Sobald ein Ungeborenes das Licht der Welt erblickt, nimmt es Kontakt zur Mutter auf. Seine Stimme und Blicke erreichen sie und die Mutter weiß intuitiv, was zu tun ist. Dieses angeborene Bindungsverhalten sichert uns seit jeher das Überleben. Der britische Psychoanalytiker John C. Bowlby (1907-1990) und die amerikanische Entwicklungspsychologin Mary S. Ainsworth (1913-1999) entwickelten die Bindungstheorie. Bowlby hatte im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Ende des zweiten Weltkrieges erforscht, was mit den Kindern passierte, die ihre Eltern verloren hatten. Er kam zu dem Ergebnis, dass traumatische Trennungserfahrungen in der Kindheit zu psychischen Störungen führen können, die sich bis ins Erwachsenenalter hinein zeigen. Weiterlesen
„Mein Baby war ein Schreibaby und ich habe das Gefühl, dass das nie aufgehört hat. Immer ist mein Kind unruhiger und auffälliger als andere Kinder geblieben.“ Vielleicht kennst Du das. Eine Studie von Ina Santos und Kollegen (2014) gibt Dir recht: Kinder, die mit drei Monaten exzessiv schreien, zeigen im Alter von vier Jahren häufiger Verhaltensauffälligkeiten als ruhigere Babys. Vielleicht macht Dir das Angst – doch jede Mutter-Kind-Geschichte sieht anders aus. Wenn Du ein Schreibaby hast, merkst Du das sehr schnell. Schreibabys strecken sich im Arm und lassen sich nicht beruhigen. Daran hast Du keine Schuld. Weiterlesen
Aus verhaltenstherapeutischer und psychiatrischer Sicht gibt es für die Diagnose „ADHS“ (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung) eindeutige Kriterien. Hierzu gehören die Diagnosekriterien nach dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Diseases (DSM IV und DSM V) und der International Classification of Diseases (ICD-10: F90.0 und ICD-11: 6A05.2). Kinderärzte und Psychologen, die sich darauf spezialisiert haben, können anhand von Anamnese und Tests nach diesen Kriterien recht genau sagen, welches Kind ADHS hat. Sie behandeln dann meistens nach den Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, AWMF (Leitlinie ADHS, 2017). Weiterlesen
Im zweiten und dritten Lebensjahr ist ein Kind in der „analen Phase“. In westlichen Ländern lernt es in dieser Zeit Stuhl und Urin bewusst zu halten oder abzugeben. Töpfchentraining ist dabei unnötig. Es reicht, ein Töpfchen bereitzustellen und dem Kind zu zeigen, wie man selbst auf die Toilette geht. Wenn es soweit ist, wird es ganz von selbst trocken. Stolz setzt es sich wie ein kleiner König auf sein „Thrönchen“. Der Schweizer Kinderarzt Remo Largo hat in der Zürcher Längsschnittstudie erforscht, wie lange ein Kind braucht, um trocken zu werden und warum die Angaben so unterschiedlich sind. Weiterlesen
Bindungsstörungen, die innerhalb der ersten fünf Lebensjahre auftreten und mit einem häufigen Wechsel von Bezugspersonen und Vernachlässigung zusammenhängen, heißen „reaktive Bindungsstörungen“. Sie kommen dann vor, wenn Kinder früh misshandelt, vernachlässigt oder abgegeben werden, wenn sie die Familien wechseln müssen oder in einem Heim leben. in dem sie sich nicht wohlfühlen. Die Bindungsstörung zeichnet sich dadurch aus, dass die Kinder emotional instabil und ohne festen Bezug zu einer anderen Person sind. Es fällt ihnen schwer, mit anderen Kindern zu spielen. Sie sind entweder gehemmt, furchtsam und zurückgezogen oder sie verhalten sich „draufgängerisch“, aggressiv, wahllos freundlich oder distanzlos. Weiterlesen
„Soll ich den anderen jetzt anlächeln, oder nicht? Soll ich nun auf die Wippe gehen, oder nicht?“ Wenn ein Kind überlegt, ob es auf etwas Neues, Abenteuerliches zusteuern soll oder nicht, dann schaut es nach der Mutter. Es sucht nach ihrer Rückversicherung (Soziale Referenzierung, englisch: Social Referencing). Mit etwa acht bis neun Monaten beginnt das Kind, sich an den Gefühlen und Gesichtsausdrücken der anderen zu orientieren. Schaut die Mutter ängstlich, wird sich auch das Kind zurückhalten. Nickt sie dem Kind zu und schenkt ihm aufmunternde Blicke, so wird seine Abenteuerlust gestärkt. Weiterlesen
„Ich nehm‘ Dir das Handy weg – und das iPad gleich mit. Bis Montag.“, sagt die Mutter. Kraftlos schaut sie ihr Kind an. Sie ist wütend und verzweifelt, weiß keine andere Lösung. Sie sorgt sich, dass ihr Kind abhängig werden könnte von diesem ganzen Zeug. Doch die Angst führt dazu, dass sie ihr Kind behandelt, wie sie einst selbst behandelt wurde: bei genauerem Hinsehen respektlos. Gleichzeitig erwartet sie, dass ihr Kind Respekt vor ihr hat. Und sieht in diesem Moment nicht, dass es keinen Respekt haben kann, weil es selbst nicht mit Respekt behandelt wird. Weiterlesen
Hält eine Mutter ihr Baby im Arm, träumt sie. Sie schaut es an und erahnt dabei, was in ihm vorgehen mag. Wir kennen das: Manches bekommen wir viel besser mit, wenn wir verträumt sind. Wir haben etwas nur „aus dem Augenwinkel“ gesehen, aber wir haben es doch wahrgenommen. Dieses Tagträumen über das Baby, diese Reverie, ist ein entscheidender Teil der frühen Kommunikation zwischen Mutter und Säugling. Der Ausdruck „Reverie“ stammt in diesem Zusammenhang von dem britischen Psychoanalytiker Wilfred Bion (1897-1979).
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 10.8.2015
Aktualisiert am 12.5.2023