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ADHS – Umwelt oder Gene?

Die Diagnose „Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom“ (ADHS) kommt im Klinischen Wörterbuch „Pschyrembel“ von 1998 noch gar nicht vor. Sucht man im Archiv des Deutschen Ärzteblatts nach „ADHS“, so finden sich erste Artikel im Jahr 2001. Der Ausdruck „ADHS“ sagt etwas über das Verhalten, nicht aber über die Emotionen. Bei der ADHS-Diskussion wird deutlich, dass es „die eine Diagnose“ oft nicht gibt. ADHS ist eine beschreibende Diagnose. Die Beschreibung lautet: Ein Kind ist impulsiv, unruhig und kann sich schlecht konzentrieren. Die Diagnose „ADHS“ dient dazu, dass sich Fachleute und Patienten verständigen können und wissen, welche Symptome ein Kind zeigt, das an ADHS leidet. Die Ursachen der Unruhe können jedoch ganz unterschiedlich sein – das ist auch der Grund für die vielen Kontroversen.Weiterlesen

Externalisierende Störungen werden häufiger bei Jungen als bei Mädchen diagnostiziert

Ärzte und Psychologen bezeichnen Verhaltensauffälligkeiten (meistens bei Kindern und Jugendlichen) als „externalisierende Störungen“. Eine „externalisierende Störung“ ist also etwas, was man von außen beobachten kann. Dazu gehören zum Beispiel motorische Unruhe (ADHS) oder aggressives Verhalten („Störungen des Sozialverhaltens“). „Internalisierende Störungen“ hingegen kann man von außen nicht sehen. Das sind Probleme, die innerlich bearbeitet werden, wie zum Beispiel Selbstzweifel, Depressionen oder Ängste. Eine „externalisierende Störung“ wird häufiger den Jungen zugeordnet, wohingegen Mädchen häufiger an „internalisierenden Störungen“ leiden. Weiterlesen

Atomoxetin – ein ADHS-Medikament

Atomoxetin ist ein Wirkstoff, der zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) eingesetzt wird. Er ist unter dem Präparatenamen Strattera® (Firma Lilly) bekannt. Atomoxetin ist nachweislich wirksam und wird häufig als Alternative zu Methylphenidat (Ritalin ®) angewendet. Die ZDF-Sendung Frontal21 vom 9.12.2008 (leider nicht mehr verfügbar) zeigte allerdings Betroffene, die sehr unter Nebenwirkungen gelitten haben. Weiterlesen

Frühe Kindheit als Schicksal? (Buchtipp)

Die Psychoanalytikerin Marianne Leuzinger-Bohleber, ehemalige Direktorin des Sigmund-Freud-Instituts Frankfurt, hat ein beeindruckendes Buch über die psychische Entwicklung des Kindes geschrieben. Das Buch Frühe Kindheit als Schicksal macht deutlich, wie komplex die kindliche Entwicklung verläuft und wie unsagbar wichtig die enge Beziehung zu den Eltern und anderen Bezugspersonen ist. Leuzinger-Bohleber beschreibt, wie Kinder Gefühle lernen und woran die Entwicklung vieler Kinder scheitert. Dieses Buch zeigt aber auch, dass psychische Störungen wie z. B. das Aufmerksamkeitsdefizit-Hpyeraktivitätssyndrom (ADHS) kein genetisches Schicksal sind. Viel zu häufig wird von einfachen Stoffwechselstörungen ausgegangen, ohne die Situation des Kindes weiter zu hinterfragen. Dabei verdeutlicht dieses Buch anhand von Therapieverläufen, dass hinter der Diagnose ADHS oft problematische Familienverhältnisse stehen. Das Fallbeispiel von Max zeigt, wie eine psychoanalytische Therapie bei ADHS gelingen kann (S. 171-172).

Erzählen statt Messen

Dass die Möglichkeiten der Psychoanalyse relativ selten zur Sprache kommen, liegt unter anderem daran, dass die Wissenschaft auch in Bezug auf die Psychotherapie alles „messen“ will. Vieles lasse sich bei psychischen Vorgängen jedoch nicht messen, sondern eher erzählen, so die Autorin. Durch Einsichten und emotionale Erfahrungen verändern sich die Kinder in der Therapie. Vieles lässt sich jedoch kaum messen, sondern eben nur beschreiben. Marianne Leuzinger-Bohleber gibt in ihrem Buch viele Antworten auf Fragen, die häufig gestellt werden – beispielsweise erklärt sie, wie Aggressionen bei Jugendlichen entstehen und auf welchen Ebenen Kinder und Familien erreicht werden können, um destruktivem Verhalten, Hyperaktivität oder Depressionen vorzubeugen. Dabei ist die Sprache recht kompliziert, so dass sich dieses Buch wohl eher an hochspezialisierte Fachleute richtet.

