Selbstbestrafung und Selbstqual: „Wenn die Grippe kommt, ist die Psychose weg.“
Nicht selten deuten Psychoanalytiker selbstverletzendes Verhalten als eine Art „Befriedigung des Strafbedürfnisses“. „Es darf Ihnen nicht gut gehen“, sagen sie manchmal, denn oft fällt auf: Sobald etwas Gutes passiert, müssen sich viele Menschen wie zum Ausgleich etwas Schlechtes schaffen. Manchmal ist es tatsächlich eine Art Strafbedürfnis: Wenn es den Eltern zum Beispiel sehr schlecht ging, darf es mir als Kind doch nicht so gut gehen, könnte der Gedanke lauten. Manchmal schlafen wir nach einer guten Nachricht erstaunlich schlecht und nach einer schlechten Nachricht erstaunlich gut. Vielleicht ist die Selbstqual auf eine besondere Weise ein wichtiger Schutzmechanismus.
Bei sehr schweren psychischen Störungen wie z.B. Psychosen lässt sich oft feststellen, dass die Psychose ruht, wenn gerade eine schwere körperliche Erkrankung da ist.
Auch Menschen mit einer Angststörung kennen das: Wenn sie eine schwere Grippe haben, sind Angstgefühle und Grübeln erstmal weg. Das heißt, die körperliche Erkrankung wirkt wie ein Anker. Es ist, als würde das körperliche Leid das Leid aus der Psyche abziehen. So lassen sich Selbstbestrafungen oder selbstverletzendes Verhalten manchmal auch als eine Art Selbstfürsorge verstehen. Das körperliche Leid ist oft leichter erträglich als das psychische.