Die Borderline-Störung und der lange Weg zur Erleichterung

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS, Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung, Typ Borderline, ICD10: F60.31) wird mitunter definiert als ein Zustand zwischen Neurose und Psychose. Solltest Du diese Diagnose haben, dann leidest Du vielleicht unter mangelnder Impulskontrolle – es fällt Dir vielleicht sehr schwer, Deine Wut und andere starke Gefühle zu kontrollieren. Auch leidest Du möglicherweise unter einem brüchigen Selbstbild – Du hältst Dich selbst manchmal (heimlich) für ganz toll und manchmal für den letzten Menschen dieser Welt. So geht es Dir möglicherweise auch mit dem Bild von anderen. Dieser Abwehrmechanismus wird „Spaltung“ genannt.

Der Begriff „Borderline“ wurde unter anderem vom Psychoanalytiker Adolph Stern (1878-1958, Wikipedia) geprägt. Nach der Internationalen Klassifikation für Erkrankungen, der ICD-11, gehören heute zum „Borderline-Muster“ (Code: 6D11.5): eine negative Affektivität, Distanziertheit (also Zurückhalten von Gefühlen, aber auch ein Sich-Fernhalten von sozialen Ereignissen), Dissozialität (z.B.: „Ich verdiene nur das Beste, die anderen sind mir egal“), Enthemmtheit (z.B. Impulsivität, Selbstüberschätzung, Unverantwortlichkeit) und Anankasmus (Zwanghaftigkeit, z.B. starres Festhalten an Tages- oder Essensritualen).

Besonders stark ausgeprägt ist das primärprozesshafte Denken, also das eher „unrealistische“ Denken, wie es im Traum oder in der Phantasie vorkommt. Das sekundärprozesshafte, also das realistische Denken, tritt zeitweise in den Hintergrund. Wie Du Dich fühlst und wie Du von Dir denkst, kann sehr schnell wechseln, was Psychologen als „Identitätsdiffusion“ bezeichnen. Du nimmst die Meinung anderer möglicherweise viel wichtiger als Deine eigene, daher sagen andere über Dich vielleicht, dass Du sehr wankelmütig erscheinst. Nicht selten sagen Partner: „Mit Dir halte ich es kaum noch aus“, weil das Gesagte, Gefühlte und Gedachte nie lange Bestand hat.

Das Mentalisieren fällt vielen traumatisierten Menschen schwer

Vielleicht hast Du auch Schwierigkeiten damit, über Dich und andere in ruhiger Weise nachzudenken. Möglicherweise denkst Du oft, dass Du Dir zwar „ganz sicher“ bist, dass der andere so oder so ist, dabei gehst Du vielleicht nur davon aus, dass der andere so ist, wie Deine Mutter oder Dein Vater waren. Der Psychoanalytiker Peter Fonagy und seine Kollegen haben viel darüber geschrieben, dass Menschen mit einer Borderline-Störung darin geschwächt sind, über die wirklichen Absichten anderer Menschen nachzudenken – und auch über eigene Beweggründe zu bestimmten Handlungen können sie oft nicht viel sagen, weil auch schon die Eltern sich nicht gut in ihre Kinder einfühlen konnten. Nicht wenige Eltern meinten, genau zu wissen, was die Kinder fühlen, aber sie waren nicht wirklich empathisch.

Die Schwäche, über sich und andere nachzudenken, wird auch als Mentalisierungsschwäche oder „Reflexionsschwäche“ bezeichnet (Fonagy 2008). Viele frühtraumatisierte Menschen haben auf ihre Weise damit Probleme (siehe: Sexuell missbrauchte Kinder können oft schlecht mentalisieren). Der Psychoanalytiker Otto Kernberg sprach von einer Ich-Schwäche. Dies alles kann darauf zurückgehen, dass schon Deine Eltern Dich gut über Dich nachdenken konnten. Schon wenn die Mutter in den ersten Lebensmonaten nicht gut mit ihrem Kind kommunizieren kann, kann möglicherweise ein tiefes Gefühl von Angst und Alleinsein entstehen – die innere Aufregung macht es oft unmöglich, in Ruhe nachzudenken.

Manche werden von fast ständiger, noch nicht greifbarer Angst begleitet

Möglicherweise leidest Du auch an einer Angststörung und an einer „Pan-Angst“, also an einer Angst vor allem und jedem. Diese Angst begleitet Dich unterschwellig vielleicht sehr oft und lang anhaltend. Dies kann möglicherweise auch auf frühe Gewalterfahrungen, Trennungen oder medizinische Behandlungen in den ersten Lebensjahren zurückgehen, also auf eine Zeit, in der Du noch nicht sprechen konntest. Du fandest keine Worte für das, was Dir geschah und Du kannst Dich nicht bewusst erinnern – es ist möglich, dass es Dir deswegen vielleicht auch nicht gelingt, Deine Ängste auf etwas Bestimmtes zu beziehen. Deine Angst ist vielleicht weder für Dich noch für andere erklärbar. Sie führt vielleicht dazu, dass Du häufig auch unter einer unbestimmten Anspannung leidest.

Viele Probleme können auch aus einer starken Verstrickung mit den Eltern entstehen. Gerade Kinder, die eher beängstigende Eltern hatten, binden sich auf eine ängstliche und ungute Weise an sie. Man spricht auch vor „unsicherer Bindung“ oder „ambivalenter Bindung“. Daraus können Ängste enstehen, sich von der Mutter zu trennen – das heißt, es kann zu Ängsten vor Veränderung und persönlicher Weiterentwicklung kommen. Möglicherweise wirkst Du dadurch auch jünger und kindlicher als Du bist.

Es kann so aussehen, als bestünde eine symbiotische Verbindung zu Deiner Mutter, doch in Wirklichkeit hältst Du möglicherweise innerlich großen Abstand. Wenn Du Angst hast, suchst Du vielleicht Beruhigung bei Deiner Mutter – doch es ist dann paradox: Sie kann Dich irgendwie beruhigen und gleichzeitig beunruhigt Dich das Zusammensein mit ihr.

Dieses komplizierte Bild von Beziehung kann Dich ganz hoffnungslos und passiv machen. Du zeigst Dich vielleicht überangepasst, weil Du meinst, die anderen wüssten besser, was gut für Dich ist als Du selbst. Vielleicht hältst Du die anderen auch für sehr verletzlich oder Du bist von ihnen z.B. beruflich abhängig und möchtest keine Reibung provozieren. Vielleicht geht es Dir so schlecht, dass Du auch in eine Sucht gerutscht bist. Du fühlst Dich möglicherweise oft, wie Du in der Klemme sitzt und das macht Dich wütend und ungeduldig. Möglicherweise hast Du auch eine große Lust an der Zerstörung, die Dir selbst wiederum Angst machen kann. Es hilft das, was Du möglicherweise schon machst: Dir gute Menschen zu suchen, die Dir ein Vorbild sein können und die gut zu Dir sind.

Meistens haben Menschen mit einer Borderline-Störung eine traumatische Kindheit gehabt, in der sie sich nicht ausreichend abgrenzen durften und Unterdrückung, Gewalt oder sexuellen Missbrauch erlebten – auf der anderen Seite waren die Eltern möglicherweise oft sehr verwöhnend, was zu Verwirrung und Orientierungslosigkeit, aber auch zur Verfestigung der Probleme führte. Die Borderline-Störung ähnelt daher in vielerlei Hinsicht einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) bzw. einer komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung (kPTBS, ICD11: 6B41, BfArM.de).

„Borderline“ – und was Autoren dazu sagen

Die Borderline-Störung ist das, was der Analytiker Wilhelm Reich bereits 1925 als „triebhaften Charakter“ beschrieb. Die Analytikerin Melitta Schmideberg prägte den Begriff „Stabilität in der Instabilität“. Die Betroffenen stehen oft kurz vor der Psychose, werden aber meistens nicht psychotisch.

Das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen (DSM) beschreibt die Störung als eine „durchgängige Instabilität von Selbstbild, Beziehungen und Stimmung“. Der Psychoanalytiker Gaetano Benedetti (1920-2013, Wikipedia) zählt die Hypochondrie, ein gestörtes Beziehungserleben und das zeitweise Gefühl, nicht man selbst zu sein (Depersonalisation) zu den Borderline-Symptomen.

