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Frühtraumatisierte brauchen länger

„Was haben Sie nur so lange gemacht, dass Sie so alt dabei geworden sind?“, fragt der ältere Herr. Verzweifelt wird gesucht. Warum ein Jahr länger in der Schule? Warum Arbeitslosigkeit und laue Jobs? Warum immer noch nicht verheiratet? Warum keine Kinder? Die anderen sind schon lange weiter. Schamesröte steigt auf und mit ihr kommen diffuse Schuldgefühle. „Ja, was habe ich nur so lange gemacht?“ Die Antwort lautet: „Die anderen Kinder konnten spielen. Sie konnten ruhig schlafen. Während ich die Nächte in Angst und Schlaflosigkeit verbrachte. Das kostet Zeit.“ Traumatisierte brauchen länger. Sie können dieselben Ziele erreichen. Aber sie brauchen mehr Pausen.Weiterlesen

Zu viel des Guten – wenn Gutes plötzlich kippt

„Immer, wenn ich mich wohlfühle, bekomme ich plötzlich Angst“, sagen wir vielleicht manchmal. Oder: „Ich bin morgens oft gut gelaunt und dann, ganz plötzlich, fühle ich mich wieder unzufrieden.“ Bei genauerem Hinsehen lässt sich oft erkennen, was die Stimmung umschlagen ließ. Doch wenn wir ein psychisches Leiden haben, finden wir eben oft keine Erklärung dafür. Die Ursachen liegen oft schon in der Kindheit. Wenn ein Baby Hunger hat und nach der Mutter schreit, dann beruhigt es sich, wenn es etwas zu essen bekommt. Es kommt dann der Punkt, an dem es satt und zufrieden ist. Die gesunde Mutter erkennt das, nimmt Abstand und lässt das Kind in Ruhe. Wenn es hier an Feinfühligkeit fehlt, überfüttert sie das Kind vielleicht. Aus der „guten Brust“ wird sozusagen eine „verfolgende Brust“, um es mit Worten der Psychoanalytikerin Melanie Klein (1882-1960) auszudrücken. Das, was zuerst gut war für das Baby, die Nahrung, wird zum verfolgenden Fluch. Weiterlesen

Wir müssen nicht immer „machen“

„Da muss jetzt unbedingt etwas passieren. Was soll ich tun?“ Nichts. Manchmal einfach nichts. Oder sogar öfter mal nichts. Wir kommen so oft in Bedrängnis, weil wir ständig das Gefühl haben, dass wir aktiv etwas tun sollen. Wir wollen immer sofort reagieren. Im Rechtsstreit, bei medizinischen Problemen, bei psychischen Beschwerden. Schlimmer noch: Wir wollen nicht nur sofort reagieren, wir wollen sogar verhindern, dass etwas passiert. Doch so kann sich nichts entfalten. Gerade in der Meditation oder in der Psychoanalyse entdecken die Menschen häufig unerwünschte Gefühle, die sie sofort wieder loswerden wollen, nachdem sie sie entdeckt haben: „Was soll ich jetzt tun?“, ist die Frage, die sofort kommt. Weiterlesen

Auch das Abwesende bestimmt unsere Identität

Kaum etwas beschäftigt uns mehr als die Abwesenheit von etwas oder jemandem. Die Abwesenheit der Mutter ist für das kleine Kind das Dasein von furchtbarem Schmerz. Die abwesende Mutter wird zur bösen Mutter. Der Partner, der uns verlässt, wird wichtiger denn je. Das Kind, das wir nie bekommen konnten, betrauern wir jahrelang, vielleicht ein Leben lang. Das, was wir nicht haben oder sind, bestimmt unser Leben genauso wie das, was da ist. „Der Frank – das war doch der, der nie rechnen konnte.“ „Wir sind der Laden, der nie Butter hat. Der Laden, der nie Öl hat, ist da vorne.“ „Ich bin die einzige Autorin, die noch nicht bloggt.“ Weiterlesen

Mindful Eating: Über die Vor- und Nachteile des Essens am Tisch oder auf dem Boden

Wenn Du Deine Ernährung umstellst, um dauerhaft gesünder zu leben, nimmst Du vielleicht vieles auf Dich. Doch eines fehlt vielleicht dabei: das Essen zu relativ festen Zeiten am Tisch oder gar auf dem Boden. Für viele ist das eine sehr schwierige Übung. Wenn man alleine lebt, kann sich das Einsamkeitsgefühl verstärken. Wenn man mit anderen zusammen lebt, können Konflikte am Tisch offensichtlich werden. Essen ist auch etwas „Intimes“. Manchen Menschen fällt es schwer, in der Gegenwart eines anderen zu essen. Das kann die verschiedensten Gründe haben – nicht selten sind auch Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch die Ursache für das Unbehagen.Weiterlesen

Dein Leid, mein Leid, unser Leid? DAS Leid.

