Fühlen sich kleine Kinder gestresst, laufen sie zur Mama und schmiegen sich an sie. Dort „tanken sie auf“, wie es die Kleinkindforscherin Margaret Mahler (1897-1985) nannte. Auch Erwachsene geben sich gegenseitig Kraft durch gute Bindung und Berührung. Nicht nur das Kind tankt bei der Mutter auf, sondern auch die Mutter genießt die Berührung des Kindes, wenn sie gerade in der Stimmung ist. Viele Menschen unterschätzen ihre eigene Wirkung. Doch Berührung wirkt schmerzlindernd, angstmildernd und blutdrucksenkend. Weiterlesen
Gefangen in der Uniklinik. Mit einem Gleichgewichtsnerven außer Gefecht schwanke ich mühselig von Untersuchung zu Untersuchung. Hektische Ärzte, unfreundliche Anweisungen auf dem Drehstuhl, den ich mit Schrecken im laufenden Betrieb verlasse. Warten auf dem Flur. In den Gängen Betrieb. Ungewissheit. Ich weiß nicht, was los ist, keiner sagt mir was. Die letzte Station: Ein kleiner Technikraum im Keller. Das Fenster auf, frische Morgenluft, ein paar Vögel zwitschern. Ein freundlicher Assistent. Ein ganz einfacher Mann. Die einzige Anweisung: Einige Minuten lang ruhig liegen bleiben während der Hirnstammaudiometrie. Er sitzt die ganze Zeit neben mir und sagt nichts. Er hält meine Hand. Er macht mich gesund. Am Ende stehe ich auf und fühle mich das erste Mal seit vielen Tagen wieder halbwegs sicher auf meinen Beinen.Weiterlesen
Ich stehe morgens früh auf – manchmal will ich gleich effektiv sein und räume mit sehr viel Mühe die Spülmaschine aus. Jede Tasse scheint extra Kraft zu kosten. „Erledige erst das Unangenehme, denn danach fühlst du dich gut“, lese ich in Ratgebern. Manchmal ist es ja so. Aber an diesem Morgen stellt sich nur Erschöpfung ein. Manchmal zwingst auch Du Dich vielleicht zur Erledigung von Aufgaben, die auch später erledigt werden können. Die innere Kraft zu berücksichtigen, würde jedoch zu echter Kraftersparnis führen. Weiterlesen
„Ich habe Kinder, aber ich habe keine Familie“, sagt eine alleinerziehende Mutter. Viele können diesen Satz sehr gut nachempfinden. Wer chronisch einsam ist, ist es oft deshalb, weil er schon in unsicheren Bindungen groß wurde (Benoit und DiTommaso, 2020). Obwohl viele eine Ursprungsfamilie haben, so haben sie doch keine Familie, die auf gute Weise für sie da ist. Manche haben auch tatsächlich keine Familie (mehr). Dann ist die Versuchung groß, zu glauben: „Wenn ich eine Familie hätte oder hoffentlich eines Tages haben werde, dann geht es mir gut.“ Doch während man es denkt, begeht der vermeintlich glücklich verheiratete Nachbar, Jurist und Vater von drei gesunden Kindern, Suizid. Weiterlesen
Aufgewachsen in Geschrei, Gewalt und Todesangst. Aufgewacht in dieser kalten Welt. Auf einmal sickert Dir ins Bewusstsein: „Du bist ganz allein.“ Allein wie eine Aussätzige. Wie hinter einer Glasscheibe bewegen sich die anderen – als Paare, Familien, Geschwister, als Kinder und Eltern. Lachend und gemeinsam. Schmerzvermeidung tut weh. Du selbst bleibst unberührt. Du berührst niemanden. Und dann diese Stiche! Unaushaltbare Schmerzen. Die anderen, die haben das, was Dir fehlt: Sie haben täglich Berührung. Sie wollen auch Dich berühren, aber Du sträubst Dich, denn der Schmerz, dass sie wieder gehen, ist zu groß. Du wirst alleine nach Hause gehen.Weiterlesen