„Fonagy und seine Mitarbeiter definieren Mentalisierung in der Folge einer philosophischen Tradition, die von Brentano (1973/1874), Dennett (1978) und anderen begründet und als eine Form vorbewusster imaginativer mentaler Aktivität verstanden wurde, in deren Rahmen menschliches Handeln in Begriffen von ‚intentionalen‘ Geisteszuständen gedeutet wird.“ (S. 113)

Solch ein Satz kann sogar für Experten schwierig sein. Wünschenswert wäre es, dasselbe Buch noch einmal in einer Sprache herauszubringen, die von jedem verstanden wird. So könnten auch Erzieher, Lehrer und Eltern von dem breiten und höchst interessanten Wissen profitieren, das in diesem Buch steckt.

Verwandte Artikel in diesem Blog:

Buch:

Marianne Leuzinger-Bohleber
Frühe Kindheit als Schicksal?
Trauma, Embodiment, Soziale Desintegration.

Psychoanalytische Perspektiven.
Mit kinderanalytischen Fallberichten
von Angelika Wolff und Rose Ahlheim
Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2009

Bonney und Barkley: nicht zu verwechseln bei ADHS

Zwei Wissenschaftler, die sich mit ADHS beschäftigen. Zwei ähnlich klingende Namen – und doch zwei völlig unterschiedliche Ansätze. Der Psychiater Russel Barkley erklärt das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) aus biologischer Sicht und empfiehlt Verhaltenstherapie und Medikamente. Auf seiner Website www.russellbarkley.org finden Patienten viele hilfreiche Informationen. Tiefenpsychologische Erklärungen lassen sich hier jedoch fast gar nicht finden. Der Kinderpsychiater Helmut Bonney hingegen geht von der Plastizität des Gehirns aus und sagt, dass sich ADHS auch ganz ohne Medikamente verbessern kann.

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Volumenminderungen im Gehirn bei ADHS

Forscher haben durch bildgebende Verfahren herausgefunden, dass das Gehirn von ADHS-Patienten an verschiedenen Orten um 3-5% „kleiner“ ist als das Gehirn Gesunder. Von diesen „Volumenminderungen“ betroffen sind: die Frontallappen (= Vorderhirn, rechts mehr als links), das Corpus callosum (= der „Balken“ des Gehirns, die Verbindung zwischen rechter und linker Hirnhälfte), die Basalganglien (besonders der rechte Nucleus caudatus), der Globus pallidus und das Cerebellum (Kleinhirn). Weiterlesen

SDQ – Strengths and Difficulties Questionnaire

Der SDQ ist ein einfacher Fragbogen zu den Stärken und Schwächen von Kindern und Jugendlichen im Alter von 3-16 Jahren. Er wurde von dem britischen Psychiater Robert Goodman entwickelt und wird oft zur Diagnose der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) eingesetzt. Der Fragebogen wird von Eltern und/oder Lehrern ausgefüllt. Ältere Kinder können auch eine Selbsteinschätzung abgeben. Wie so ein Fragebogen aussieht, wird auf der Homepage des Kinderarztes Dr. Hans-Dieter Hüwer gezeigt. Englischsprachiger Link für Fachleute: www.sdqinfo.com. Weiterlesen

Eckpunktepapier zu ADHS (2002)

Am 27.12.2002 gab das Bundesministerium für Gesundheit ein Eckpunktepapier (Konsensuspapier) zur Diagnose und Behandlung von ADHS heraus. Das Eckpunktepapier fasst die Ergebnisse einer Konsensuskonferenz zusammen, an der unter anderem Kinderpsychiater, Elternvertreter und die damalige Drogenbeauftrage der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk, beteiligt waren. Weiterlesen

Sigmund-Freud-Institut Frankfurt

Wer sich für Aktuelles aus der Psychoanalyse interessiert, der findet zahlreiche Informationen auf der Website des Sigmund-Freud-Instituts Frankfurt (SFI). Außerdem kann man sich als Patient mit seinen seelischen Nöten in der Ambulanz vorstellen und am Institu...

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THOP – Verhaltenstherapie bei ADHS

THOP steht für „Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten“. Das Programm wurde unter anderem von Professor Manfred Döpfner der Universität Köln entworfen. Es handelt sich um ein verhaltenstherapeutisches Konzept für Kinder mit dem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS). Es kann sowohl von Eltern als auch von Erziehern gemeinsam mit einem Therapeuten durchgeführt werden. Das Buch zum Programm ist im Beltz-Verlag erhältlich. Das Buch zum Programm erklärt die therapeutische Vorgehensweise ausführlich. Einige Punkte des Programms halte ich jedoch für bedenklich. Wann immer beispielsweise mit „Auszeiten“ gearbeitet und das Weinen des Kindes zugunsten der Einhaltung von Regeln übergangen wird, glaube ich, dass man dem Kind damit nichts Gutes tut. Bereits die Bezeichnung „oppositionelles Problemverhalten“ wirkt auf mich wie eine entwürdigende Diagnose, bei der das Verstehen außen vor bleibt.

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