Alle paar Wochen wacht Lena frühmorgens mit Erbrechen auf. Viele Stunden verbringt sie am Waschbecken. Nach zwei Tagen ist der Spuk vorbei. „Zyklisches (also immer wiederkehrendes) Erbrechen“ (Cyclic vomiting syndrome, CVS) nennen die Kinderärzte es, wenn keine handfesten Ursachen dafür gefunden werden können. Auf den ersten Blick lassen sich keine psychosomatischen Zusammenhänge feststellen. Doch hier ist genaues Beobachten gefragt: Viele Kinder erbrechen dann, wenn sie zu oft alleingelassen wurden, zu sehr Mutter und/oder Vater vermissten oder mit einem großen Kummer ins Bett gegangen sind.
Wenn man hier genau beobachtet, kann man herausfinden, wodurch die Phasen des Erbrechens getriggert (leicht ausgelöst) werden. Das braucht sehr viel Geduld. Obwohl es das zyklische Erbrechen auch bei Erwachsenen gibt, ist es eine typische Erkrankung des Kindes, die oft mit der Migräne des Erwachsenen verglichen wird. Etwa 2% der Kinder sind betroffen (Abu-Arafeh, Ishaq & Russell, George, 1995). Schlaf und viel Ruhe lindern die Beschwerden und fördern die Erholung.
Während Mutter und Vater es haben, erscheint es beiden manchmal wie die Hölle: das gemeinsame Sorgerecht. Obwohl eigentlich über nur wenige Punkte gemeinsam entschieden werden muss, können diese Punkte zu aufwühlenden Dramen führen. „Die Mutter stellt das Kind mit Ritalin ruhig, aber ich will das nicht“, sagt der Vater. „Der Vater besucht mit meinem Kind eine radikal-christliche Gemeinde – das geht nicht!“, sagt die Mutter. Über Monate und Jahre sind Mütter und Väter manchmal mit einem inneren und äußeren Kampf beschäftigt, der viel Kraft kostet. Es ist genau die Kraft, die ihnen für das Kind fehlt. Wäre es da nicht einfacher, wenn man das alleinige Sorgerecht hätte? Denkt der Vater. Und die Mutter. (Text & Bild: © Dunja Voos)
Das alleinige Sorgerecht – eine Verlockung
Während man in einem kraftraubenden Kampf steckt, ist die Vorstellung, das alleinige Sorgerecht zu haben, so verlockend. „Der Kampf um das alleinige Sorgerecht kann sich möglicherweise über Jahre hinziehen“, sagt die Familienrichterin. „Ist mir egal“, sagt die Mutter. „Ich will einfach nur aus dieser Hölle raus, aus diesem Zwang, mich mit meinem größten Feind über mein Kind verständigen zu müssen.“ Verzweifelte Sätze wie diese hören Anwälte und Richter ständig. Besonders wenn Mutter oder Vater einen Anwalt kontaktieren, erscheint es sehr verlockend, das alleinige Sorgerecht zu beantragen. „Dann ist endlich Ruhe im Karton“, so denkt sich die Mutter. Und der Vater.
Das Sorgerecht ist ein Symbol
Sowohl die Mutter als auch der Vater fühlen sich – wenn alles gut geht – zutiefst mit dem Kind verbunden. Es ist ihr „Fleisch und Blut“. Das Kind ist das Herzblut der Mutter und des Vaters. Viele Väter kämpfen bis zum Rande der Erschöpfung um eine gute Bindung zu ihrem Kind, die ihnen oft so erschwert wird. Bindung ist nicht nur eine Frage der „Qualitätszeit“, sondern ganz besonders auch der Menge an Zeit, die man miteinander verbringt.
Für Väter ist es sowieso schon schwer, die Bindung zu ihrem Kind zu halten – wenn ihnen dann noch das Sorgerecht entzogen wird, sind sie erst recht „in Sorge“. Es macht wütend und ohnmächtig. Mit dem Entzug der „Sorge“ wird auch ein wichtiges Bindeglied gekappt. Es fühlt sich vollkommen unnatürlich an, sich für den Menschen, der einem näher ist als jeder andere auf dieser Welt, nicht mehr einsetzen zu können. Ist das Sorgerecht entzogen, kann der Vater das Kind nicht mehr beschützen – so sein Gefühl. Das Sorgerecht als Symbol der natürlichen Verbindung zu kappen bedeutet, auch innerlich einen Bruch in der Beziehung zum Kind herbeizuführen.