Die Borderline-Störung mit ihrer Instabilität zählt zu den „Cluster-B-Persönlichkeitsstörungen„, also zu den „dramatischen“ Persönlichkeitsstörungen – genau wie die narzisstische (Stichwort „Selbstverherrlichung“), die histrionische („Aufmerksamkeit heischend“) und die dissoziale („Rechte missachtend“) Persönlichkeitsstörung auch.

Ich oder der andere?

Psychoanalytiker (wie z.B. Otto Kernberg) sagen, dass das „frühe Ich“ (also das „Ich“ des Kleinkindes) sich selbst von anderen unterscheiden lernen muss. Manchmal fragen wir uns: Wer ist hier eigentlich schlecht gelaunt? Bin ich es, oder ist es der andere? Wie schwer diese Unterscheidung manchmal ist, hat wahrscheinlich fast jeder schon einmal im Streit erlebt. Gerade in der Psychoanalyse erlebt man, dass diese Unterscheidung auch nicht immer möglich ist (Anthony Bass, 2008: Whose Unconscious Is It Anyway? Psychoanalytic Dialogues).

Von den aufregenden Extremen hin zu den befriedigenden Mittelwegen

Wenn wir uns entwickeln, lernen wir auch, die Bilder, die wir von uns selbst und anderen haben, zunehmend zusammenzuführen und zu differenzieren. Vielleicht weißt Du, wie Du als Jugendliche oft zwischen den Extremen geschwankt bist – jeder ruhigere Mittelweg erschien Dir vielleicht langweilig. Doch im Laufe der Zeit lernst Du wahrscheinlich immer mehr die Tiefe der Dinge kennen, sodass das Gemäßigte und Ruhigere gar nicht mehr langweilig erscheint.

Ursprünglich gingen Psychoanalytische Kleinkindforscher (wie z.B. Melanie Klein) davon aus, dass das kleine Kind die eigene Mutter fast wie zwei verschiedene Personen wahrnimmt, wenn sie mal böse und mal gut ist. Dass die Mutter als ganzer Mensch sowohl gute als auch schlechte Seiten hat, muss das kleine Kind erst langsam begreifen. Ob und wie ihm das gelingt, hängt natürlich auch sehr davon ab, wie gesund die Mutter selbst ist.

Das Baby nimmt die Mutter auf gewisse Weise oft nur als „Teil-Objekt“ wahr, indem es quasi nur an ihrer „Brust“ (also an der Versorgung) interessiert ist. Auch unreife Beziehungen zeichnen sich dadurch aus, dass der eine den anderen nur zur eigenen Gefühlsregulation braucht. Wie es dem anderen geht, interessiert nicht wirklich. Gleichzeitig haben auch kleine Kinder von Anfang an auf gewisse Weise ein Gefühl für „das Ganze“. Dennoch zeigt sich in Psychoanalysen häufig, wie wir manchmal andere Personen nur wie einen Teil erleben, z.B. den Analytiker nur als jemanden, der uns beruhigt, aber nicht als jemanden, der ein eigenes Leben hat. .

Es ist häufig ein Zeichen der Ich-Schwäche, wenn wir unsere Welt oder andere Menschen überwiegend in „Gut und Böse“ spalten. Die Ursache liegt wahrscheinlich unter anderem darin, dass sich die Eltern widersprüchlich, bedrohlich und extrem verhielten. Wenn ein Kind z.B. von der Mutter Gewalt erfährt, kann es den Gedanken kaum ertragen, dass die Mutter, die gestern noch gut war, heute so böse und ablehnend sein soll. Die „Spaltung“ ist dann wie ein Schutz: Wenn die Mutter gerade gut ist, dann will das Kind nicht daran denken, dass sie auch eine vollkommen andere Seite zeigen kann.

Relativ viele Menschen mit einer Borderline-Störung hatten anscheinend Mütter, die sich widersprüchlich verhielten, aber sich in gleichzeitig in der Erziehung überengagierten (Sophia Bezirganian et al. 1993: The impact of mother-child interaction on the development of borderline personality disorder. American Journal of Psychiatry, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/8238639/).

Oftmals werden spezielle Therapieformen empfohlen wie die Übertragungsfokussierte Psychotherapie nach Kernberg (Transference Focussed Psychotherapy, TFP, analytisch), die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT, verhaltenstherapeutisch) oder die mentalisierungsbasierte Therapie (MBT, analytisch). Als Betroffene/r brauchst Du meiner Meinung jedoch nicht nach einer „speziellen Therapie“ Ausschau zu halten – wichtig ist, dass Du einen gut ausgebildeten und engagierten Psychotherapeuten oder Psychoanalytiker findest, zu dem Du – vielleicht über Jahre – eine stabile und vertrauensvolle Beziehung aufbauen kannst. In éiner Psychoanalyse kommen verschiedene Techniken ganz selbstverständlich zum Einsatz.

Gute Aussichten

Trotz aller Schwarzmalerei kannst Du auf eine positive Veränderung durch eine intensive Therapie hoffen. Allein schon das Älterwerden, also das Reifer- und Ruhigerwerden, führt häufig dazu, dass Borderline-Störungen sich abschwächen. Aus meiner Sicht hilft hier die Psychoanalyse am besten, weil sich in der jahrelangen Beziehung zum Psychoanalytiker die Chance ergibt, die psychischen Strukturen ausreifen zu lassen. Gut ist es auch, wenn Du dazu eine körperbetonte Meditationsform erlernst wie z.B. TaiChi oder Yoga. So kannst Du Dich dann so gut kennenlernen, dass Du innerlich langsam stabiler wirst. Der Analytiker (oder Yogalehrer) wird zu einem „inneren Vorbild“ und schließlich zu einer eigenen inneren „Struktur“ – zu einer wohlwollenden, tröstenden, schützenden und verstehenden Stimme.

Adressen von Psychoanalytikern gibt es bei der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychosomatik, Psychotherapie und Tiefenpsychologie, www.dgpt.de.

Verwandte Artikel in diesem Blog:

Quellen:

Anthony W. Bateman, Peter Fonagy:
Psychotherapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung.
Ein mentalisierungsgestütztes Behandlungskonzept

Psychosozial-Verlag, Gießen 2008

Birger Dulz:
Wut oder Angst – welcher Affekt ist bei Borderline-Störungen der zentrale? (PDF)
Persönlichkeitsstörungen, Schattauer-Verlag 1999; 3: 30-35

Bateman AW und Fonagy P (1999):
Effectiveness of Partial Hospitalization in the Treatment of Borderline Personality Disorder:
A Randomized Controlled Trial.

Am J Psychiatry 156: 1563-1569
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/10518167/

Bateman, Anthony und Fonagy, Peter (2001):
Treatment of Borderline Personality Disorder With Psychoanalytically Oriented Partial Hospitalization:
An 18-Month Follow-Up

Am J Psychiatry 2001; 158: 36-42
http://ajp.psychiatryonline.org/article.aspx?articleid=174538

Bezirganian Sophia, Cohen P, Brook JS (1993):
The impact of mother-child interaction on the development of borderline personality disorder.
Am J Psychiatry. 1993 Dec;150(12):1836-42
doi: 10.1176/ajp.150.12.1836. PMID: 8238639
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/8238639/

D. Sollberger, M. Walter (2010):
Psychotherapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung:
Gemeinsamkeiten und Differenzen evidenzbasierter störungsspezifischer Behandlungen
Psychotherapy of Borderline Personality Disorder:
Similarities and Differences in Evidence-Based Disorder-Specific Treatment Approaches
Fortschr Neurol Psychiatr, Thieme-Verlag 2010; 78(12): 698-708, DOI: 10.1055/s-0029-1245626

„In dieser Übersicht werden die vier wichtigsten störungsspezifischen Psychotherapien der BPS (Borderline-Persönlichkeitsstörung) ausführlich vorgestellt. Diese sind jeweils zwei verhaltenstherapeutisch orientierte Verfahren (Dialektisch-behaviorale Therapie, DBT; Schema-fokussierte Psychotherapie, SFT), und zwei psychodynamisch orientierte Ansätze (Übertragungs-fokussierte Psychotherapie, Transference-Focused Psychotherapy, TFP; Mentalisierungs-basierte Therapie, MBT).“

Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht im Dezember 2007
Aktualisiert am 20.10.2023

26 thoughts on “Die Borderline-Störung und der lange Weg zur Erleichterung

  1. Betroffener sagt:

    Ich möchte hier vor allem anderen Betroffenen Hoffnung machen und den Eltern, die hier sehr abwehrend auf die oft frühe Traumatisierung reagieren, die Augen öffnen. Selbst gehöre ich zu einer gefühlt eher seltenen Gruppe der Borderline-Patient*innen. Ich bin männlich und nicht wie oftmals vermutet (um die unterschiedliche Häufigkeit bei den Geschlechtern zu erklären.) straffällig geworden.

