Der unbarmherzige Patient. Der unbarmherzige Therapeut.

Noch drei Minuten, sagt der große Zeiger. Gleich wird er klingeln, mein Patient. Wie fast jeden Tag zur vollen Stunde. Und ich kann nichts dagegen tun. Er wird da sein. Er wird wollen. Er will, dass ich zuhöre und nachdenke. Ich kann nicht weg. Dabei bin ich müde. Wie eine Mutter. Doch der Säugling, er gibt keine Ruhe. Er fordert und fordert und fordert. || Noch drei Minuten, sagt das Autoradio. Dann steige ich aus und begebe ich mich zur Tür meines Lehranalytikers. Er wird da stehen und auf mich warten. Ohne Gnade. Er fordert von mir, dass ich sage, was mir einfällt. Ständig. In jeder Sekunde. Meine ich. In meiner Welt. Er sitzt da und wartet und wartet und wartet. Wie ein Herrscher. Ich bin müde, ich will nichts mehr sagen. Doch er ist da, komme, was wolle.

Er klingelt pünktlich. Er steht vor mir. Wie eine Wand. Jetzt kann ich nicht mehr weg. Diese Stunde muss ich durchhalten. Ab morgen mach‘ ich was anderes. Ich werde Gärtner und hab‘ meine Ruh‘. Glaube ich.

Er öffnet mir pünktlich die Tür. Er steht vor mir. Ich wär‘ ja frei und trotzdem fühl‘ ich mich gefangen. Kann ich einfach wieder rauslaufen? Doch ich muss da rein. Meine ich.

Ganz anders

Und auf einmal ist da die Realität. Wir arbeiten zusammen, vergessen den Anfang – es sei denn, es geht uns körperlich nicht gut. Es gibt Krankheiten, da bliebe man besser zu Hause.

Ich erzähle, was mir einfällt, es drängt mich dazu, ich will, dass es mir besser geht.

Ich höre zu, mir kommen interessante Bilder, ich spreche etwas aus.

Ich freue mich über den Moment der Begegnung.
Ich freue mich über den Moment der Begegnung.

Es hat sich gelohnt. Egal, was sich zeigt: Die Wahrheit ist immer wieder ein Abenteuer.

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Dieser Beitrag wurde erstmals veroeffentlicht am 16.11.2018
Aktualisiert am 11.8.2024

L’impitoyable patient, l’impitoyable thérapeute

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