Die Mutter ist eingeschnürt
Auch viele Mütter bangen darum, dass ihnen das Sorgerecht entzogen wird. Die Bindungsforschung hat gezeigt, dass Väter eine ebenso enge Bindung zu ihren Kindern aufbauen wie Mütter (siehe www.khbrisch.de). Und doch sind Mütter gerade in der Anfangszeit durch das Erleben der Schwangerschaft und Stillzeit auf eine gewisse Art noch enger mit dem Kind verbunden. Das Attunement zwischen Mutter und Kind ist gerade am Anfang oft erstaunlich.
In einer gesunden Beziehung würde der Vater die Mutter darin unterstützen, diese enge Bindung zum Kind zu pflegen. Nach einer Trennung jedoch empfinden sich Mutter und Vater als Feinde. Der Vater scheint mit seinen Wünschen und Einwänden immer in die Harmonie zwischen Mutter und Kind zu preschen. Das empfinden die Mütter als unglaublich störend und auch die Kinder leiden darunter, weil die Mütter in der Zeit der Auseinandersetzung mit dem Vater emotional nicht ansprechbar sind. Die Vorstellung, allein mit dem Kind sein zu dürfen, also ohne Mitspracherecht des Vaters, erscheint den Müttern zunächst wie der Himmel auf Erden.
Der Zeitpunkt der Konflikte
Interessant ist, dass oftmals die Frage um das Sorgerecht in einer bestimmten Entwicklungsphase des Kindes auftaucht: Häufig im Alter von 2 bis 6 Jahren. Aus analytischer Sicht durchläuft das Kind in dieser Zeit die Entwicklungsstufe der Ödipalen Phase. In dieser Zeit wird das Thema Triangulierung besonders aktuell. Das Kind fühlt sich mal mehr zum Vater, mal mehr zur Mutter hingezogen.
Die Gefühlswelt der Eltern
Die Eltern kämpfen besonders während der ödipalen Phase des Kindes mit den Gefühlen der Eifersucht: „Ich tue den ganzen Tag alles für mein Kind und doch will es nur zum Papa“, klagt die Mutter. Das Kind ist innerlich wiederum damit beschäftigt, Vater und Mutter seine Liebe zu zeigen. Der häufig genannte „Loyalitätskonflikt“, der bei Trennungen auftaucht, taucht auch in der gesunden Mutter-Vater-Kind-Beziehung auf. Während der Trennungszeit wird er nur verschärft, aber er lässt sich nicht verhindern. Der Anspruch, keinen Loyalitätskonflikt aufkommen zu lassen, steckt oft hinter dem erhobenen Zeigefinger der Jugendamtsmitarbeiter, Erzieher, Psychologen, Anwälte und Richter. Aber dieses Idealbild wird sich in der Wirklichkeit nicht herstellen lassen.
Der Kampf dauert nicht ewig
In der Zeit des Kampfes mit dem anderen Elternteil erscheinen wenige Tage manchmal wie eine Ewigkeit. Doch die Sorgen, die inneren und äußeren Kämpfe werden nicht ewig dauern – sondern „nur“ ein paar Jahre. Und auch häufig „nur“ in bestimmten Phasen. „Bei uns ist es aber anders – da ist es besonders extrem“, denken viele Mütter und Väter in dieser Zeit. Es fühlt sich unter anderem so extrem an, weil Mutter und Vater trotz aller Hilfsangebote häufig nicht gut genug aufgefangen werden. Die Endlichkeit dieser aufwühlenden, oft krankmachenden Situation darf man sich aber dennoch ruhig vor Augen führen.
Psychotherapie kann entlasten
Besonders der Mutter hilft es in dieser Zeit oft, sich von einem Psychotherapeuten begleiten zu lassen. So ist sie mit ihren Entscheidungen, Sorgen und Ängsten nicht allein und stellt so etwas wie eine Triangulierung im Alltag her. Nach einigen Jahren lassen die Kämpfe oft tatsächlich wieder nach. Manchmal gibt es dann sogar wieder Situationen, in denen der andere Elternteil als Entlastung oder Schutz empfunden werden kann. Das alleinige Sorgerecht zu beantragen, mag für den Moment wie die beste Lösung erscheinen. Auf Dauer hören die Kämpfe jedoch oft nicht auf. So sagt eine Frau, die im Familiengericht als Übersetzerin arbeitet:
„Häufig treffen sich Mutter und Vater im Sorgerechtsstreit und auch danach viele Jahre lang vor Gericht. In all den Jahren ändert sich nichts – außer, dass die Kinder älter werden.“
Was in der anstrengenden Zeit der Kämpfe helfen kann:
Diesen Beitrag habe ich erstmals veröffentlicht im November 2014.