    Mein Erwachsenenleben verlief zunächst sehr krumm. Ausbildung, verschiedene Jobs, häufig wechselnde Sexualpartnerinnen, immer wieder sehr instabile Phasen, Suizidalität ohne Suizidversuch, Selbstverletzungen, Hochrisikoverhalten, beinahe psychotische Zustände. Ich erfüllte alle Diagnosekriterien.

    Heute mit 30 Jahren sieht es anders aus. Ich habe mein Abitur nachgeholt, stehe kurz vor dem Abschluss meines Studiums und auch mein Innenleben hat sich beruhigt. Zwar gibt es bei diagnostischen Tests noch Auffälligkeiten, ausreichend für eine Diagnose sind sie aber nicht mehr. Das verdanke ich meinem großartigen Therapeuten, der mich mit einer Schematherapie dabei begleitete, mich selbst kennenzulernen, mir eine beinahe buddhistische Grundeinstellung ermöglichte und den Ressourcen, die ich bereits mitbrachte. Ich war schon immer ein kompetativer Typ, der Herausforderungen gerne annahm und mir wurde von zuhause mitgegeben, dass ich offen zu mir stehen kann.

    Zuhause habe ich leider nicht nur Ressourcen mitgegeben bekommen. Es gab Gewalt. Ja, auch ein Klaps ist Gewalt. Es gab Entwertung. Es gab Instabilität. Es gab emotionale Erpressung. Es gab eine überforderte Mutter und einen durch Schichtdienst abwesenden Vater. Sie wissen heute, was sie falsch gemacht haben, weil ich für mich einstehen kann und ihnen als Erwachsener gegenübertreten kann. Und ich weiß, dass sie Produkt ihrer Erziehung sind und ihr Bestes gegeben haben. Früher dachten sie, ähnlich wie die Eltern, die hier kommentierten, dass sie daran gar nicht so beteiligt gewesen waren.

    Apropos beteiligt: Bei den hier kommentierenden Eltern lese ich oft Schuld und glaube eine gewisse drängende Angst aus den Zeilen entnehmen zu können. Schuld ist das falsche Wort. Es ist Verantwortung. Der konntet ihr nicht vollumfänglich nachkommen, weil eure Eltern der bei euch nicht vollumfänglich nachgekommen sind. Traumata werden durch Verhalten häufig weitergegeben. Auch bei mir finden sich in der Familiengeschichte einige Anhaltspunkte. An dem Umgang mit der Verantwortung, der hier vorzuherrschen scheint, könnte abzulesen sein, dass auch bei euch im Umgang mit Gefühlen Potenziale geblieben sind. Wie auch bei meinen Eltern, die die wohl nicht mehr ausschöpfen werden. Trotzdem habe ich heute eine gute Beziehung zu ihnen.

    Es gibt Wege raus aus dem Dauerstresszustand. Es gibt ein gutes Leben mit der Störung. Die Störung bietet die Chance, sich selbst so gut kennenzulernen, wie sich nur wenige kennenlernen dürfen. Ich bin mir sicher, dass ihr alle das schaffen könnt. Ich bin kein Einzelfall.

    Euch von Herzen alles alles erdenklich Gute! <3

  2. MissSchnuck sagt:

    Hallo. Ich erlebe auch, das „borderline“ nicht nur von Laien oder Angehörigen abfällig benutzt wird. Daher bin ich dankbar über diese sachliche Darstellung. Ich habe diese Diagnose nicht. Aber ich kenne das Wort als quasi Schimpfwort. Die Wissenschaft scheint mit diesem Thema in den Kinderschuhen zu stecken. Und das bei einem „Trend“, dass die Symptomatik inflationär zunimmt.
    Ich bete wirklich dafür, dass mehr Menschen sich fundierter mit dem Leiden beschäftigen und vor allem auch nicht gleich wieder draufhauen. Das haben Kranke nicht verdient und ist dem Trend nicht dienlich. Vielleicht kann man ja auch mal halbwegs reflektierte nicht-wirklich-Borderliner-die-aber-gerne-mal-in-die ecke-gesteckt-werden-und-dabei-gar-nicht-so traurig-über-eine-anständige-diagnose-wären konsultieren, wie es ihnen eigentlich so geht.
    Den erkrankten Kindern -habe die Kommentare überflogen- alles Gute!

  3. Jane sagt:

    Als Mutter eine erwachse BPD Tochter (adoptiert mit 12 Jahre aus eine Pädophilen Haushalt) könnte ich Bücher fühlen mit Schadensberichte von ihre Verhalten. Als Heilpädagogin und mein Mann Prof für Experimental Medizin waren wir erfahren mit Trauma und sind nicht einfach unbedacht an die Sache heran gegangen. Sie ist seit 5 Jahren in Therapie mit eine ärtzin die nur meine Tochter sieht und gar kein Interesse hat an den leid ihr Familie zugetragen hat. Ich bin immer wieder entsetzt wie wenig Familie und Partner war genommen werden, wir leiden täglich mit, lassen uns jeden schön Tag von deren „Zustand“ Steuern. Wir sind soweit das keiner der Geschwister wünscht sie zusehen an die Feiertage.
    Letzte Woche habe ich sie in der Klinik gebracht zum Beginn eine 12 wöchigen stationären Therapie. Ich würde da genauso behandelt wie bei ihre Ärztin, ich sollte sofort gehen und bekam nicht mal eine Telefonnummer und Ansprechpartner.
    Ich habe jeden buch gelesen dass es gibt ich habe gebettelt um Hilfe für die ganze Familie habe mich selbst in der Therapie begaben weil ich dachte ich werde verrückt aber Hilfe für die Familie die jeden Tag die Ausbrüche ausgesetzt sind scheint es nirgends zugeben. In alle Liebe und Verständnis es geht gar nicht dass jeder in eine Therapie alleine hockt. Ich baue früst ab die zu Hause sofort wieder drauf gelegt wird. Aber wegen zusammen aus der Hölle zeigt uns keine. Unsere Tochter erlaubt uns nicht mit Ärzte zusprechen. Wir hassen ihre Manipulation aber wir müssen uns jetzt selber retten und sind zum selben Taktik rübergegangenund Wir haben ihr gesagt keine Familien Ansatz in der Klinik kein Besuch und hinterher bist du alleine für dich verantwortlich. Was soll ich sagen, es wird sich nichts ändern außer dass mein Mann und ich uns freimachen und zu Ruhe kommen. Hierfür werden wir scharf verurteilt von Ärzte Und Klinik aber die gehen nach Hause nach ihren Dienst wir haben gar kein anderen Ausweg.
    Ich plädiere dafür dass es endlich anerkannt wird dass der BPD Therapie ist nur so gut wie der Hilfesystem außerhalb der Therapie macht man die systematisch kaputt wer soll noch Dasein um ein neu Anfang zu wagen?

  4. Claude sagt:

    Selbst wenn man Borderline heilen könnte (heilen kann man sowieso jede Krankheit irgendwie) ist das wohl grösste Problem, dass die wenigsten Borderliner wirklich einsichtig genug sind.

    Zudem: Die meisten Psychotherapien sind Schrott, denn sie beachten selten das wirklich zugrunde liegende Problem. Mit ein Bisschen reden und zuhören konnte noch nie eine Heilung stattfinden. Das Gehirn nimmt Veränderungen ohnehin nur in bestimmten Zuständen vor. Der richtige Zustand fehlt dem Therapeuten meist.

