Ist es nicht interessant, wie Gedanken und Körper zusammenhängen? Wenn wir einen Traum hatten und nach dem Wachwerden unbeweglich liegenbleiben, können wir uns noch einen Weile an den Traum erinnern. Wenn wir uns aber bewegen und die Körperposition wechseln, dann kann es sein, dass dadurch der Traumgedanke verschwindet. Wenn wir etwas gesagt haben, dass uns Angst macht, dann klopfen wir geschwind auf Holz, damit das Gedachte wieder unwirksam werden kann. Wenn wir wütend sind oder Kummer haben, wollen wir joggen gehen, um „den Kopf frei zu bekommen“.
Wir träumen intensiv in den Schlafphasen, in denen unser Körper unbeweglich ist und sich nur die Augen rasch bewegen (REM-Phasen, REM = Rapid Eye Movement, schnelle Augenbewegungen).
Menschen mit Tics oder Tourette-Syndrom bekämpfen aus psychoanalytischer Sicht unerwünschte, peinliche oder aggressive Gedanken durch rasche Bewegungen und Laute. Menschen mit Psychosen bewegen sich hin und her oder sie führen bestimmte Bewegungen aus, um bestimmte Gedanken unschädlich zu machen. Manchmal trauen wir uns nicht zu bewegen, weil wir in andächtiger Stille sind und diesen Moment halten wollen. Körper und Geist sind so eng miteinander verbunden.
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 27.10.2019
Aktualisiert am 14.2.2021
„Woran merkt man eigentlich, dass man psychisch krank ist?“, werde ich manchmal gefragt. Ich glaube, man merkt es unter anderem daran, dass man zu viel denken muss. Wenn das Denken zum Leid wird, dann ist das häufig ein Anzeichen einer psychischen Erkrankung. Es ist ähnlich wie mit dem Körper: Wir atmen unbewusst tausende Male am Tag und müssen nicht darüber nachdenken. Ein Asthmatiker aber denkt sehr wohl über seinen Atem nach – er muss ihn messen und Medikamente einnehmen. Auch wer hyperventiliert, denkt über seinen Atem nach und leidet darunter. Mütter stillen ihre Säuglinge nach Gefühl. Doch sobald ein Problem auftritt, müssen sie darüber nachdenken. Den Magen spüren wir nicht – wenn sich aber ein Magengeschwür entwickelt, wird unser Denken darauf gelenkt.
Besonders Menschen mit einer Hypochondrie (Angst vor Krankheiten) oder einer Angststörung müssen ständig über alles Mögliche nachdenken. Kein Kontakt, kein Besuch, kein Spaziergang ist mehr möglich ohne quälende Gedanken. Die Betroffenen sehnen sich danach, einfach mal unbeschwert sein zu können.
Was ist schon „normal“? Obwohl das einerseits schwer zu sagen ist, wissen wir auch, wenn wir uns nicht „normal“ fühlen: Wenn unsere Ängste zu unverständlich sind, wenn wir für unser Fühlen und Verhalten keine Erklärungen finden, wenn wir nicht schlafen können, dann spüren wir, dass etwas nicht stimmt. Viele spüren auch eine Grenze: „Ich kann das nicht mehr alleine bewältigen, ich brauche Hilfe“, sagen manchmal auch diejenigen, die ansonsten niemals eine Psychotherapie in Betracht ziehen würden. Dieses Eingeständnis, das ja eine Art innere Kapitulation, aber auch eine Anerkennung der Realität ist, ist oft der erste Schritt zur Heilung.
Dieser Beitrag erschien erstmals am 11.11.2014
Aktualisiert am 11.2.2021
Die einen leben im Krieg, die anderen ohne Wasser, wieder andere werden von einer Überschwemmung heimgesucht. Da verliert eine Frau ihr Kind, während die Nachbarin das zweite gesunde Kind bekommt. Der eine leistet sich eine teure Ausbildung, der andere hat dafür kein Geld. Manche Menschen haben die „Gerechtigkeit“ zu ihrem Steckenpferd gemacht. Sie studieren Jura und bekommen dann als Anwalt ein Burnout, weil sie sehen, dass sie kaum gegen die Ungerechtigkeiten dieser Welt ankämpfen können. Oft hadern wir mit unserem Schicksal und unserem Leid, weil wir vor unserem inneren Auge das Bild haben, es müsse gerecht zugehen. Weiterlesen
Sexuelle Erregung bei Frauen geht mit dem Feuchtwerden (Lubrikation) der Scheide einher. Schon 10-30 Sekunden nach dem erregenden Reiz kann die Scheide feucht sein. Doch die Lubrikation tritt nicht nur bei Erregung auf. Bei manchen Frauen, die sexuell missbraucht wurden, lassen sich kaum Verletzungen feststellen. Die Wissenschaftlerin Elisabeth Lessels geht in ihrer Dissertation davon aus, dass die Lubrikation auch ein Reflex sein kann, mit dem der Körper reagiert, um die Scheide zu schützen.