„Was haben Sie nur so lange gemacht, dass Sie so alt dabei geworden sind?“, fragt der ältere Herr. Verzweifelt wird gesucht. Warum ein Jahr länger in der Schule? Warum Arbeitslosigkeit und laue Jobs? Warum immer noch nicht verheiratet? Warum keine Kinder? Die anderen sind schon lange weiter. Schamesröte steigt auf und mit ihr kommen diffuse Schuldgefühle. „Ja, was habe ich nur so lange gemacht?“ Die Antwort lautet: „Die anderen Kinder konnten spielen. Sie konnten ruhig schlafen. Während ich die Nächte in Angst und Schlaflosigkeit verbrachte. Das kostet Zeit.“ Traumatisierte brauchen länger. Sie können dieselben Ziele erreichen. Aber sie brauchen mehr Pausen.Weiterlesen
„Immer, wenn ich mich wohlfühle, bekomme ich plötzlich Angst“, sagen wir vielleicht manchmal. Oder: „Ich bin morgens oft gut gelaunt und dann, ganz plötzlich, fühle ich mich wieder unzufrieden.“ Bei genauerem Hinsehen lässt sich oft erkennen, was die Stimmung umschlagen ließ. Doch wenn wir ein psychisches Leiden haben, finden wir eben oft keine Erklärung dafür. Die Ursachen liegen oft schon in der Kindheit. Wenn ein Baby Hunger hat und nach der Mutter schreit, dann beruhigt es sich, wenn es etwas zu essen bekommt. Es kommt dann der Punkt, an dem es satt und zufrieden ist. Die gesunde Mutter erkennt das, nimmt Abstand und lässt das Kind in Ruhe. Wenn es hier an Feinfühligkeit fehlt, überfüttert sie das Kind vielleicht. Aus der „guten Brust“ wird sozusagen eine „verfolgende Brust“, um es mit Worten der Psychoanalytikerin Melanie Klein (1882-1960) auszudrücken. Das, was zuerst gut war für das Baby, die Nahrung, wird zum verfolgenden Fluch. Weiterlesen
„Da muss jetzt unbedingt etwas passieren. Was soll ich tun?“ Nichts. Manchmal einfach nichts. Oder sogar öfter mal nichts. Wir kommen so oft in Bedrängnis, weil wir ständig das Gefühl haben, dass wir aktiv etwas tun sollen. Wir wollen immer sofort reagieren. Im Rechtsstreit, bei medizinischen Problemen, bei psychischen Beschwerden. Schlimmer noch: Wir wollen nicht nur sofort reagieren, wir wollen sogar verhindern, dass etwas passiert. Doch so kann sich nichts entfalten. Gerade in der Meditation oder in der Psychoanalyse entdecken die Menschen häufig unerwünschte Gefühle, die sie sofort wieder loswerden wollen, nachdem sie sie entdeckt haben: „Was soll ich jetzt tun?“, ist die Frage, die sofort kommt. Weiterlesen
Kaum etwas beschäftigt uns mehr als die Abwesenheit von etwas oder jemandem. Die Abwesenheit der Mutter ist für das kleine Kind das Dasein von furchtbarem Schmerz. Die abwesende Mutter wird zur bösen Mutter. Der Partner, der uns verlässt, wird wichtiger denn je. Das Kind, das wir nie bekommen konnten, betrauern wir jahrelang, vielleicht ein Leben lang. Das, was wir nicht haben oder sind, bestimmt unser Leben genauso wie das, was da ist. „Der Frank – das war doch der, der nie rechnen konnte.“ „Wir sind der Laden, der nie Butter hat. Der Laden, der nie Öl hat, ist da vorne.“ „Ich bin die einzige Autorin, die noch nicht bloggt.“ Weiterlesen
Wenn Du Deine Ernährung umstellst, um dauerhaft gesünder zu leben, nimmst Du vielleicht vieles auf Dich. Doch eines fehlt vielleicht dabei: das Essen zu relativ festen Zeiten am Tisch oder gar auf dem Boden. Für viele ist das eine sehr schwierige Übung. Wenn man alleine lebt, kann sich das Einsamkeitsgefühl verstärken. Wenn man mit anderen zusammen lebt, können Konflikte am Tisch offensichtlich werden. Essen ist auch etwas „Intimes“. Manchen Menschen fällt es schwer, in der Gegenwart eines anderen zu essen. Das kann die verschiedensten Gründe haben – nicht selten sind auch Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch die Ursache für das Unbehagen.Weiterlesen