    Wer nach drei Jahren Psychtherapie immer noch nicht merkt dass was anderes besser wäre, oder kombiniert mit alternativen Methoden (weil die viel älter sind… die Urvölker wussten schon damals mehr wie es geht) der läuft weiterhin blind und verantwortungslos unher.

    Wenn die Psychotherapie statt zog neue Methoden ohne tatsächliche Erfahrungswert und mit möglichst komplizierten Name rausbringt, bezweifle ich, dass überhaupt jemals durch diese Verfahren je was geheilt worden sein soll.

  5. Red sagt:

    Hallo! Ich bin neu hier im Blog und suche Hilfe!
    Unsere Tochter (14) hat seit 3 Wochen die Diagnose Borderline. Wie gehen wir als Angehörige damit um? Unser Arzt hat uns geraten, eine Schule zu suchen, mit einer angeschlossenen Wohngruppe…. das fällt uns sehr sehr schwer, da wir ein inniges, liebevolles Verhältnis zu ihr haben.
    Wer kennt Adressen in/um Bonn?
    Herzlichen Dank
    Red

  6. Eine Mutter sagt:

    Meine 14 jährige Tochter befindet sich seit 2 Monaten nach 2 Krisenaufenthalten in stationärer Therapie mit deutlichen Borderline-Symptomen, jedoch aufgrund ihres jungen Alters nur mit Verdachtsdiagnose.
    Die Impulsivität hatte sie schon als Baby, als sie 13 Monate alt war, wurde durch einen Notfall-Krankenhausaufenthalt meinerseits abrupt abgestillt, einige Monate später musste sie wegen wässrigen Durchfällen ins Krankenhaus in ein Einzelzimmer, in dem ich sie zum Einnehmen meiner Mahlzeiten 3x tägl. fast eine Stunde allein lassen musst – fixiert, damit sie sich den Venenzugang nicht zieht. Sie hat die ganze Zeit geschrien. Dort wurde ihre Hautpflege (Neurodermitis) derart ungünstig verändert, dass sie ein halbes Jahr lang unter schwerster Symptomatik litt, erst danach bekamen wir es in den Griff.
    Sie hatte aber fast seit der Geburt starke Neurodermitis, so dass sie ab einem Alter von 5-6 Wochen hochdosiert Fenistil-Tropfen bekam, in deren Beipackzettel habe ich kürzlich gefunden, dass sie sehr kleine Kinder erregbar machen.
    Im Kindergarten freundete sie sich eng mit einem Mädchen an, dass nach 1 guten Jahr wegzog. Die neue Freundin war schon nach ein paar Wochen weg. Sie freundete sich mit den „großen“ Mädels an, als die eingeschult wurden, gab es keine Mädchen mehr für sie in ihrer Gruppe. Dann befreundete sie sich eng mit einem Jungen, nach einem halben Jahr wurde er krank – Krebs. Bis zur Schule spielte sie mal mit dem einen, mal mit dem anderen Jungen. Beide Erzieherinnen verließen noch vor ihr die Gruppe, aus gesundheitlichen Gründen, eine war psychisch erkrankt.
    In der Grundschule waren die Kontakte zu anderen Kindern nur noch locker, nachmittags traf sie sich selten. Aber sie liebte ihre Lehrerin. Doch die wurde nach der zweiten Klasse pensioniert. Meine Tochter konnte sich nicht mehr an die neue Lehrerin gewöhnen. Zusätzlich kamen die Mädels ins „Zickenalter“, die Vorpubertät. Meine Tochter fühlte sich oft abgelehnt und hatte 2 Jahre lang chronische Bauchschmerzen. Ihre körperliche Leistungsfähigkeit nahm stark ab, sie konnte sich nicht mehr für Sport begeistern, auch begannen in dieser Zeit Schlafstörungen. Nach dem Wechsel afs Gymnasium schien alles wieder besser, in der 6. Klasse hatte sie jedoch eine echte kleine depressive Episode von 3 Wochen, als sie Streit mit ihren Freundinnen hatte.
    Vor einem guten Jahr ging es ihr jedoch sehr schlecht, aber sie sprach nicht darüber. Sie begann sich zu schneiden, hatte suizidale Gedanken, fühlte sich im Alltag ünerfordert, die Noten fielen rasant in den Keller.
    Möglich, dass die Neuordnung der Klassen (aus 3 mach 2) der Anstoss dazu war, oder die Pubertät. Am 1. April wurde sie mit konkreten Suizidplanungen eingeliefert, nach 6 Tagen entlassen. Ambulante Therapie hatte sie dann ab Ende Juni, Ende August gabe es einen überlebten Suizidversuch, und darauffolgend 5 1/2 Wochen Aufenthalt. Nun noch bis Ende Februar stat. Therapie .
    Ihre 3 Geschwister sind gesund, ein Trauma ist nicht erkennbar, wir sind eine normale Familie und ich kümmere mich vollzeit um meine Kinder.
    Ich wollte aufzeigen, dass es auch solche Verläufe gibt, ohne „Schuldigen“ oder „mißglückte Kommunikation“.
    Aber vielleicht habe ich ja selber eine Störung, von der ich nur nichts weiss, und es ist reines Glück, dass die anderen Kunder gesund sind.
    Nun, ich werde es herausfinden, denn ich begebe mich jetzt selbst in Behandlung, da die Belastungen mich an meine Grenzen führen.

  7. Svea Kerling sagt:

    Ich bin alleinerziehende „Borderlinerin“. Ich bin durch die Hölle gegangen. Für meine Kinder stand ich immer wieder auf und suchte den Weg raus. Immer wieder werfe ich einen Blick in den Abgrund, doch ich springe nicht.
    Kraft und vor allem Mut, andere, neue, Wege zu gehen, retteten mich. Retteten meine Kinder. Doch ich darf nicht müde werden und muss mich in Acht nehmen. Vor meinen inneren Dämonen. Mein Kompliment für Ihre Seite. Klar und nachvollziehbar gestaltet. Tolle Artikel ohne Gefühls-Chaos. Liebe Grüße, Svea

  8. Meiko sagt:

    Schön endlich mal einen konstruktiven Beitrag zu diesem Thema zu lesen. Der Artikel ist sehr interessant. Insbesondere da auch andere Therapieformen wie die TFP und die Mentalisierungsgestützte Psychotherapie erwähnt werden.

  9. u. brunner sagt:

