Was ist denn nun gesunde Ernährung?

Wir haben ein paar sehr wertvolle Instrumente, die uns sagen, was gesunde Ernährung ist: Unsere Nase, unsere Zunge, die Augen, den Hunger, die innere Uhr, das Sättigungsgefühl und unser „Energiegefühl“ – also das Gefühl dafür, ob wir müde und energiearm oder kreativ, bewegungsfreudig und energiereich sind. Unsere Gefühle sagen uns, ob wir einen Energieschub brauchen, ob wir uns beruhigen, wärmen oder abkühlen wollen. Das Dumme nur: Wir verlassen uns oft nicht mehr auf diese Instrumente, sondern wir schalten das Denken und das Wissen ein und dann wird alles furchtbar kompliziert.

Am Jahresende plagte mich die Erschöpfung. Ich sprach mit einer Ernährungsexpertin, die selbst seit 25 Jahren nur Rohkost isst und mich munter anstrahlte: „Essen Sie Rohkost!“

„Fangen Sie langsam damit an, lassen Sie morgens den Kaffee weg, nehmen Sie weniger Milchprodukte zu sich und ersetzen Sie mehr und mehr Mahlzeiten durch Rohkost.“ Es folgte eine lange Liste von Heilungsgeschichten, die mich beeindruckten. Brot sei im Übrigen ganz was Schlechtes. Sollte ich mein geliebtes Kochen und Backen also aufgeben, um mich dauerhaft besser zu fühlen?

„Bei Ihrer Konstitution: Nur Gekochtes!“

Ich erinnerte mich, wie ich vor 10 Jahren einer traditionell chinesischen Medizinerin meinen Besuch abstattete, als ich ähnlich erschöpft war. „Sie sollten so viel wie möglich schlafen“, war ihr erster Rat. Und dann sollte ich doch möglichst nur Gegartes und Gekochtes zu mir nehmen. Während sich der Rohkost-Vorschlag nur nach „Vernunft“ anhörte, so fühlte ich mich wieder wohlig, als ich mich an den Ratschlag der Chinesin erinnerte. Da haben wir zwei komplette Gegensätze. Was ist denn nun richtig?

„Wie soll ich mich denn auf mein Gefühl und meinen Instinkt verlassen, wenn ich immer nur Schokolade mag?“, fragt eine Ratsuchende. Ich glaube nicht, dass sie nur Schokolade mag. Sie ist vielmehr in einer Lebenssituation, die gerade nur Schokolade zulässt – sie ist immer gestresst, lebt zwischen Tür und Angel und kommt nicht zum Einkaufen. Natürlich wird sie auch von niemandem bekocht. Wer seinen Ernährungsplan umstellen möchte, sollte auch die Außenwelt analysieren und Lebensumstände – wo es möglich ist – zum Günstigeren hin verändern. Das braucht Zeit.

„Wenn ich an Salat denke, friere ich.“

Letzten Endes hörte ich erst auf die Chinesin und dann wieder auf mich selbst. Mich friert einfach, wenn ich an Salat denke. Und dieses Frieren ist ein wichtiger Hinweis: Wir können auf uns selbst hören und wir wissen, was uns gut tut. Wir kommen nur allzu oft nicht dazu, darauf zu hören. Wenn wir schon als Kinder mit Brötchen und Marmelade zum Frühstück glücklich waren, dann ist unser Körper daran gewöhnt. Wir kommen gut damit zurecht. Viele Omas sind damit alt geworden. Und auch Franzosen und Italiener lieben Kaffee mit Milch und Croissants zum Frühstück. Der Tag besteht nicht nur aus Frühstück – wir können uns noch bis zum Abend abwechslungsreich ernähren.

Wir haben Jahreszeiten

Wir spüren genau, welche Lebensmittel uns müde und munter machen, wenn wir darauf achten. Wir spüren auch, welche Lebensmittel uns wärmen oder abkühlen. Hierzu gibt es vielerlei Erklärungen, z.B. dass kaltes Wasser für den Körper anstrengender sei, weil der Magen es erst wieder aufwärmen muss. Wer aber morgens nach dem Aufwachen Durst auf kaltes Wasser hat, der liegt damit nicht „falsch“. Wenn der Körper danach fragt, wird es seinen Sinn haben. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir hier wechselhaftem Wetter ausgesetzt sind. Jeder weiß, dass man sich im Winter anders ernährt als im Sommer. Im Sommer ist die Vorstellung von einem Obstsalat erfrischend. Im Winter essen wir vielleicht lieber heiße, angedickte Kirschen.

Hektik und Schlafmangel, zu wenig Platz und Zeit und zu wenig Geselligkeit führen zu ungünstiger Ernährung.

Die Regeln kennen wir

Die meisten Menschen kennen die Regeln von gesundem Essen: Viel frisches Obst und Gemüse, wenig Süßigkeiten und ansonsten ausgewogene Kost in Maßen, die einem selbst bekommt. Morgens und mittags ist der Stoffwechsel bereit für eine größere Nahrungsmenge, wohingegen abends weniger gegessen werden sollte, damit man besser schläft. Das trifft zumindest hierzulande vielleicht auf die meisten Menschen zu. In Italien oder Spanien, wo der heiße Mittag durch eine ausgedehnte Mittagsruhe erträglich wird, ist eine Pizza zu später Stunde nichts Außergewöhnliches. Wer dort Urlaub macht, passt sich oft ganz schnell und wie von selbst den Gegebenheiten an.

Neugier, Kreativität und Genussfähigkeit helfen

Im Fernsehen jagt eine Kochsendung die nächste. Ich selbst schaue mir sehr gerne die Reisen von Sarah Wiener an (nicht gesponsert). Diese Köchin probiert und isst fast alles. Sie ist neugierig und offen und genießt sowohl die Zubereitung als auch das Essen. Wenn man da zuschaut, bekommt man selbst Lust, Neues auszuprobieren und es sich gut gehen zu lassen. Und: Essen ist auch immer etwas Geselliges. Es hat mit Traditionen zu tun. Und wie soll ich den Kaffeeklatsch bestreiten, wenn ich auf Milch und Kuchen verzichten soll? Mit Rucola-Salat?

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