Die Stille in der Paartherapie
Wenn Paare zur Beratung kommen, sind sie oft sehr aufgebracht. Zuerst lassen sie ihren Anschuldigungen freien Lauf. Doch in der Phase der Vorwürfe stagniert alles. Dann frage ich nach der Familiengeschichte. „Mein Bruder ist vor 10 Jahren gestorben“, sagt der Mann. Und hält inne. Von jetzt auf gleich ist da Stille. Und Betroffenheit. Schnell wird klar: Der Mann oder die Frau, oder gar beide, sind innerlich jetzt in einem ganz anderen Film. Das aufgebrauste Streiten an der Oberfläche ist oft nichts anderes als gemeinsame Abwehr. So, wie ein einzelner Mensch seine Sorgen und Schmerzen oft abwehrt, indem er sich laut tönend beschäftigt hält, so können auch Paare innere Nöte gemeinsam abwehren, indem sie sich streiten.
Sobald deutlich wird, wo das „wahre Leiden“ liegt, entsteht dieser Moment der Stille. Nicht immer passiert das, aber oft. Es ist wie eine Weggabelung. Von diesem Moment an verläuft die Stunde eine Weile anders, oft weicher. Abwehr kann immer dann aufgegeben werden, wenn die Angst zurückgeht.
Die Angst vor dem Schmerz geht oft dann zurück, wenn jemand da ist, der das Leid aushält und mitträgt. Alleine in verstrickter Zweierschaft findet man manchmal nicht aus der lärmenden Abwehr heraus. Doch der Moment, in dem sich das Törchen öffnet, ist immer auch ein Moment der Erleichterung und manchmal sogar der stillen Freude.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 4.12.2014
Aktualisiert am 19.12.2023