Warum Gedanken ernstgenommen werden wollen
„Machen Sie sich klar, dass Ihre angsterfüllten Gedanken nichts als Gedanken sind.“ Dieser Satz beruhigt meistens nur begrenzt, denn die Entstehung von Gedanken ist ein ganzheitliches Geschehen. Es gibt verschiedene Arten von Gedanken und es gibt verschiedene Arten von Gefühlen und äußeren Realitäten. Gedanken und Gefühle können auf unterschiedlichste Weise miteinander verbunden sein. Gedanken entstehen aus vielem, z.B. aus äußeren Realitäten und Körperempfindungen heraus. Wir können durch unsere Körperhaltung unsere Sorgen schlimmer oder weniger schlimm erscheinen lassen.
Besonders Krankheiten und Geldmangel können unsere schrecklichsten sorgenvollen Gedanken wecken. Doch die Gedanken hängen auch davon ab, ob wir uns körperlich kräftig oder schwach fühlen.
So können wir vorstellen, arbeiten und kreativ sein zu können, wenn wir uns körperlich gerade frei fühlen. Wenn wir uns schlecht fühlen, schwitzend und flach atmend im Bett liegen, sorgen wir uns vielleicht darum, ob wir morgen überhaupt noch funktionieren können. „Heute geht’s noch“, können wir uns vielleicht sagen und uns damit auf kleine Häppchen konzentrieren. Gedanken können in der Katastrophe enden. Bei Geldsorgen können wir befürchten, dass wir mittellos auf der Straße landen oder aber dass uns Freunde helfen oder wir neue Aufträge bekommen. Meistens können wir das Problem handhaben, wenn es da ist. „You can face it, when it’s there“, sagt Eckhart Tolle in einem seiner Videos.
Realität, Gedanken und Körper gehören zusammen. Unser Körper erweckt in uns symbolische Bilder, die dann zu Worten werden. Unser Magen fühlt sich bei Ärger und Sorgen an „wie ein Stein“, unser Rücken scheint „Stock-gerade“ zu sein. Begriffe wie diese fallen uns als Reaktion auf unsere Körpergefühle ein.
Es ist wichtig, sich den Ursprung der Gedanken anzuschauen, denn die quälenden Gedanken sind wie Schmerzen: Sie weisen auf etwas Schädigendes hin und können nicht einfach abgetan werden.
Wachen und Schlafen
Ähnlich wie Traumgedanken sind Wach-Gedanken auch eine Frage des Bewusstseins: In der ersten Nachthälfte, wenn wir tief schlafen und das Wach-Bewusstsein ausgeschaltet ist, haben wir intensive Träume, die uns ganz und gar einnehmen. In den frühen Morgenstunden, wenn sich wieder mehr Bewusstsein dazu mischt, können wir luzide träumen und unsere Träume teilweise steuern. So können wir bewusstseinsferne und bewusstseinsnahe Gedanken haben.
Gedanken brauchen auch einen Gedanken-Raum, in dem sie gedacht werden können. Wenn wir im Stress sind, ist der Denkraum kleiner, als wenn wir ruhig sind. Außerdem tragen wir immer auch unreife psychische Elemente in uns, die sogenannten „Beta-Elemente“, die noch nicht gedacht werden können.
Wann immer wir uns „so komisch fühlen“ oder etwas nicht in Worte fassen können, wenn wir uns innerlich bedroht fühlen und dem Zustand keinen Namen geben können, dann werden wir unserer „Beta-Elemente“ gewahr. Diese unreifen Elemente, sozusagen noch nicht geformte Gedanken, sind für uns oft schwer beunruhigend. Sie müssen erst – zum Beispiel durch Nachdenken oder durch Gespräche mit anderen – in „Alpha-Elemente“ umgewandelt werden. Das heißt, wir können erst nach der Umwandlung darüber sprechen, wir können uns dann erst selbst besser verstehen, Zusammenhänge herstellen und über weiter über uns nachdenken.
Transformation von Beta- zu Alpha-Elementen bedeutet: Aus dem diffusen „Irgendwas“ wird etwas Fassbares, aus dem chaotischen Zustand werden Worte und Wortgedanken, sodass wir unser Innenleben wieder mit anderen teilen können.
Es gibt „reife und unreife“ Gedanken, klare und unklare, bewusste, bewusstseinsnahe und unbewusste Gedanken, Wort-, Bild- oder Musik-Gedanken, unbewusste Phantasien, Wahrnehmungen, Sinnesreize, Zukunftsvorstellungen, Tiefensensibilität, Repräsentanzen, Erinnerungen, Wissen, Zwangsgedanken und vieles mehr. Wenn zwei oder drei Menschen zusammen sind, entstehen zudem Gedanken, die dann „in der Luft“ liegen – in einer Gruppe können mehrere auf einmal sehr Ähnliches denken und es ist spannend, zu sehen, wer den Gedanken, der quasi „da draußen“ entstanden ist, zuerst „aufgreift“.
Mit den Gedanken ist es also sehr kompliziert. Wir können uns mit Gedanken verrückt machen, aber auch beruhigen. Wir können unsere Gedanken beobachten und ernst nehmen.
Wenn wir jedoch spüren, dass quälende und aggressive Gedanken, die vielleicht zu nichts führen, einen Sog auf uns auswirken, können wir versuchen, bewusst davon Abstand zu nehmen, z.B. indem wir uns auf die Einatemluft vor unseren Nasenlöchern oder auf unsere Gefühle und unseren Körper konzentrieren. Gedanken sind hochkomplex. Häufig wird gesagt, sie seien Verursacher von Leid – doch häufig sind sie auch ernst zu nehmende Folgen von Leid. Auch durch zunächst quälende und sinnlos erscheinende Gedanken können zur Problemverarbeitung führen und manchmal tauchen auch ganz unverhofft Gedanken auf, die uns zutiefst beruhigen. Manche dieser Gedanken können sogar unser Leben verändern.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 6.6.2019
Aktualisiert am 26.8.2023