Unter Verdacht
Das Kind, es durfte nie die Tür zumachen. Es wurde älter und entdeckte sich selbst. Der Vater, er kam immer hinein. Wut stieg auf in dem Kind. Es durfte nie allein sein. Eines Tages schloss es die Tür ab. Aber es schämte sich sehr. Denn wenn die Tür zu ist, so dachte es, weiß der Vater, was ich tue. Das Kind schämte sich, den Vater auszuschließen. Die Gedanken des Vaters waberten durch die verschlossene Tür. Das Kind war unter Verdacht. Noch mehr, als entdeckt zu werden, schämte es sich, die Tür zu verschließen. Die Scham wuchs und wuchs. Entdeckt werden wollte das Kind nicht. Verdächtigt werden auch nicht. Die Türe abzuschließen hätte Entdecktwerden bedeutet. Das Kind sah keine Lösung. Also vergrub es seine Sexualität. Bis heute.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 16.9.2014
Aktualisiert am 14.4.2024
3 thoughts on “Unter Verdacht”
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Deswegen liebe ich es alleine in meiner Wohnung die Türen meist alle offen zu haben , vor allem mein Schlafzimmer und oft gerne auch die Tür vom Bad.
Ein sehr bewegender Text, der mit so wenigen Worten so viele verschiedene Gefühle auszudrücken vermag.
Ein kurzer Text, der meine Erfahrungen sehr gut wieder gibt. Es hat lange gedauert, bis ich mich über das grenzverletzende, kontrollierende Verhalten meines Vaters hinweg gesetzt habe. Die Sexualität konnte ich von der Scham befreien, aber viele andere Bereiche, die mit Autonomie zu tun haben, leiden bis heute darunter, weil sie schambehaftet sind.