Spielen können ist so wichtig – über den Als-ob-Modus und den Modus der psychischen Äquivalenz

Wenn kleine Kinder großen Kummer haben, können sie zeitweise nicht spielen. Sind Mama und Papa dabei und ist alles in Ordnung, zeigen die Kinder wieder Interesse an ihrer Umwelt und finden ins Spiel. Wenn Kinder spielen, sind sie innerlich im „Als-ob-Modus“ (englisch: „As-if-mode“). Dieser psychische Zustand, in dem wir innerlich spielen, uns Dinge vorstellen, planen oder träumend unseren Gedanken nachhängen, ermöglicht es uns, psychisch zu funktionieren. Es ist gut, wenn Eltern auf den „Als-ob-Modus“ spielerisch reagieren können.

Bei vielen psychischen Beschwerden zeigt sich, dass der Als-ob-Modus (also sozusagen der „Spiele-Modus“) eingeschränkt ist. Wenn wir in Bedrängnis geraten, denken wir häufiger konkret. Wenn uns eine Sache „Bier-ernst“ ist, können wir kaum über Alternativen nachdenken. Auch nach Gewalterfahrungen oder anderen Schrecken, kommt das eher konkrete Denken zum Vorschein.

Bei Psychotikern ist das Denken sehr konkret: Gedanken werden wie Objekte behandelt. Der Psychotiker sieht „in echt“ weiße Mäuse. Ein Abheben auf eine „Als-ob-Ebene“ ist dann kaum möglich. Auch wenn wir in der paranoid-schizoiden Position sind, kommt uns der gedankliche Spielraum mitunter abhanden.

Das ist so!

Gedanken können sich auf unser Erleben ähnlich stark auswirken wie Realitäten in der Außenwelt. Der Gedanke an eine Krankheit verursacht ein ähnliches Unbehagen wie eine wirkliche Krankheit. Meistens können wir unsere Gedanken von der äußeren Realität gut unterscheiden. Doch manchmal wirken unsere Gedanken überstark real. Wenn wir die innere mit der äußeren Realität gleichsetzen, leben wir im „Modus der psychischen Äquivalenz“.

Die innere Realität wird auch als „psychische Realität“ bezeichnet.

Wenn man es so erlebt, dass die innere Realität die äußere Realität bestimmt, dann befindet man sich im Modus der psychischen Äquivalenz. Kleinkinder leben noch sehr oft im Modus der psychischen Äquivalenz. Sie glauben oft fest, dass das, was sie selbst denken und empfinden, auch andere Menschen so denken und empfinden.

„Mama, ich habe mir am Daumen weh getan. Spürst Du das auch? Tut Dir auch der Daumen weh?“, fragt das kleine Kind mitunter.

Kleine Kinder können sich oft noch nicht vorstellen, dass sie einen Gedanken oder ein Empfinden haben, während andere gerade ganz anders denken und empfinden. Sie haben kaum eine Vorstellung davon, dass es viele Möglichkeiten gibt. Es ist ihnen noch nicht möglich, sich so in andere hineinzuversetzen, wie ältere Kinder oder Erwachsene das tun können. Die Möglichkeit, über sich und andere nachzudenken, entsteht erst im Alter von etwa 5 Jahren (reflexiver Modus).

In Spielen wird der psychische Entwicklungsstand deutlich

So kommen unter anderem die Altersangaben auf Gesellschaftsspielen zustande: Es gibt Spiele, bei denen man sich vorstellen können muss, was der andere denkt oder was auf seinen Spielkarten abgebildet sein könnte (z.B. bei dem Spiel „Wer bin ich?“). Solche Spiele werden erst ab einem gewissen Alter möglich zu spielen. Auch mit Üben kann man den Fortschritt kaum beschleunigen. Da entwickelt sich die Psyche in Stufen, ebenso wie der Körper: Kleine Kinder können erst sitzen, dann krabbeln, dann laufen. So geht es mit dem Denken auch.

Von der psychischen Äquivalenz zum „Als-ob-Modus“

Wenn sich Kinder vor dem Drachen unter dem Bett fürchten, dann liegt in ihrer Vorstellung wirklich ein Drache darunter. Die äußere Welt scheint im Modus der psychischen Äquivalenz Eins zu sein mit der inneren Welt. Deshalb ist es bei kleinen Kindern auch so wichtig, Spiele deutlich als Spiel zu kennzeichnen. Wenn ein Kind Cowboy spielt und Vater oder Mutter im Spiel „erschießt“, ist es wichtig, über-dramatisch im Spiel zu „sterben“. So entwickeln Kinder ein Gefühl für den „Als-ob-Modus“. Sie lernen so, die innere Realität, also die eigene Vorstellungswelt von der äußeren Realität zu unterscheiden.

Verwandte Artikel in diesem Blog:

Links:

Hans Vaihinger (Wikipedia, 1852-1933):
Die Philosophie des Als-Ob
amaxon
La philosophie du comme si
Editioins Kimmé

Josef Brockmann:
Die Entwicklung der Mentalisierungsfähigkeit
mentalisierung.net

Französisch/Français:
Als-ob-Modus = Mode fictif
Modus der psychischen Äquivalenz = Mode équivalent psychique

Alexandre Chabot et al. (2015):
La capacité de mentalisation de l’enfant à travers le jeu et les histoires d’attachement à compléter : perspectives théorique et clinique
La psychiatrie de l’enfant 2015/1 Vol. 58: Pages 207 à 240
https://shs.cairn.info/revue-la-psychiatrie-de-l-enfant-2015-1-page-207?lang=fr

Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 25.2.2008
Aktualisiert am 23.11.2024

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