Es kommt also vor, dass die Scheide reflexhaft mit Feuchtwerden reagiert, auch wenn die Frau nicht erregt ist oder wenn sie einer Gewalttat ausgesetzt ist. Der Reflex verhindert, dass es zu größeren Verletzungen in der Scheide kommt.
Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Psyche die unerträglichen Gewaltzustände sozusagen „um-switcht“, um sie erträglicher zu machen. Manche Missbrauchs-Opfer berichten, dass sie selbst – wenn auch nur für kurze Momente – erregt waren.
Kinder, die missbraucht werden, fordern manchmal von sich aus das Procedere ein, damit sie in ihrer Ohnmacht wenigstens selbst den Zeitpunkt des Beginns der Qual bestimmen konnten.
Die Feststellung der Opfer, für Momente selbst erregt gewesen zu sein, ist ganz schrecklich für sie, denn sie können das nicht einordnen, weil die Situation an sich unvorstellbar schrecklich war. Doch wenn der Körper in eine unaushaltbare Situation kommt, versucht er, sich zu helfen. Bei Schmerzen werden Endorphine produziert. Bei sexueller Erregung steigen Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin und Prolaktin an (siehe Focus.de). Wenn die Stresshormone sowieso schon erhöht sind, können auch Gefühle leicht umschlagen.
Manchmal werden unaushaltbare Erlebnisse auch im Nachhinein, in der Erinnerung sozusagen, „sexualisiert“. Die „Nachbearbeitung“ in der Psyche bewirkt, dass die Gewalt in der Erinnerung anders erlebt wird als in dem Moment, in dem sie geschah. Es kann also sein, dass sich später, wenn man sich an die schreckliche Situation erinnert, Erregung hinzumischt. Diese Zusammenhänge könnten auch erklären, warum sich Missbrauchsopfer oft so schuldig fühlen.
Die Ärztin Emily Nagosky erklärt in einem TED-Video den Begriff „Arousal Nonconcordance„. Sie beschreibt sehr gut, wie ein sexueller Stimulus zur feuchten Scheide oder zur Erektion führen kann, obwohl der Betroffene nicht erregt ist. Sie vergleicht es z.B. mit dem Biss in eine schimmelige Frucht, der auch zu erhöhter Speichelsekretion führt, obwohl man die Frucht nicht essen möchte. Sie erinnert daran, dass der Pawlowsche Hund beim Erklingen der Glocke mit erhöhter Speichelsekretion reagiert, obwohl er ja nicht die Glocke fressen will, sondern das Fressen, das dem Glockenton folgt. (Siehe: Emily Nagosky, Ph.D. The Truth about unwanted Arousal, Youtube)
Literatur:
Lessels, Elisabeth:
Female sexual arousal response to implied sexual violence.
The University of Texas at Austin
https://repositories.lib.utexas.edu/handle/2152/18981
Exton, Natalie et al. (2000):
Neuroendocrine response to film-induced sexual arousal in men and women.
Psychoneuroendocrinology, Volume 25, Issue 2, February 2000: 187-199
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 13.9.2018
Aktualisiert am 30.1.2022
Manchmal verstehen wir uns selbst nicht mehr: Wir sind einfach „trotzig“, obwohl wir es gar nicht wollen. Wir geben uns stachelborstig, obwohl wir in den Arm genommen werden wollen. „Trotzen“ kommt von „Trutzen“, was so viel heißt wie Widerstand leisten, aber auch mutig sein. Im Trotz werden gebeten, etwas zu sagen oder zu tun und machen es gerade deshalb nicht. In der Psychoanalyse spricht der Patient auf einmal nicht weiter. Früher sagte man vorrangig, er widersetze sich, leiste „Widerstand“. Natürlich kann das auch der Grund sein. Doch heute sieht man auch, dass ein Patient schweigt, wenn er sich erstmal innerlich sortieren will. Wer trotzig ist, fühlt sich häufig ohnmächtig und wie von vielen Zwängen hypnotisiert. Weiterlesen