Aktualisiert am 8.6.2015
„Als Alleinerziehende kann ich niemals wohlhalbend werden.“ – „Als Kind aus der unteren Mittelschicht kann ich niemals einen ‚Oberschichtenberuf‘ ergreifen.“ – „Als Flüchtling kann ich nur auf die Hauptschule gehen.“ Viele Menschen machen diese Erfahrungen. Viele Studien geben diesen Glaubenssätzen recht (siehe Untersuchungen des Soziologen Michael Hartmann). Und doch gibt es immer wieder Menschen, die zeigen, dass es anders geht. Was sie immer wieder brauchen, ist ein guter Mensch an ihren Weggabelungen. Sie müssen viel Zeit damit verbringen, gute Menschen zu finden.
WeiterlesenWenn sich Eltern kleiner Kinder trennen, tauchen immer wieder ähnliche Mechanismen auf: Der Vater sucht Halt, indem er bei Freunden schlecht über die Mutter spricht, die Mutter spricht bei ihren Freundinnen schlecht über den Vater. Die Mutter glaubt, der Vater sei psychisch krank (häufig lautet die Diagnose „Narzissmus“) und der Vater glaubt, die Mutter sei psychisch krank (die vermeintliche Diagnose: „Borderline“). Die Mutter muss dabei ein wenig schlimmer „krank“ sein, als der Vater, denn in der Regel lebt das Kind bei der Mutter und so müssen härtere Geschütze aufgefahren werden. Weiterlesen
„Die Väter zahlen in 90% der Fälle nicht den Kindesunterhalt, den sie gemessen an der Düsseldorfer Tabelle eigentlich zahlen sollten“, erklärt eine Beraterin des Jugendamtes. Kaum eine alleinerziehende Mutter, die nicht darüber klagt, dass der Vater zu wenig zahlt. Wie kommt das? Väter wollen für ihre Familie sorgen. Es ist ebenso ein „Ur-Instinkt“ wie der Wunsch der Mutter, ihr Kind zu ernähren. Weiterlesen
„Bei mir hat das Kind einen geschützten Raum“, sagt die Therapeutin und schließt die Tür des Behandlungszimmers, während die Mutter im Wartezimmer zurückbleibt. „Toll“, denkt die Mutter. „Als ob mein Kind bei mir keinen geschützten Raum hätte! Sicher spielt die Therapeutin auf unseren Sorgerechtsstreit an.“ Die Mutter fühlt sich extrem unwohl. Was machen die beiden hinter der Tür? Was wird das Kind erzählen? Mütter brauchen oft sehr viel Mut und müssen oft vieles einstecken, wenn sie ihr Kind einem Therapeuten oder einer Therapeutin anvertrauen – egal, ob es sich um Psycho-, Ergo- oder Sprachtherapie handelt. Weiterlesen
„Die Mutter gibt meinem Sohn Ritalin, aber das ist falsch!“, sagt der verzweifelte Vater. „Der Vater setzt meine 4-jährige Tochter auf’s Motorrad!“, sagt die Mutter. Getrennte Eltern leiden fast immer unter einem unerträglichen Gefühl: der Angst. Je jünger das Kind, umso größer die Angst. Suchen die Eltern Beratungsstellen auf, finden sie oft BeraterInnen vor, die zu „lösungsorientierten Ansätzen“ neigen – und das in Problemfällen, in denen es manchmal keine Lösung gibt. Die Fronten verhärten sich. Aus strittigen Eltern werden sogenannte „hochstrittige Eltern“, die dann nur noch die Lösung darin sehen, sich einen Anwalt zu suchen und vor das Gericht zu gehen – doch ist dieser Schritt wirklich hilfreich?
„Abwehr“ ist der Begriff, den Psychoanalytiker für Gedanken oder Handlungen verwenden, die ein Mensch gegen seine Angst einsetzt. Unangenehme Gefühle wehren wir ab, indem wir psychische Schutzmauern aufbauen. Beispiel: Der Vater holt das Kind von der Mutter zum Besuchswochenende ab. In der Mutter entstehen zaghafte Gefühle der Trauer: „Wir könnten eine Familie sein …“ Doch diese Trauer ist kaum auszuhalten. Blitzschnell werden die Gedanken und Gefühle abgewehrt: „Dieser Blödmann schnallt mein Kind noch nicht mal an, bevor er losfährt“, könnte die bewusste Reaktion sein.