    Guten Tag Frau Voss,

    meine Tochter schneidet sich seit ihrem 16. Lebensjahr, anfänglich habe ich die verbluteten Taschentücher nicht einzuschätzen gewusst. Bis ich mir im klaren war, dass sich meine Tochter selbst verletzt und zusätzlich in der Schule ( Gymnasium) Cannabis konsumiert, war sie fast 17 Jahre alt. Außer, dass ich geschieden bin und dass man auf Grund der Scheidung sicherlich Traumata in der Kindheit meiner Tochter finden würde( die sich meiner Meinung nach sehr in Grenzen hielten- guter Kontakt zum Vater, keine Streitigkeiten, keine fin. Probleme).
    Ich habe dann versucht alle mir möglichen Hebel in Bewegung zu setzen…Kontakt mit der Schule, Psychologe, Therapieplatz.
    In der Schule sagte man mir, viele Kinder seien vom ritzen betroffen, meine Tochter wurde dann für eine Therapie freigestellt.
    Die Psychologin war irgendwie überfordert und fragte uns bei dem Termin was wir meinen was sie denn jetzt tun solle!
    Nach Monaten des Wartens kam der ersehnte Therapieplatz in der Uniklinik Freiburg, eine DBT Therapie sollte es sein und alle Hoffnung lag auf dieser Behandlung.
    Man muss sagen, dass durch die Erkrankung meiner Tochter die eigentlich funktionierende Familie völlig zerrüttet war. Jeder schob dem anderen die Schuld für die Erkrankung zu und es machte sich eine allgemeine Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit breit.
    Ich brachte meine Tochter morgens in die Klinik, sie war bei Antritt 17 Jahre alt. Da sich der Therapiebeginn um den Zeitraum ihres Geburtstages befand, war die Klinik etwas uneins, welche Abteilung nun zuständig sei.
    Am Nachmittag stand sie zuhause vor der Tür.
    Voraussetzung für denTherapieantritt war eine Cannabisabstinenz von 6 Wochen. Diese hatte sie nicht eingehalten.
    Daraufhin wurde mein Kind ohne mich zu informieren, ohne Handy und ohne Geld einfach nach Hause geschickt!
    Sie kam mittags verzweifelt zuhause an und beschloss zu keinem Therapeuten mehr zu gehen.
    Auf nachfragen meinerseits in Freiburg, gab man man mir zur Antwort, man stehe unter Schweigepflicht!
    Nach einem Jahr der „Auszeit“, sie lebte mit Freunden im Wald usw.
    lebt sie seit 2 Jahren wieder in unserer Familie, Voraussetzung meinerseits war der Aufenthalt in einer Entziehungsklinik. Waren damals nur die Beine zerschnitten, sind nun Arme und Bauch mit schweren Schnittwunden hinzugekommen.
    Augenscheinlich läuft alles im Moment ganz gut, sie besucht die 12. Klasse eines Gymnasiums und ist medikamentös eingestellt.
    Ich schreibe Ihnen um Ihnen auch die Sichtweise einer Angehörigen aufzuzeigen, um mir mal Luft zu machen, denn nicht mal im Freundeskreis kann man diese Problematik thematisieren.
    Ich finde es furchtbar, dass die Schuld immer bei der Mutter gesucht wird, dass niemals auch auf die Not von Angehörigen aufmerksam gemacht wird, die unter der Situation leiden. Die Narben meiner Tochter sind wie Schnitte in meinem Herzen, immer und immer wieder Frage ich mich nach dem warum.
    Durch die Erkrankung zerbrechen Partnerschaften, es geht Vertrauen innerhalb der Familie verloren, weil jeder sich fragt, ob der andere etwas falsch gemacht hat.
    Ich habe meine Tochter ein Jahr gestillt, sie musste sich meine Liebe mit ihren Geschwistern teilen, sie hatte alle Möglichkeiten, von Reiten, Schwimmen, Musizieren , Urlaube an der See und in den Bergen und dennoch ist sie schwer krank.
    ich möchte einfach mit meinem Bericht verdeutlichen, dass es vielleicht auch Betroffene gibt, deren Eltern keine Schuld tragen! Das ermöglicht auch die Chance offen an dieses Thema heranzugehen und Eltern werden von der Last befreit, sich mit der Diagnose ihres Kindes verstecken zu müssen, da sie ja vermeintlich Schuld daran tragen.
    Meine Tochter meint, wenn ich nicht damit klar käme, dass sie sich ritzt, solle ich mal zum Therapeut.
    Freundliche Grüße
    Ulrike B.

  10. Dunja Voos sagt:

    Liebe K.T.,

    die Information, dass die missglückte Mutter-Säuglings-Kommunikation die Entstehung einer Borderline-Störung begünstigen kann, habe ich aus verschiedenen Büchern. Sie können das z.B. in der Literatur von Peter Fonagy und Kollegen finden. Hier eine Quelle aus dem Jahr 2003:

    Fonagy, Peter; Target, Mary; Gergely, George; Allen, Jon G.; Bateman, Anthony (2003):
    The Developmental Roots of Borderline Personality Disorder in Early Attachment Relationships:
    A Theory and Some Evidence.
    Psychoanalytic Inquiry: A Topical Journal for Mental Health Professionals
    Volume 23, Issue 3, 2003: 412-459
    http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/07351692309349042#.UqqyuPQkK7s
    „We interpreted these results as supporting Gergely and Watson’s notion of
    the mother’s face being a secondary representation of the infant’s experience.“

    Diese Informationen finden Sie auch in dem Buch:
    Fonagy, Peter; Gergely, György; Jurist, Elliot L.; Target, Mary (2004):
    Affektregulierung, Mentalisierung und die Entwicklung des Selbst
    Klett-Cotta, Stuttgart, 2004
    http://www.klett-cotta.de/buch/Psychoanalyse/Affektregulierung_Mentalisierung_und_die_Entwicklung_des_Selbst/5368

    Viele Grüße
    Dunja Voos

  11. K.T. sagt:

    Hallo Frau Voos,
    Sie schreiben u.a.:

    „Ursache ist anscheinend unter anderem eine missglückte Kommunikation zwischen Mutter und Säugling bzw. zwischen Mutter und Kind in den ersten Lebensjahren“.

    Darf ich erfahren, woher Sie diese Theorie haben? Ich finde sie sehr interessant und würde gern mehr die These erfahren! Ich selbst war vor über 10 Jahren 3 Monate in einer stationären Psychotherapie. Dort wurde diagnostiziert, dass bei mir eine „milde Form“ von Borderline vorliegt. Zur Ursache sagte meine Einzeltherapeutin u.a.:

    „Das mit Ihrer Mutter und Ihnen ist irgendwie aneinander vorbei gegangen“

    Da ich äußerlich eine relativ behütete, einigermaßen intakte Kindheit hatte, suche ich immer noch der Erklärung für meine Entwicklung. Es würde für mich ein Stück „Identität“ bedeuten, mehr in dieser Richtung zu erfahren. Dazu wäre es hilfreich, die Herkunft der oben zitierten Theorie zu kennen.
    Gruß aus Brandenburg, K.T.

  12. Mell sagt:

    Hallo liebe Frau Voos,

    ich danke Ihnen sehr für diesen unwahrscheinlich wichtigen und vorallem richtigen Beitrag.
    Selber bin ich ebenfalls von dieser Störung betroffen – die Diagnose hierzu bekam ich erst im letzten Jahr gestellt. Ich empfinde da ähnlich wie Sie es in Ihrem Artikel erfasst haben, wenn das nötige Eigeninteresse besteht, steht einer „Heilung“ nichts im Weg. Sicherlich ist dieser oftmals am Anfang recht kompliziert und extrem steinig, aber das war mein Leben z.B. vor der Diagnose-Stellung ja auch schon :-)
    Jetzt wo das ganze für mich einen Namen hat (nach nunmehr 32 Jahren) kann ich ENDLICH gezielt mit mir und an mir abreiten und ich bin unendlich froh, für jeden neuen Tag und für jede neue Chance die ich erhalten darf um gesund zu werden. :-)

  13. mind your head sagt:

    @fugere-solus
    Danke für Deinen tollen Kommentar.

