Von der Angst, sich frei zu bewegen
In manchen Situationen „halten wir die Luft an“. Wir machen uns schmal, versuchen nicht aufzufallen und halten uns ganz still. Das sind oft Situationen der Angst. Wir geben keinen Mucks von uns, um nur nicht bemerkt zu werden. Wir erleben den anderen als Feind und ziehen uns in uns selbst zusammen. Anders, wenn wir uns wohl fühlen: Dann machen wir uns breit, wir atmen auf, wir dehnen uns aus. Der andere wird als Freund erlebt, mit dem wir viel gemeinsam haben. Manche Menschen haben eine ganz steife Körperhaltung. Sie sitzen auf der Kante ihres Stuhls und haben die Arme eng am Körper, so, als wollten sie ihre Affekte festhalten. Ziel ist es, dass der andere nicht sieht, wie es einem geht. Mit Worten kann man sich ja noch verstecken, doch in der Bewegung werden wir sichtbar. Besonders das Sexuelle wird durch die Starre versteckt, denn die Beine sind eng übereinander gekreuzt und der Oberkörper wird in gebeugter Haltung versteckt.
Ein gerader, aufrechter Rücken bedeutet, dass man Brust und Bauch zeigt. Das lateinische Wort für „aufrecht“ heißt „erectus“. Es hängt mit den Worten „erregt“ und „aufgerichtet (erigiert)“ zusammen. Unbewusste Phantasien über diese Zusammenhänge hindern manche Menschen daran, aufrecht zu gehen. Sie schämen sich, wenn sie aufrecht gehen – ohne zu wissen, warum. Auf keinen Fall wollen sie „hochmütig“ erscheinen. Auch die Neugier, das Umherschauen, soll vermieden werden. Die Scham führt dazu, dass ihr Körper wie in einen Schraubstock gerät.
Ein besonderes Problem von Menschen, die als Baby/Kleinkind nach Vojta behandelt wurden: Sie denken möglicherweise unbewusst, dass jede falsche Körperposition oder Bewegung sie „verraten“ könnte. Man könnte ihre „Behinderung“ erkennen und dann zur Vojta-Therapie, also zu neuen Angriffen, greifen. Auch die Vojta-Therapie war oft mit sexuellen Gefühlen verbunden.
Sich im Raum frei zu bewegen, ist oft schwer
Ebenso, wie man steif sitzen kann, so kann man sich auch eingeschränkt bewegen. Manche trauen sich kaum, den Raum für sich einzunehmen. Sie gehen in kleinen Schritten zum Stuhl und sind froh, wenn sie da sitzen. Auch hier ist es oft das Ziel, dass der andere das eigene Befinden nicht ablesen kann. Man will „Es“, sein Inneres, vor dem anderen verstecken und ist sich selbst die eigene Burg. Man möchte vielleicht aber auch die inneren Gedanken einfrieren und konservieren – allzu leicht lassen sich Gedanken durch Bewegung wegwischen.
Allein das Wort „Körper“ ist für manche Menschen schwer erträglich.
Sichere Grenzen
Manchmal steckt die unbewusste Vorstellung dahinter: „Wenn ich mich frei bewege, dann sieht der andere, wie es mir geht. Und mehr noch: Es ist, als könnte jeder in meinen Kopf hineinschauen. Jeder könnte sehen, was ich denke und fühle. Vielleicht könnte jeder sogar meine ganze Kindheitsgeschichte erkennen, wenn ich mich öffne und frei bewege.“ Wenn den Betroffenen bewusst wird, dass es da eine sichere Grenze gibt, dass andere ihre Gedanken und ihre Vergangenheit nicht einfach so „lesen“ können, kann das zur Entspannung und zu freieren Bewegungen beitragen.
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Dieser Beitrag erschien erstmals am 13.12.2016
Aktualisiert am 27.10.2019
One thought on “Von der Angst, sich frei zu bewegen”
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Guten Morgen Frau Dr. Voos,
Angst hat viele Gesichter, eines haben Sie hier beschrieben. Das „Sich klein Machen“ als Schutzhaltung erlebe ich oft auch in ersten Gesprächen, wo ich die Klienten bitte, sich aufzurichten und mich anzusehen. Oft ist dieses Verhalten mit Minderwertigkeitsgefühlen verbunden und es braucht lange, ehe die Betroffenen sich auch gegenüber einem Coach öffnen.
Liebe Grüße
Rolf Netzmann