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Bildungsferne Unterschicht – und wie Hass entsteht. Der Rapper „Fakkt“ erklärt es treffend

Psychische Erkrankungen sollen nicht stigmatisiert werden, alle Menschen sollen irgendwie akzeptiert werden. Heißt es. Und doch hört der gute Wille oft da auf, wo die Menschen sich auf die unverständlichste Weise zeigen: aggressiv, kriminell, voller Hass und ohne Worte. Dann wird es brenzlig – schließlich gebe es Grenzen und man könne nicht alles mit der Kindheit entschuldigen. Der Rapper Jastin Schatz, genannt „Fakkt“, hat für die Ausstellung „Streit“ der Franckeschen Stiftungen in Halle ein berührendes Lied komponiert, das sehr gut beschreibt, wie Hass entstehen kann. In dem Lied heißt es: Weiterlesen

Das Trauma in mir

Das Trauma, es ist immer in mir. Ich erinnere mich (nicht). Ich habe (keine) Bilder dazu. Ich sehe außen so vieles davon wieder. In Gesichtern, Absichten, Körperhaltungen, Tageslichtern. Worten. Täglichen Gefängnissen. Doch wie soll ich leben und arbeiten, wenn es immer in mir ist? Ich spüre: Es ist nicht starr. Ich kann es hin- und herbewegen. Und ich kann meinen Körper bewegen. Manche Körperhaltungen bringen mich dem Trauma näher. Und wieder weiter weg. Das Trauma will gesehen, gefühlt, besprochen, beschwiegen, gehalten und gewürdigt werden. Aber es ist auch das andere da. Das Gute und Gesunde und das Unbeschädigte. Das Leben ist wie eine Welle – es geht auf und ab. Weiterlesen

Frühtraumatisierte brauchen länger

„Was haben Sie nur so lange gemacht, dass Sie so alt dabei geworden sind?“, fragt der ältere Herr. Verzweifelt wird gesucht. Warum ein Jahr länger in der Schule? Warum Arbeitslosigkeit und laue Jobs? Warum immer noch nicht verheiratet? Warum keine Kinder? Die anderen sind schon lange weiter. Schamesröte steigt auf und mit ihr kommen diffuse Schuldgefühle. „Ja, was habe ich nur so lange gemacht?“ Die Antwort lautet: „Die anderen Kinder konnten spielen. Sie konnten ruhig schlafen. Während ich die Nächte in Angst und Schlaflosigkeit verbrachte. Das kostet Zeit.“ Traumatisierte brauchen länger. Sie können dieselben Ziele erreichen. Aber sie brauchen mehr Pausen.Weiterlesen

Die Borderline-Störung und der lange Weg zur Erleichterung

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS, Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung, Typ Borderline, ICD10: F60.31) wird mitunter definiert als ein Zustand zwischen Neurose und Psychose. Solltest Du diese Diagnose haben, dann leidest Du vielleicht unter mangelnder Impulskontrolle – es fällt Dir vielleicht sehr schwer, Deine Wut und andere starke Gefühle zu kontrollieren. Auch leidest Du möglicherweise unter einem brüchigen Selbstbild – Du hältst Dich selbst manchmal (heimlich) für ganz toll und manchmal für den letzten Menschen dieser Welt. So geht es Dir möglicherweise auch mit dem Bild von anderen. Dieser Abwehrmechanismus wird „Spaltung“ genannt. Weiterlesen

„Borderliner und Narzissten manipulieren nur.“

Säuglinge suchen den Blickkontakt zu Mutter und Vater und sind völlig verzweifelt, wenn dieser nicht adäquat erwidert wird. Eine ständige Nicht-Passung zwischen Mutter und Kind, frühe Trennungen nach der Geburt oder größere medizinische Behandlungen als Baby lösen wahrscheinlich das Gefühl aus, unverbunden zu sein. Wir ziehen uns auf uns selbst zurück, wenn alle Welt uns abzulehnen scheint. Wir alle haben frühe psychische Verletzungen erlebt und daher gesunde und weniger gesunde narzisstische, also selbstbezogene, Anteile in uns. Wenn wir Angst haben, erneut Verlassenheitsgefühle zu spüren, dann behelfen wir uns, indem wir versuchen, den anderen zu kontrollieren. Weiterlesen