    Auch ich glaube nicht, dass jeder BL unbedingt in eine Therapie oder gar Klinik gehören, aber bei extrem ausgeprägten Schüben mit (selbst-) verletzendem Verhalten gibt es wohl kaum eine Alternative.
    Selbstbetrachtung:
    Ich selber erlebe mich als ausgesprochen sensiblen Menschen, der ständig um die „innere Mitte“ kämpfen muss.
    Vermutlich ist dieser Kampf Ausdruck einer Unfähigkeit, aber auch einer infantilen „Unwilligkeit“ zur Festlegung eines „Ich“.
    Soziale Kontakte sind hierbei ein echtes Problem, weil ich mich einerseits wie ein „offenes Buch“ fühle und ständig versucht bin, anderen nahezubringen was ich fühle, andererseits das Gegenüber nicht selten erschreckt feststellt, dass ich hierbei z.T. sehr tief in ihnen selbst verborgene Gedanken und Gefühle anspreche, die ich ab und an auch (unbewusst, oder bewusst manipulierend) „verzerrt“ wiedergebe.
    Das bleibt nicht ohne Folgen, denn wer hat schon Lust, sich bloßgestellt, oder manipuliert zu fühlen.
    Mehr oder weniger „harte“ Zurückweisung ist die Folge und da ich ja ein „offenes Buch“ bin, wissen die meisten ja auch, wo sie mich „hart“ treffen können.
    Eine Folge solcher Erfahrungen ist, dass ich immer wieder versuche mich zurückzunehmen und die Grenzen anderer Menschen mehr zu respektieren. Echte Schwerstarbeit, die Andere überhaupt nicht verstehen und auch nicht nachvollziehen können. Dass ich bei der Wahrnehmung zwischenmenschlichen Beziehungen immer unter einer gewissen Anspannung stehe, verstehen viele lediglich als „Unkonzentriertheit“ (Du hörst mir ja gar nicht zu!), oder Begriffsstutzigkeit.
    Vermeiden will ich Kontakte dennoch nicht, denn die Hoffnung auf halbwegs intakte Freundschaften und engere Beziehungen, will ich nicht aufgeben, aber vermeiden, dass ich ihnen „hinterherlaufe“.
    Eine starke Zurückweisung des Gegenüber führt für mich nicht selten in eine emotionale Achterbahn, in einen „Spiegelpark“ ohne Orientierung (das eigene „Ich“ ist ja nicht klar definiert), in einen „Irrgarten“ eigener und (rück-)übertragener Emotionen (Hamsterrad). Der Kampf um die eigene Mitte (Balance) äußert sich körperlich mit „Bauchschmerzen“. Ich fühle mich wie eine wild rotierende Kompassnadel, die „aufgespießt“ versucht, eine Richtung zu finden. Jeder soziale Kontakt beeinflusst mich viel stärker, als dies „normalerweise“ der Fall ist.
    Eine Art „Über-Ich“, dass all dies beobachtet (Observer) verstehe ich als den „erwachsenen Menschen“ der Gegenwart. Er sieht sich weitgehend machtlos gegenüber dem „festsitzenden“, „infantilen“ Persönlichkeitsanteil (Kind). Der infantile Persönlichkeitsanteil sieht sich getrennt vom Einfluss der „Realität“, was durchaus positive Eigenschaften wie „ungehemmte“ Entfaltung von Phantasie, Kreativität, Einfühlungsvermögen… zur Folge hat. Negativ wird das Gefühl unendlicher „Einsamkeit“ und eines sich nicht „verbunden“ Fühlens erlebt (keiner will mit mir spielen). Von anderen (vielleicht auch nur von mir selbst) werden die z.T. infantil „zügellos“ erscheinenden „Überreaktionen“ äußerst negativ empfunden. Der Versuch, dies zu kontrollieren führt nicht selten in eine Verstärkung bis hin zu einer vielgestaltigen „Entladung“.
    Ein Weg:
    Ich glaube, dass eine klinische Therapie nur in den eingangs erwähnten Fällen notwendig ist.
    In vielen Fällen wissen die Betroffenen (der Observer) wahrscheinlich sehr gut, was hilfreich sein könnte.
    Was Sie daran hindern könnte etwas zielführendes zu unternehmen, sind z.T. übertragene Handlungsmuster Dritter (z.B. Eltern), aber auch all die „nützlichen“ Fähigkeiten, die sich aus der „Störung“ „ergeben“ haben (z.B. die Fähigkeit, Andere zu manipulieren, oder Anderen die „Verantwortung“/“Schuld“ für das eigenen Denken und Handeln unterzuschieben).
    Der Observer (das Über-Ich) muss zunächst anerkennen, dass er ganz allein für eine andere (gesündere) „Erziehung“ seines infantilen „Ich-Anteils“ „verantwortlich“ ist und sein „verkorkstes“ Kind zunächst bedingungslos akzeptieren.
    Ich nenne das „Abholen“ im Sinne von „an der Hand nehmen“ und vielleicht sogar „Umarmen“.
    Ein spezialisierter Therapeut kann hierbei hilfreich sein, insbesondere wenn das „Kind“ aus einem besonders einschneidenden Kindheitstrauma „abgeholt“ werden muss. Eine Re-Traumatisierung muss in solchen Fällen unbedingt vermieden werden, was sehr hohe Ansprüche an den Therapeuten (z.B. eigene Tagesform beachten) stellt. Eine emotionale Bindung zwischen P. und T. darf meines Erachtens keinesfalls entstehen.
    Es muss für beide Seiten strikt vereinbart gelten, dass der Therapeut sich schlicht als „Werkzeug“ zur Verfügung stellt und jeder Manipulationsversuch, oder emotionale Annäherung an die Persönlichkeit des Therapeuten zum Abbruch führt (Finger weg!).
    Mein Weg:
    Ich halte das rein kognitive Bearbeiten der „Störung“ zumindest in meinem Fall für falsch.
    Die „Trennung“ von „Kind“ und „Observer“ äußert sich bei mir in „Bauchschmerzen“ („gestörte“ Mitte).
    Was liegt also näher, als dem „Kind“ z.B. den körperlichen „Persönlichkeitsanteil“ und dem „Observer“ den kognitiven Anteil (Geist) zuzuordnen und diese „Teile“ in einer „ganzheitlichen“ Weise („ganzheitliche“ Therapie, oder Selbsttherapie) zusammenzuführen?
    BL sind doch nicht selten „Meister“ der Übertragung (auf Andere).
    Wenn ein BL den eigenen Körper (Rolle: das Kind) zunächst vorbehaltlos akzeptiert (Rolle: Observer) und erst dann „positive“ (körperliche) Veränderungen/Selbsterfahrungen behutsam, aber zielbewusst herbeiführt, erscheint mir das als ein gangbarer Weg der „ICH-Bildung“. Wichtig ist hierbei, sich jeden Exzess zu verbieten und vorab für ein „geschütztes“ Umfeld zu sorgen.
    Mir persönlich hilft es, schwimmen und/oder in die Sauna zu gehen, oder in einem gut geschützten Umfeld an „Kuschelveranstaltungen“ (mit strikten Verhaltensregeln und auch Veranstaltern die sie durchsetzen) teilzunehmen.
    Hilfreich erscheint mir alles, was Körper und Geist zusammenführt, ohne sich dabei in den alten Mustern der Emotions-Übertragung auf andere zu verfangen. Selbstdisziplin ohne übertriebene Selbstkontrolle zu entwickeln, sowie jede Form von Übertreibung zu vermeiden scheint mir die Herausforderung.
    Ein wenig weniger Phantasie und Kreativität, etwas weniger Freiheit (sowohl die eigenen Grenzen als auch die der anderen achten) tausche ich gerne ein, gegen ein wahrhaftiges, ungeteiltes „ICH“.
    Borderline ist aus meiner Sicht keine „echte“ „Störung“, sondern eher einer von vielen „überspitzten“ Ausdrücken für eine „bildungsgestörte“, völlig „verkopfte“ Gesellschaft.
    Die „Schuldfrage“ verbietet sich. Statt hochsensible Menschen auszugrenzen, erscheint es weit sinnvoller, ihre durchaus „positiven“ Fähigkeiten in geeigneter Weise in die Gesellschaft zu integrieren.

  14. fugere-solus sagt:

    Ich finde ja nicht das man Menschen analysieren sollte. Denn nur dadurch ist die Gesellschaft heute so wie sie eben ist.
    Abgesehen davon finde ich das Borderliner nicht in Kliniken gehören in denen man lehrt : Du musst gesund werden um weiter zu kommen in deinem Leben.
    Das mit dem „gut“ und „böse“ denken oder „bin ich es oder du der hier etwas falsches macht oder sagt“ kenne ich zu gut. Aber man lernt damit umzugehen. Ich habe mir praktiken angeeignet die zwar nicht immer helfen,aber eben immer öfter. Ganz ohne Therapeutische Maßnahmen.
    Ich selbst habe BL,und komme auch nicht immer damit zurecht. Wir haben es nicht einfach mit anderen Menschen und schon gar nicht mit uns. Gedanken sind unser wichtigstes gut und wenn dieses denken nicht mehr so Funktioniert wie wir es gerne hätten,versuchen wir das was wir oft in den Gedanken schaffen anders zum „Ausdruck“ zu bringen. Damit meine ich unter anderem den drang sich den wichtigsten Menschen mitzuteilen,ihnen zu versuchen zu erklären wieso man gerade mal keine Antwort darauf hat warum es einem schlechter geht als kurze zeit zuvor. Dadurch das wie ich finde BLer sehr Intensiv Fühlen und demnach auch Denken und man in einer Gedankenblockade festsitzt die sich nur lösen kann wenn man immer wieder versucht auf die Gedankenfetzen zuzugreifen,empfinden Menschen die eben nicht immer mit diesen Intensiv Impulsiv geführten Verhaltensweisen konfrontiert sind,es schnell als Aufdringlichkeit des anderen wenn dieser versucht all das zu vermitteln was er fühlt und denkt. Und gerade weil ich als BLer so oft mit diesen Menschen zutun habe,fühle ich mich erst im stich gelassen oder unverstanden. Und erst dann entwickelt sich der endlose Teufelskreis,in dem man fest sitzt.
    Analyse hat Borderline erst zu einem schreckensbild gemacht.
    Wissenschaft sollte für mich greifbar sein,und die Seelische verfassung des Menschen kann man nicht greifen. Borderliner sind sehr Sensibel und Feinfühlig was das fühlen anderer betrifft. Nicht immer sind wir es die unbewusst oder bewusst dem anderen Menschen zum Teil unseres Lebens machen,sondern „Gesunde“ Menschen sind es die sich zu einem Teil unseres Lebens machen,weil alle Seelische Krankheiten eben schon so zu ende Analysiert sind,das sie keine andere möglichkeit mehr haben als nach dem zu handeln was sie immer zu lesen.
    Und eigentlich ist es doch viel wichtiger zu wissen das jeder Mensch seine eigene Einstellung hat,diese aber leider immer weniger zum tragen kommt weil man mit der Zeit verlernt eben diese innere Einstellung nach außen zu tragen.
    Deswegen ist für mich jeder Mensch ein wertvoller bestandteil.
    Ich glaube einfach das Kliniken nicht geschaffen sind für Menschen die die Freiheit lieben. Und leider wird viel zu früh auf solche Dinge zurückgegriffen und leider ist es auch so das man dadurch viel zerstören kann.

