Indikationsspezifische Psychotherapie
Immer wieder fordern insbesondere Psychiater und Neurologen, dass eine sogenannte „indikationsspezifische“ (= „störungsspezifische“) Psychotherapie zum Standard wird. Das bedeutet, dass für eine psychische Störung (z.B. eine Spinnenphobie), genau eine, darauf spezialisierte Therapie zum Einsatz kommt (z.B. eine verhaltenstherapeutische Desensibilisierung).
Hilfe nach „Schema F“
In einer Pressemitteilung des Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) heißt es:
„Darüber hinaus sei es wichtig, störungsorientierte Psychotherapien anzuerkennen, deren Wirksamkeit für einzelne Indikationsbereiche nachgewiesen ist (Anmerkung der Redaktion: Meinung von Prof. Dr. Fritz Hohagen, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein). Ein Beispiel hierfür ist die interpersonelle Psychotherapie zur Behandlung von Depressionen und Esstörungen. Bei der interpersonellen Psychotherapie (IPT) handelt es sich um eine Kurzzeittherapie mit etwa 12-20 Einzelsitzungen, bei der als effektiv bekannte psychotherapeutische Techniken und Strategien kombiniert und teilweise durch eine gleichzeitige Pharmakotherapie ergänzt werden. Die Wirksamkeit von IPT bei der Akutbehandlung von Depressionen ist in mehreren Studien belegt worden.“
Pressemitteilung: „Psychotherapiemethoden auf dem Prüfstand.“ Von Prof. Dr. Peter Falkai, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit DGPPN, Informationsdienst der Wissenschaft (idw) 21.11.2003, http://idw-online.de/pages/de/news72635
Die Psyche entwickelt sich langsam
Weniger stark befürwortet wird die indikationsspezifische Psychotherapie von vielen Psychoanalytikern. Es ist schwierig, die Seele 1 : 1 mit dem Körper gleichzusetzen und ihr eine vergleichbares „Defekt-Reparatur-Modell“ anzubieten. Zum Bluthochdruck passt oft der Betablocker in Tablettenform (nicht zu vergessen allerdings, dass auch der Bluthochdruck zu den sieben klassischen psychosomatischen Erkrankungen zählt). Doch eine Angststörung kann meistens nicht einfach als isolierte Angststörung betrachtet werden. Sie kann Teil einer ganzen Reihe von psychischen Problemen sein, die vielleicht infolge von Beziehungsproblemen entstanden sind. Eine lang angelegte Therapie, die den Patienten bessere und andere Beziehungserfahrungen als bisher erleben lässt, kann eine Angststörung nachhaltig verbessern. Ihm würde man durch eine kurze, scheinbar perfekt passende Therapie nicht gerecht werden.
Der schnellste Weg ist nicht immer der beste
Natürlich erscheint es zunächst für den Patienten und für die Wirtschaft das beste, so schnell wie möglich mit der absolut passenden Therapie die Lösung vom Leid zu schaffen. Diese Sichtweise mag auf einige psychische Störungen zutreffen. Doch diese Sichtweise sollte nicht zur allein gültigen werden.