Unsere Sorgen und Gedanken kommen auch aus unserem Körper heraus
Wenn Du nachts von einem See träumst und wach wirst, merkst Du vielleicht, dass Deine Blase ganz voll ist. Du hast von dem See geträumt, weil Du im Schlaf spürtest, dass Du eine volle Blase hast. Aber warum träumt man dann nicht einfach, dass man eine volle Blase hat und zur Toilette muss? Es hängt wahrscheinlich auch davon ab, wieviel Bewusstsein unserem Schlaf schon wieder beigemengt ist. Jedoch zeigt das Beispiel gut, was unsere Psyche aus unseren körperlichen Empfindungen macht. Und so können auch andere Gedanken, Sorgen und Grübeleien entstehen.
In der Traumforschung gibt es viele Beispiele dafür, dass wir unsere Körperempfindungen nicht direkt fühlen sondern als Bilder im Außen sehen. So träumen manche Männer von Flügen und Abstürzen während sie im Traum eine Erektion haben.
Wie unser Körper unsere Gedanken und Gefühle beeinflusst – einige Beispiele:
- „Im Schwimmbad begann ich plötzlich über meine Prüfung zu grübeln. Es fühlte sich enorm belastend an. Dann wurde es mir schlecht – oder nein, ich merkte, dass es mir schon vorher schlecht war, weil ich direkt nach dem Mittagessen meine Bahnen gekrault bin. Ich musste zur Toilette. Nachdem ich mich ausgeruht hatte, hatten sich auch die Grübeleien um die Prüfung verwandelt in ein zuversichtliches Nachdenken darüber.“
- „Ich wachte morgens auf und war mir sicher, dass ich das Geld für mein Projekt nicht zusammenbekommen würde. Sorgenvoll und mit Herzrasen begann ich in großer Anspannung mit meinen Yogaübungen. Bei der Vorwärtsbeuge im Sitzen mit einem angewinkelten Bein wurde ich davon überrascht, dass sich meine Sorgen lösten. Ich spürte eine Leichtigkeit und wieder mehr Energie. Ich hatte das Gefühl, dass ich mein Projekt schaffen kann.“
- „Morgen sieht die Welt schon wieder anders aus (wenn Dein Körper nach dem Schlaf erholt ist).“
- „Ich hatte mich im Schlaf verspannt und wachte morgens sehr depressiv auf. Meine suizidalen Gedanken steigerten sich bis fast hin zu dem Impuls, mir etwas gegen meinen Willen anzutun. Als ich beim Yoga eine Streck-Übung im Stehen machte, merkte ich, wie dieser quälende Impuls nachließ.“
Literatur:
Mels F. van Driel (2014)
Sleep Related Erections Throughout the Ages
The Journal of Sexual Medicine, Volume 11, Issue 7, July 2014, Pages 1867-1875
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1743609515308079
Charles Fischer et al. (1965):
Cycle of Penile Erection Synchronous With Dreaming (REM) Sleep
Arch Gen Psychiatry. 1965;12(1):29-45. doi:10.1001/archpsyc.1965.01720310031005
https://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/article-abstract/488693
Wolfgang Leuschner:
Einschlafen und Traumbildung
Brandes und Apsel, 2011
Sigmund-Freud-Buchhandlung
Die Autorin Mariana Leky schreibt in ihrem Roman „Erste Hilfe“: „Wir machen uns immer viel zu viele Sorgen. Wir machen uns Sorgen, wenn der Bäcker morgens irgendwie blöd geguckt hat. Wir machen uns Sorgen, dass irgendetwas an oder in uns ersetzt oder ausgeschält werden muss, … dass deine Wunde sich infiziert oder dass der Herd an ist … oder dass wir auf einen Brief die falsche Adresse geschrieben oder den falschen Brief in den Umschlag mit der richtigen Adresse getan haben, wir machen uns Sorgen, dass wir für den, der hinter uns Fahrrad fährt, zu langsam Fahrrad fahren, … dass unsere Eltern, die wir heute wieder nicht angerufen haben, morgen sterben könnte, dass irgendwer nicht wieder anruft oder dass irgendwer wieder anruft, … wir sorgen uns am Tag, dass wir in der Nacht nicht schlafen können, und in der Nacht, dass wir am Tag müde sein werden.“ Mariana Leky: Erste Hilfe. Roman. Dumont, S. 106/107