  15. Therapie-Erfahrener sagt:

    Jetzt wirds langsam kriminell: Es ist unverantwortlich Bordeliner im Jahre 2013 noch eine Psychoanalyse zu empfehlen. Borderlinern fehlt es ja geradezu an vernünftigen Abwehr und Verdrängungsmögllichkeiten. Weil Sie diese nicht richtige gelernt haben neigen Sie zur Spaltung. Sowas kann man doch nicht ernsthaft mit eine „Therapie“ behandeln die ständig darauf aus ist die Abwehr noch weiter zu schwächen. Psychoanalyse wie viele anderen „Tiefenspsychologien“ gehen davon aus, dass das in der Therapie aufgedeckte automatisch verarbeitet wird. Das ist gerade bei eingigen Störungen der Verhärtung wie PTBS oder Depression nicht der Fall, diese Leute neigen dazu sich immer weiter rein zu steigern, noch mehr Aufdeckungen giessen hier Öl ins Feuer.
    Übrigens: Ich würde hier nicht sitzen und schreiben hätte mich meinen Analytiker 100% vertraut, deren zum Teil monströse Deutungen hätten mich zum Suizid regelrecht gezwungen.
    Bei Borderline wenn schon integrative Therapien die stützende VT-Massnahmen mit Tiefenspychologie verbinden. Viele davon enthalten auch Hypnotherapie, die aber bei Leuten die mal Psychose hatten kontraindiziert ist, wird nun durch eine falsche Therapie so eine Psychose induziert ist der Heilungsweg dadurch mit Hilfe von Hypnotherapie auf lange Zeit verbaut.
    Also erst mal nachdenken welche Therapie man macht und nicht auf irgendwelche Ideologien von Therapeuten vertrauen, sondern das wählen was wirklich hilft, auch wenn es bestimmten lieb gewonnenen Theorien widerspricht. Ein Analytiker darf übrigens gar nicht helfen, das verbietet die „Abstinenzregel“:

    http://www.sgipt.org/th_schul/pa/glossar/abstin.htm

  16. Dunja Voos sagt:

    Hier noch ein Kommentar von einem Schreiber, der anonym bleiben möchte:

    „An einer Stelle möchte ich jedoch einen kleinen Widerspruch erheben. Versucht man die wirklichen Wünsche des BL zu ergründen, geht ein „Spiel“ los, dass nur schwer erträglich ist.
    Der andere Part muss sich dann dauernd fragen, „Was möchte er (sie) denn nun.
    Damit aber blockiert ein „normal“ (aber wer ist schon normal?) denkender Mensch sich selbst.
    Die Gedankengänge sind wirklich manchmal so abstrus, dass man leicht einen halben oder ganzen Tag damit verbringen kann, hinter die Gedankenkette zu kommen. Denn so einfach, wie es vielfach beschrieben wird:
    „Tue einfach das Gegenteil, dann liegst Du richtig!“, ist das wahrlich nicht.
    In vielen Situationen stimmt dieses Verhaltensmuster zwar, aber damit wird man dem Problem nicht gerecht.

    Schafft man es den Wirklichen Wünschen des BL halbwegs nahe zu kommen, entsteht die zweite Schwierigkeit.
    Erfüllt man mehr oder weniger den wahren Wunsch des BL, legt der BLer sofort nach.
    Er hatte mit seinem Verhalten Erfolg und wurde belohnt. Es stimmt, für den kurzen Augenblick hat man Ruhe.
    Der Druck lässt wirklich nach und ein sonniger Mensch strahlt Dich an.
    Tja, wenn da nicht die nächsten Stunden, Tage oder Wochen wären!
    Denn dann wird „hochgerüstet.“. Die Latte wird höher gehängt.

    Vielleicht kann man sich das ja mit dem (falschen) Idealbild von Liebe erklären. Er, (sie) muss alles für mich tun. Sonst liebt er (sie) mich nicht. Und plötzlich steckt man im Teufelskreis. Schafft man es, den Wünschen zu genügen, werden die Anforderungen immer und immer höher geschraubt. Nur wenn man radikal „Nein“ sagt, kann man das Anforderungsniveau halbwegs halten. Nachteil ist dann eben nur, dass der BL einem vorwirft, mann sei faul, unwillig oder liebe ihn nicht.

    Und da man als Partner ja auch nicht zu erkennen geben darf, dass man die Schwäche des anderen erkannt hat, ist das immer wieder eine Gratwanderung.“

    Ein Kommentar von „anonym“, 12.6.2013

  17. Dunja Voos sagt:

    Lieber Herr Altenberg,

    die Info, dass Borderline-Patienten oft vor der Psychose stehen, aber eher selten psychotisch werden, habe ich aus Vorlesungen und Lehrbüchern. Psychose-nahes Erleben kennen glaube ich viele Menschen. Die Betroffenen sagen oft, dass sie Angst haben, gleich verrückt zu werden. Sie haben das Gefühl, dass ihnen alles fremd erscheint. Oder sie empfinden eine große Angst, die sie nicht näher benennen können und bei der es keine Beruhigung zu geben scheint. Nicht selten haben Menschen mit einer Angststörung ja auch eine Borderline-Persönlichkeitsstörung. Ich kenne auch Betroffene, bei denen ein Psychiater die Diagnose „Psychose“ gestellt hat, wohingegen andere Therapeuten diese Diagnose wieder anzweifeln. Es ist also auch nicht immer leicht, klar einzuteilen, ob ein Erleben schon psychotisch ist oder noch nicht. In der Regel aber können Patienten mit der Diagnose „Borderline“ den Bezug zur Realität halten.

    Viele Grüße
    Dunja Voos

  18. Felix Altenberg sagt:

    Guten Tag Frau Dr. Voos,

    Sie schreiben in Ihrem interessanten Beitrag über Borderline, dass die betroffenen Patienten oft kurz vor der Psychose stehen, aber meistens nicht psychotisch werden. Darf ich fragen, ob und wo es dazu nähere Informationen (Buch, Artikel, …) gibt bzw. woher Sie diese Information haben? Wie weiß man, dass Menschen kurz vor der Psychose stehen, wenn sie eben nicht psychotisch werden. Oder anders gefragt, woran macht man das fest, dass sich jemand mit Borderline-Symptomatik psychosenah erlebt?

    Danke für Ihre Antwort & schöne Grüße,
    FA

  19. Dunja Voos sagt:

    Vielen Dank für Ihren Kommentar (9.6.2013, 23.14h),
    ja, das stimmt. Die „gute Seite“ der von einer Borderline-Störung betroffenen wird oft nicht erwähnt.
    Interessant finde ich auch, dass Sie schreiben: „Es ist nur schwer (oder fast nicht) möglich, die Anforderungen des BL zu erfüllen.“ Das lese ich auch immer wieder in Lehrbüchern: Der Borderline-Patient habe hohe Anforderungen und fresse den anderen damit fast auf. Auch hier glaube ich, werden die Betroffenen missverstanden. Es ist wie bei einem Baby oder Kleinkind: Wenn man nicht richtig deutet, was es wirklich braucht, wird es immer lauter und fordernder. Findet man aber heraus, was das wirkliche Bedürfnis ist, dann treten sofort Erleichterung und Ruhe ein. Ich glaube, diese scheinbar großen Forderungen entstehen aus einem Mangel heraus – aus einem Mangel an wirklichem Verstehen und damit aus einem Mangel an echter, befriedigender Beziehung.