Panik? Das ist wie weg sein, obwohl man noch da ist

„Es ist dann, als wäre ich eine leere Hülle. Um mich herum die Welt erscheint mir fremd und ich selbst fühle mich, als könnte mich niemand mehr verstehen. Ich könnte noch zum Telefon gehen, um den Notarzt zu rufen, aber die Menschen würden nicht kapieren, was mit mir los ist. Getröstet und verstanden zu werden ist unvorstellbar. Ich habe Angst, dass Rettungssanitäter mich zwingen würden, mitzukommen und mir alles Mögliche verabreichen würden. Es gibt in meiner Vorstellung im Moment der Panikattacke keine Hoffnung, keine Beruhigung, keine Berührung und keine Verbindung. Da ist nur Leere ohne Halt.“Weiterlesen

Viele „Borderliner“ haben Angst vor anderen Menschen mit schweren psychischen Störungen

Das Gefühl der „Brüchigkeit“ ist vielen Menschen mit einer Borderline-Störung bekannt. Oft war die frühe Mutter-Kind-Kommunikation bereits gestört (siehe Beatrice Beebe: Decoding the nonverbal language of babies, Youtube, 2019). Viele hatten wenig einfühlsame Eltern. In vielen Familien ging es laut zu, es wurde geschrien, es herrschte Chaos und Hysterie, die Sprache war wenig differenziert, es gab vielleicht Alkoholismus, sexuelle Übergriffe sowie psychische und körperliche Gewalt. Die Eltern konnten vielleicht kaum über sich selbst und ihr Kind nachdenken – sie waren hoch gestresst.

Ein hoher Bildungsgrad kann psychische Schwäche teilweise ausgleichen, doch die bleibt vielen verwehrt. In einer extrem unsicheren Umgebung aufzuwachsen, ist für ein Kind meistens eine furchtbare Erfahrung. Es fühlt sich psychisch stark verunsichert und lebt in chronischer Angst. Als Erwachsene leiden die Betroffenen oft unter heftigen Angststörungen und dem Gefühl, sich auf niemanden verlassen zu können.

Beruhigend

Instinktiv halten sich viele Betroffene an gebildeten, psychisch reifen Menschen fest. Die eigene fehlende innere Struktur kann durch die Struktur eines Gesünderen zumindest etwas „aufgefüllt“ werden. Wenn wir mit Menschen zusammen sind, die ruhig, gebildet und besonnen sind und die versuchen, uns zu verstehen, hat dies oft eine beruhigende Wirkung auf uns. Wenn Menschen mit einer Borderline-Störung in die Psychiatrie kommen, kann das für sie eine psychische Katastrophe sein: Die „niedrige Struktur“ der anderen Patienten, die psychisch äußerst schwach sind, reißt die Betroffenen quasi mit herunter. Oftmals ist die Angst vor dem Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel eng verbunden mit der Angst, vielen psychisch schwachen Menschen zu begegnen.

Wenn wir uns brüchig fühlen und mit psychisch sehr schwachen Menschen zusammen sind, können wir das Gefühl haben, sie stecken uns mit ihrer Brüchigkeit an und verschlimmern unser bodenloses Gefühl.

Innere Sicherheit erlangen

Kaum etwas ist für viele Borderline-Patienten wichtiger, als mit „guten Menschen“ zusammen zu sein. Und tatsächlich hat dies oft eine nachhaltig positive Wirkung, denn stärkere Menschen können wir als „gute innere Objekte“ aufnehmen. Dieser Vorgang ähnelt dem „Lernen am Modell“: Wenn wir an Vorbilder denken und uns so verhalten wie sie, dann ist es für uns fast, als wären wir ein bisschen (wie) diese Vorbilder. Eine Psychoanalyse kann hier besonders hilfreich sein, denn der Therapeut selbst wird zu dem Menschen, der zunächst außen Halt bietet und dann als „haltgebendes inneres Objekt“ in die Psyche mit aufgenommen wird. Doch auch aus eigener Kraft erlangen viele mehr inneren Halt, indem sie interessiert bleiben an sich selbst und sich gute Wege und Umgebungen suchen.

Ausschau halten nach Bildungsmöglichkeiten und nach Menschen, die uns gut tun und die uns die eigene Entwicklung ermöglichen, ist mit das Wichtigste auf unserem Weg zu mehr innerer Sicherheit und Ruhe.

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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 10.11.2017
Aktualisiert am 23.6.23

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