Es beginnt am Anfang des Lebens, wenn der Schwangeren gesagt wird: „Schmerzen unter der Geburt müssen heute nicht mehr sein.“ Die Frau erhält eine Periduralanästhesie (PDA). Doch das Leiden ist nicht unbedingt nur gleich „Schmerz“: „Ich habe unter der Blasenlähmung durch die PDA gelitten und hinterher hatte ich höllische Kopfschmerzen“, sagt die junge Mutter nach der Geburt. Wir wollen so gerne Leiden beseitigen – doch schaffen wir dadurch oft auch neues Leiden. Dass der Geburtsschmerz – ebenso wie manch anderer Lebensschmerz – seinen Sinn haben kann, wird von vielen nicht so gesehen. Doch manchmal spüren wir diesen Sinn mitunter selbst – oft erst im Nachhinein. Weiterlesen

Eine Sicherheit wird geboren

Frau erleichtert am Frühstückstisch

Ich weiß es nicht. Noch nicht. Ich wälze mich unruhig im Halbschlaf, mein Herz rast. Ich berate mich mit anderen. Jeder Ratschlag verunsichert mich mehr. Unruhige Träume verwirren mich. Das Warten ist kaum auszuhalten. Meine Haut juckt unentwegt. Pro-und-Kontra-Listen gefrieren noch während des Schreibens. Ich suche das Internet ab. Es wird wieder eine unruhige Nacht. Und noch eine. Und noch eine. Und irgendwann, viel später, ist er auf einmal da: der richtige Gedanke. „So mache ich es!“ Eine Sicherheit erfüllt und umgibt mich ganz und gar. So lange habe ich auf sie gewartet – und nun ist sie geboren. Weiterlesen

Werden wie die Mutter? Bloß nicht! Oder doch?

Als kleines Mädchen fanden wir unsere Mutter wahrscheinlich schön und wir waren ihr vielleicht ähnlich. Vielleicht waren wir ihr gegenüber jedoch gefühlt schon immer skeptisch. Irgendwann kamen wir in die Pubertät und fragten uns ernsthaft: „Wie will ich sein?“ – „Bloß nicht wie die Mutter“, denken wir vielleicht bis heute. Der Kampf zwischen Mutter und Tochter ist oft subtil. Während wir die Mutter oft ablehnen, kämpft sie mit ihrem (oft nicht bewussten) Neid. Sie muss hinnehmen, dass ihre Tochter jünger, vielleicht gesünder, hübscher, vielleicht gebildeter, zufriedener und kraftvoller ist als sie. Das schmerzt – und gleichzeitig freut es die Mutter. Wichtig ist es, dass der Neid bewusst wird – so lässt sich bewusst gegensteuern. Sonst kann es passieren, dass die Mutter ihrem Kind nichts Gutes gönnt. Weiterlesen

Buchtipp: „Wenn Kinder den Kontakt abbrechen“

„Ich frage mich auch, ob Kinder, die ihre Eltern verlassen, sich selbst letztendlich wirklich gut fühlen? Ob sie meinen, richtig gehandelt zu haben? Wenn ich eine Aktion starte und feststelle, dass sie ein Stück in die falsche Richtung geht, dann versuche ich, mich zu korrigieren. Wird Maya das auch so sehen?“ Das schreibt die Autorin Angelika Kindt in ihrem Buch „Wenn Kinder den Kontakt abbrechen“ (2015, penguin.de, S. 60). Sie erzählt, wie ihre Tochter Maya den Kontakt abbrach und wie es ihr als Mutter damit geht. Das Ringen von Eltern, deren Kinder den Kontakt abgebrochen haben, beginnt oft jeden Tag von vorne. Weiterlesen

Scham hemmt die Bewegung und die Sprache

Wenn Du Dich schämst, kannst Du Dich vielleicht manchmal kaum bewegen. Auch das Sprechen scheint fast unmöglich zu sein. Du fühlst Dich dem anderen möglicherweise schutzlos ausgeliefert. Deine Atmung wird flach, Du schaust auf den Boden. Es gelingt Dir viellei...

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