  20. Unknown sagt:

    Ich möchte mal eine Lanze füt die Betroffenen brechen.

    Bler sind oftmals unheimlich tolle Charaktere.

    Natürlich bezahlt man als Dritter an deren Seite dafür einen hohen Preis.

    Unsicherheit, Zweifel, manchmal an der eigenen Identität.
    Trotzdem existiert an Deiner Seite ein unheimlich wertvoller Mensch.

    Die helle Seite seines Charakters möchte man, wenn man ehrlich zu sich selbst ist, nicht missen.

    Die dunkle ist schwer zu ertragen, das stimmt wohl.

    Die „Ohnmacht“ kommt doch aber ein Stück auch aus einem selbst.
    Man kann wirklich nicht viel tun.

    Und irgendwann ist die eigene Energie am Ende.
    Und Selbstschutz in einer solchen Situation heisst nicht, dass der BL schlecht ist.
    Im Gegenteil. Es ist nur schwer (oder fast nicht) möglich, die Anforderungen des BL zu erfüllen.

    Das ist auch eine Gratwanderung für den Partner.
    Der sollte nur lernen, Härte ( die eigentlich gar keine ist ) mit Härte ( die der Partner ja gar nicht will )
    zu beantworten.

    Das ist ganz schwierig, ist mir klar. Aber ich glaube, einen anderen Weg gibt es wohl nicht.
    Und trotzdem ist dieser BL.Mensch ein besonders liebenswertes Wesen.

    Das muss man nur sehen und erfahren können.
    Auch wenn es an den Rand der Selbstaufgabe geht ( Co Abhängigkeit )

    Da abzugrenzen ist verdammt schwer.

    Und wer ist in der Lage, „Geschichte“ so auf zu arbeiten, dass das Leben für den BL selbst erträglich wird?

    Freundliche Grüße

  21. Dunja Voos sagt:

    Liebe Swantje,

    darf ich einmal fragen, woher Sie die Information haben, dass eine Heilung bei der Borderline-Störung nicht möglich sei? Das sehe ich selbst nämlich ganz anders. Eine psychoanalytische Therapie kann durchaus tiefgreifende Veränderungen bewirken. Es ist dann auch möglich, dass die Kinder der Betroffenen psychisch gesund bleiben. Der britische Psychoanalytiker Peter Fonagy hat zur Psychotherapie der Borderline-Störungen viele gute Bücher und Beiträge veröffentlicht (z.B. siehe hier: „Psychotherapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung, https://www.medizin-im-text.de/2010/8602/buchtipp-psychotherapie-der-borderline-personlichkeitsstorung/).

  22. Swantje sagt:

    Einige ergänzende Aspekte: Eine richtige Heilung ist nicht möglich; nur eine verbesserte Lebensführung. Es gibt Erfahrungen zu älteren Frauen mit Borderline und vor allem zu Menschen mit BL, wenn diese Eltern sind: Die Traumatisierung der Kinder geht dann nämlich weiter, und die Kinder haben dann auch wieder psych. Störungen wie Angststörungen, Essstörungen, PTBS, Borderline, DIS usw.

  23. Christine sagt:

    Den Artikel finde ich sehr gut beschrieben,ich selber ( leide ) an Borderline
    meine Stimmungsschwankungen und das Negative Denken machen mir
    schwer zu schaffen.
    Ich versuche Positiv zu denken wenn die bösen Gedanken kommen,
    nur gelingt mir das nicht immer.
    Mache eine Therapie im Dezember wo der Therapeut auch im
    sexuellen Bereich arbeitet,wo ich massive Probleme habe.
    Ob es heilbar ist, in 20 Jahren bin ich dann 68 Jahre ,mal schauen.
    da es ja keine Erfahrungen gibt mit Älteren Menschen

  24. Dr. Weidert sagt:

    Wichtig erscheint mir der Hinweis, dass traumatherapeutische Verfahren bei der Borderline-Störung durchaus Heilung bringen können. Ein Buch mit einem sehr guten Ansatz ist: Borderline – Heilung ist möglich von dem bekannten Angsttherapeuten B. Pelzer. Ein Buch für Betroffene und Therapeuten gleichsam. Sehr „plastisch“ geschrieben durch die vielen Falldarstellungen und den Weg dieser Fälle aus der Krise „Borderline“ heraus. Nur zu empfehlen!

  25. Ano Nym sagt:

    Ich kann mich nur der Vorrednerin – in Teilen – anschließen.

    Es ist ein guter Artikel. Ich würde noch weiter gehen, als nur die DBT in den Artikel aufzunehmen. Es ist tatsächlich so, dass Borderline von vielen Psychotraumatologen als Traumafolgestörung angesehen wird. Das wird ja teilweise – nach meinem Kenntnisstand – noch immer bestritten, weil nicht bei allen Borderline-Patienten Traumatisierungen ausfindig gemacht werden können. Dies ist allerdings gar kein Widerspruch, sondern würde ins Erklärungsmodell passen, da gerade die Patienten, die Opfer schwerster Traumata geworden sind, diese Erfahrungen derart stark dissoziiert haben, dass sie diesbezüglich keine Erinnerungen in der Alltagspersönlichkeit aufweisen und auch nicht aufweisen können.

    Ich beweifle sogar, dass für die Ausbildung einer BL-Störung eine biologische Disposition irgendeiner Art bestehen muss, sondern dass die Auffälligkeiten in Temperament und Impulskontrolle erst durch die Traumatisierung und physiologischen Veränderungen der Gehirntätigkeit entstehen. Van der Kolks Forschungsergebnisse zeigen etvl. in diese Richtung.

    Solange hat man bei BL-Patienten nur das Negative herausgestellt und hat sie stigmatisiert und abgewertet, es wäre wirklich an der Zeit, sich dieser Patientengruppe empathisch und mit Forschungsgeldern und adäquaten traumaadaptierten Therapieverfahren zuzuwenden!

    Heilungserfolge wären vielfach möglich, wenn geeignete Therapeuten und Therapien ausreichend zur Verfügung gestellt würden. Geeignet kann hier nur der Therapeut sein, der über eine gute Traumausbildung verfügt, evtl. auch EMDR-Ausbildung ist sehr wünschenswert und erforderlich.

    Erfolgreich kann bei BL nur die Therapie sein, die schonend und entlastend wirkt und dies von der ersten Therapiestunde an. BL-Patienten brechen nicht Therapien ab, sondern sie flüchten vor Therapeuten, die es nicht verstehen, sie ausreichend in ihrer Symptomatik aufzufangen und die die Belastungen durch die Erkrankung und der Therapie selbst auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.

    Wir haben bereits Spezialisten im Land, die außerordentlich gut und erfolgreich therapieren können, ohne Medikamente oftmals und auch bei Fällen, wo andere Kollegen, die nur allgemein ausgebildet sind, frustriert aufgeben und infauste Dignosen vergeben.

    Ano Nym

  26. Christiane Jung sagt:

    Der Artikel ist gut und interessant geschrieben. Mir fehlen zwei Hinweise:

    1. bei 75% aller als Borderline diagnostizierten Menschen sind in der frühen Kindheit sexueller Missbrauch nachgewiesen. (Die Zahlen stammen aus dem Manual zur Dialektisch-Behaviouralen Therapie)

    2. Es gibt eine sehr gute Therapie für Borderliner, eben die von Marsha Linehan entwickelte Dialektische-Behaviourale Therapie.

    In der Fachliteratur wird bei der „Borderline“-Diagnose immer gern von einer „multifaktorellen Genese“ ausgegangen, während die Zahlen von Linehan (die übrigens von anderen Autoren und deren Studien bestätigt werden) klarmachen, dass „nix von nix kommt“, sondern es fast immer brutale frühe Traumatisierungen sind, die zu solchen Krankheitsbildern führen.

    Freundliche Grüße
    C. Jung

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