck und weiß, dass es gleich wieder losgeht. Man mag jetzt niemanden mehr sehen, ist nur noch besorgt darum, wo die nächste Toilette ist. Infolge dessen können auch Schwitzen, Angst und Wut entstehen. Beim „sekundären Durchfall“, wie ich es bezeichnen würde, ist zuerst die Angst da, z.B. bei einer Angststörung, und dann spürt man, wie „alle Schleusen aufgehen“ und sich im Darm ein Durchfall entwickelt. Vom Körpergefühl können sich diese beiden Durchfallarten oft unterscheiden lassen.Weiterlesen
„Der Druck kommt immer dann, wenn ich vor einer Verpflichtung stehe oder wenn ich in eine Situation komme, in der etwas Bestimmtes von mir erwartet wird – und sei es nur, während eines Gespräches nicht aufs Klo gehen zu dürfen. Der Stuhldrang taucht unaufhaltsam in mir auf.“ So beschreiben manche ihre Reizdarmbeschwerden. Die Durchfälle schränken das Alltagsleben stark ein. Vielleicht kennst Du das auch: Wenn Du jemandem gegenüber stehst, um Dich mit ihm zu unterhalten, merkst Du, wie es in Deinem Bauch arbeitet. Vielleicht hattest Du schon beim Aufwachen dieses Rumor-Gefühl. Wie soll man erklären, dass man schnell weg muss? Das Reizdarmsyndrom ist eine Qual – und hängt eng mit engen Beziehungen zusammen. Weiterlesen
Wer an Reizdarm leidet, der braucht vor allen Dingen eines: eine eigene Toilette und viel Zeit. Insbesondere in den Morgenstunden solltest Du Dir – wenn eben möglich – viel Zeit einrichten. Neben den körperlichen Ursachen sind auch die psychischen Begleitphänomene interessant. Das Reizdarmsyndrom verschlimmert sich häufig im Kampf um Pünktlichkeit. Der Wunsch ist da, allein und ungestört zu sein. Man möchte nichts „vor sich haben“, doch die Umwelt wirkt mit ihren Erwartungen unbarmherzig: Du sollst funktionieren. Und das erwartest Du auch von Dir selbst. Weiterlesen
„Du hast ja Angst vor Deinem eigenen Baby!“, wird Müttern manchmal vorgeworfen. In der Tat können Babys mit ihrer Unersättlichkeit Angst machen: „Was, wenn ich Fieber habe und mein Baby nicht versorgen kann?“, denkt die Mutter. Enge Zweierbeziehungen können sehr einengen. Gerade, wenn ich als angehende Psychotherapeutin/Psychoanalytikerin selbst frühtraumatisiert bin, kann ich erneut erleben, wie gefährlich eine enge und abhängige Beziehung werden kann. Wenn Angst und Wut aufkommen, lässt die Mentalisierungsfähigkeit nach – ich bin damit beschäftigt, mich selbst zu schützen. Die Kunst ist es, in der Therapie weiterhin mentalisierungsfähig zu bleiben, auch, wenn man gerade Angst hat oder von Aggression überwältigt ist. Weiterlesen
„Ich dachte, ich muss in die Notaufnahme oder mich umbringen“, erzählt eine Frau, die an der Angst vor dem ewigen Leben leidet (The Atlantic). Der Autor Bobby Azarian leide unter dieser Apeirophobie seit er vier Jahre alt war – als seine Mutter ihm nach dem Versterben des Opas erzählte, dass er nun fröhlich im Himmel weiterlebe (The Atlantic, 1.9.2016). Manche Menschen bekommen diese Angst mit Psychotherapie, Psychoanalyse und/oder Medikamenten in den Griff, aber viele haben bisher keinen Weg gefunden, um diesen „existenziellen Terror“ zu lindern (Azarian, 2016). Weiterlesen