Manche Menschen schimpfen und beschweren sich, um etwas abzuwehren, andere lenken sich ab, werden depressiv, alkoholkrank oder esssüchtig. Prinzipiell kann alles zur Abwehr benutzt werden. Auch Familienanwälte und Gerichtsverfahren können ein „Abwehrvorgang“ sein – das Gerichtsverfahren stresst so, dass alle ursprünglichen Gefühle und Phantasien verdeckt werden. Leider sind die sogenannten Helfer nicht gut genug ausgebildet, um hier wirklich helfen zu können. Sie machen alles oftmals schlimmer.
Schriftsätze der Anwälte führen den vorher geführten Streit fort, aber meistens in einer noch härteren Form. „Der spinnt doch“, sagt die Anwältin zur Mutter. „Die arbeitet mit allen Tricks“, sagt der Anwalt zum Vater. Würde man Mutter und Vater einmal dabei zuschauen, wieviele Tränen sie während einer psychoanalytischen Therapiestunde vergießen, welche Wünsche, Ängste und Absichten wirklich der Motor für ihr Handeln sind, dann würde man sofort aufhören, von „Spielchen, Stalking, Spinnereien, Kontrollzwang, Instrumentalisierung, Überbehütung, Leichtsinn“ zu sprechen.
Kinder wollen häufig ihre Eltern heilen. Und umgekehrt: Eltern wollen, dass ihrem Kind nicht das widerfährt, was ihnen widerfahren ist. Die Mutter hatte strenge Eltern, also möchte sie dem Kind viele Freiheiten lassen. Der Vater hatte vernachlässigende Eltern, also möchte er dem Kind Strenge, Grenzen und Struktur zukommen lassen. Das Ziel beider Eltern ist oft dasselbe: Sie wollen heilen, sie wollen wiedergutmachen, sie wollen, dass es ihrem Kind gut geht. Wenn sie erleben, dass es ihrem Kind besser geht, als es ihnen ergangen war, dann erleben sie auch eine eigene „innere Heilung“. Wenn Eltern sich lieben und zusammenleben, dann können Vater und Mutter wechselseitig auch einmal dem anderen zuliebe auf die Durchsetzung der eigenen Vorstellungen verzichten. Wenn aber der andere während der Trennung zum Feind wird, verstärkt sich die Sehnsucht, dem eigenen Kind nur das eigene (phantasierte) Gute zukommen zu lassen.
Die Vorstellungen von Vater und Mutter sind dann in vielerlei Hinsicht nicht mehr vereinbar. Von dem Gericht erhoffen sich Vater und Mutter, dass ein Richter sagt: „Hier geht’s lang – und daran halten sich beide.“ Das kann erst einmal wie Erlösung und Erleichterung aussehen. Doch dann drückt irgendwann der Schuh der Fremdbestimmung. Vater und Mutter haben dann unter Umständen nun beide das Gefühl, irgendwie nicht zu ihrem Recht zu kommen. Vielleicht „gewinnt“ mal der Vater und mal die Mutter, was dann wieder zu neuen Streitrunden anregt – solange das Geld reicht.
Wie auch immer die Eltern es drehen, was auch immer sie tun: Am Ende bleibt oft ein Gefühl des Unbefriedigtseins. Mich stimmt der Satz einer Kollegin nachdenklich, die als Übersetzerin am Familiengericht arbeitet:
„In den Familiengerichtsverfahren gibt’s immer sehr viel Aufregung. Es geht drunter und drüber. Aber am Ende passiert nichts – außer, dass die Kinder älter werden.“
Am besten helfen befriedigende Beziehungen. Mutter und Vater finden vielleicht bei ihren Therapeuten Halt. Oder es finden sich gute Verwandte oder Freunde, die beide Seiten gut kennen und die Innenwelten von Vater und Mutter verstehen. Menschen, die sehen, dass die Eltern hier nicht die „Erwachsenen“ sind, sondern dass es bei den Eltern um eigene kindliche Gefühle geht, können ihnen wirklich beistehen. Manchmal wird eine Art innere Versöhnung möglich, oft wird auch die Trennung lebbar. Der andere ist dann nicht mehr nur der „Böse“ und die Angst um das Kind wird erträglich.
Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV)
Dieser Beitrag erschien erstmals am 29.7.2013
Aktualisiert am 8.1.2024
Wenn Du eine Psychotherapie machst, merkst Du vielleicht, wie wichtig Dir die Stunden sind. Fällt eine Sitzung aus, ist es für Dich schwer auszuhalten. Es ist Dir wichtig, dass Dein Therapeut für Dich anwesend ist. Vielleicht fühlst Du Dich auch in anderen Beziehungen sehr auf den anderen angewiesen. Wenn Deine nächste Bezugsperson weg ist, kommst Du vielleicht in psychische Not. Oder aber Du gehörst zu den Menschen, die sich alleine am wohlsten fühlen. Sobald Du Dich in einer engeren Beziehung wiederfindest, geht es Dir schlecht. Du kannst dann fast nicht mehr nachdenken, weil Du Dich in Deiner Beziehung so gefangen und bedroht fühlst. Manchmal meinst Du vielleicht, Du könntest weder allein noch mit anderen zusammen sein. Hier merkst Du, wie sehr Dein psychisches Befinden von Beziehungen abhängt.
Besonders bei Angststörungen spielt „der Andere“ eine wichtige Rolle. Während einer Angstattacke wünschst Du Dir vielleicht, dass Du zu jemandem gehen könntest, der Dich beruhigt. Aber wenn der andere dann da ist, fühlst Du Dich vielleicht immer noch beunruhigt oder sogar noch beunruhigter. Dann geht es Dir ähnlich wie einem Kind mit einer unsicheren, ambivalenten Bindung zur Mutter.
Vielleicht hast Du kaum eine Vorstellung davon, dass Du mit einem anderen zusammen sein und Dich dennoch frei fühlen kannst. Es wäre so schön, wenn Du Dich einem anderen Menschen nahe fühlen könntest, ohne Dich eingeengt zu fühlen. Und wenn Dein wichtigster Mensch einmal weg ist, fühlst Du Dich nicht fallengelassen oder hoffnungslos allein, sondern gedanklich und emotional weiterhin mit ihm verbunden. Schon allein diese Vorstellung ist oft schwierig und gleichzeitig ist sie ein denkbares Ziel.
Unser ganzes Leben wird von Beziehungen bestimmt. Wegweisend ist die frühe Beziehung zu Mutter, Vater und Geschwistern. Psychische Störungen sind meistens die Folge von misslungenen frühen Beziehungen. Auch die Beziehung, die Du zu Dir selbst hast, hat sich unter anderem aus Deinen Beziehungen zu Deinen Eltern, Geschwistern und Lehrern entwickelt. Beziehungsabbrüche, die Abwesenheit eines bedeutsamen Anderen und Einsamkeit zählen zu den größten psychischen Schmerzen. Sehr negative Beziehungserfahrungen können auch zu einem Mangel an Lebensfreude führen. Helfen kann eine neue Beziehung, z.B. auch die Beziehung zu einem Therapeuten. Wer sich tiefgreifende Veränderungen in seinem Leben wünscht, erreicht diese oft am besten durch eine Psychoanalyse. Dort kann man neue Beziehungserfahrungen machen – dadurch, dass der Andere Dich in einer verstehenden Weise anguckt, kannst Du Dich auch selbst verändern, sodass es Dir immer leichter möglich wird, Dich emotional berühren zu lassen, Dich für andere zu interessieren, Deine Emotionen selbst zu regulieren und Freude an der Beziehung zu haben.
Sobald es Dir gelingt, in Anwesenheit des anderen allein sein zu können, also „bei Dir“ zu bleiben, gehen Deine psychischen Beschwerden wahrscheinlich zurück.
Die wohltuende Nähe zu anderen Menschen kann Dir dann immer öfter möglich werden – das wiederum bringt die Lebensfreude zurück. „Infolge der neuen, besseren Erfahrungen gehen die psychischen Beschwerden zurück und wohltuende Nähe zu anderen Menschen wird immer öfter möglich. „Mein größtes Geschenk ist es, dass ich es genießen kann, mit anderen Menschen zusammen zu sein.“ So ähnlich sagt es eine ehemalige Patientin, die in einer langen Psychoanalyse von ihrer Schizophrenie gesundete (Take these Broken Wings, Youtube).
Kinder aus Patchwork- oder Ein-Eltern-Familien sind nicht so gesund wie Kinder, die mit beiden leiblichen Eltern aufwachsen. Das hat eine Studie von Susanne Seyda und Thomas Lampert ergeben. Die Wissenschaftler erhoben Daten der KiGGS-Studie (Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen) des Robert-Koch-Instituts. Hier zeigte sich, dass Kinder und Jugendliche zwischen 11 und 17 Jahren eher psychisch auffällig waren und ihre Gesundheit als schlechter bewerteten, wenn sie in Stieffamilien oder bei einem alleinerziehenden Elternteil groß wurden. Weiterlesen