Wir haben nicht nur einen Lebenstrieb, sondern auch einen Todestrieb. Den Begriff „Todestrieb“ prägte Sigmund Freud um das Jahr 1920. Wir spüren ihn, wenn wir Zerstörungswut verspüren. Schon kleine Kinder lieben es, den Bauklotz-Turm zu zerstören und Marienkäfer zu zertreten. Vereinfacht gesagt gehört das Zerstörerische in uns zum Todestrieb. Schon wenn wir etwas essen und zerbeißen, sind wir zerstörend. Daher gehört auch das Schuldgefühl von Beginn unseres Lebens immer zu uns. Zum Todestrieb gehören zum Beispiel Hass, Neid, Mordgelüste, Selbsttötungswünsche, Rachegedanken, Stillstand und Arroganz. Oft verleugnen wir den Todestrieb. Nur heimlich denken wir bei schlechten Nachrichten: „Schade, dass es nicht noch schlimmer gekommen ist. Schade, dass nicht mehr Menschen zu Tode gekommen sind.“ Weiterlesen
Wenn Du bei alkoholkranken Eltern aufgewachsen bist, hast Du vielleicht recht oft erlebt, wie Du in unangenehmer Weise berührt wurdest. Da rutschte mal eine Hand aus, da kam ein Tätscheln wie aus Versehen, da wurde es schmierig und wabernd. Der betrunkene Elternteil hatte seine Bewegungen nicht mehr unter Kontrolle. Du fühltest Dich vielleicht abgestoßen, befremdet, vielleicht auch irgendwie negativ-fasziniert vom Unbegreiflichen. Die Berührung hatte vielleicht auch einen sexuellen Touch mit all der Verwirrung. Du wolltest diese Berührung nicht haben – Du schämtest Dich vielleicht, es hat Dich geängstigt und Du hast Dich geekelt, aber vielleicht auch selbst ekelig gefühlt. Du konntest nicht einordnen, was Du da mit der betrunkenen Mutter/mit dem betrunkenen Vater erlebt hast.Weiterlesen
Alkoholabhängige Patienten gelten mitunter als hoffnungslose Fälle. Manche Psychotherapeuten nehmen Alkoholiker erst gar nicht auf. Doch manche haben einen hoffnungsvolleren Blick. Die Autoren Abdullah Cihan und Kollegen beschreiben in ihrem Beitrag „Attachment Theory and Substance Abuse: Etiological Links“ (Journal of Human Behavior in the Social Environment, 24, 2014) interessante Ansätze. Die Alkoholabhängigkeit ist demnach keine eigenständige Krankheit, sondern eher das Ergebnis einer tiefgreifenden frühen Bindungsstörung. Diese frühe Bindungsstörung hat zu einer Störung in der Emotionsregulation geführt. Natürliche „Glückshormone“, die durch befriedigende Beziehungen hervorgerufen werden, fehlen dem Alkoholabhängigen, so Cihan. Weiterlesen
Die Psychoanalytikerin Melanie Klein (1882-1960) hat die Begriffe „paranoid-schizoide Position“ und „depressive Position“ geprägt (1946: Bemerkungen über einige schizoide Mechanismen, The Journal of Psychotherapy Practice and Research, 1996). Gemeint waren damit ursprünglich Entwicklungsstadien, die ein Kind durchläuft. Mit „Position“ ist jedoch ein psychischer Zustand gemeint, den wir ein Leben lang immer wieder einnehmen. Wir oszillieren ständig zwischen paranoid-schizoider und depressiver Position. Melanie Klein ging davon aus, dass sich das Baby zunächst als einen Teil seiner Mutter wahrnimmt. Seelische Teile von sich selbst, z.B. Wut, projiziere es auf die Mutter. Das Baby fühle sich jedoch direkt nach der Verlagerung seiner Gefühle in die Mutter von der Mutter verfolgt, weil es glaube, die Mutter sei wütend. Weiterlesen