Partnerschaft und Ort: Ist mir der Ort oder der Partner wichtiger?

Er will in die Berge, sie ans Meer, sie in die Grossstadt, er aufs Land. Er lebt in den USA, sie in Deutschland. Wer wir sind und wie wir uns fühlen, hängt sehr stark davon ab, wo wir sind. Wenn sich der Traum der Partnerschaft erfüllt, stellt sich oft die Frage nach dem gemeinsamen Ort. Und dann wird Dir vielleicht noch klarer als vorher, was Du brauchst, um Dich wohlzufühlen. Als wir noch allein lebten, konnten wir unseren Wohnort oft selbst bestimmen. Jetzt, da uns „der Ort egal ist, solange der/die Liebste bei uns ist“, werden Fragen und Gefühle aufgeworfen, die uns zuvor nicht über den Weg liefen. Was brauchen wir, um uns zu Hause zu fühlen?

Heimat sei kein Ort, sondern ein Gefühl, singt zum Beispiel Herbert Grönemeyer (Youtube). Theoretisch wissen wir, was er damit meint. Doch der Blick aus dem Fenster lässt unsere Sehnsucht erblühen. Auf dem Ehemaligentreffen an meinem Gymnasium traf ich betagte Menschen, die an den Ort ihrer Geburt zurückkehrten, weil sie nur dort sterben möchten. In Partnerschaften, in denen beide aus unterschiedlichen Städten, Ländern oder Kulturen kommen, kämpft einer von beiden oft mit Heimweh. Gerade bei Krankheit oder im Alter stellt sich die Frage verstärkt: Wo will ich sein?

Manchmal bleiben wir an einem Ort hängen

Das „Wo“ können wir uns in den verschiedenen Lebenssituationen nicht immer aussuchen. Viele Geflüchtete fühlen sich entwurzelt, doch auch Paare aus demselben Herkunftsland quälen sich im Ausland oft mit der Frage des „Wo-Seins“. Hin- und Hergerissen fühlen wir uns, wenn uns das Leben an ferne Orte gespült hat. Auch unterschiedliche Hautfarben, Körperformen und Gerüche können in uns immer wieder Fremdheitsgefühle, Bedauern oder Unsicherheit hervorrufen.

Wir fühlen vielleicht ein inneres Drängen, dass es so oder sein mûsste – und zwar unbedingt so sein müsste, dass ich bei meinem Kind bin, im Warmen stehe, auf die Felder der Kindheit schaue und die eigene Sprache um mich herum höre. Es komme darauf an, dass man sich in sich selbst zu Hause fühle, heisst es. Doch vielleicht können wir uns manchmal nur in uns selbst zu Hause fühlen, wenn wir auch in der „richtigen“ äusseren Umgebung sind. „Wenn ich in England bin, will ich in Deutschland sein – und umgekehrt“, sagte eine Tante.

Manchmal müssen wir uns dorthin bewegen, wo es uns hinzieht. Manchmal aber können wir auch sehr lange in einem unsicheren Zustand verharren und abwarten. Wir können unsere Überlegungen und Gefühle in unserem Herzen bewegen und müssen das oft sehr lange tun, bis wir wissen, ob wir etwas verändern wollen oder nicht. Der Schauspieler Bjarne Mädel hat einen bewegenden Film produziert: „Wer aufgibt, ist tot“ (Wikipedia). Ein sich wiederholendes Motiv ist die „letzte Situation“, die der Sterbende und dessen Angehörige erleben. Das, was zuletzt war, prägt unser Jetzt-Gefühl.

Wo ist eigentlich unser Zuhause?

Unseren Heimat-Ort können wir nicht immer erreichen – vielleicht sogar deshalb, weil wir gar nicht wissen, wo wir wirklich sein wollen und wo wir uns zu Hause fühlen. Vielleicht aber auch, weil wir zu schwach, zu krank oder zu alt sind. Manchmal brechen wir einfach auf und folgen unserer inneren Stimme. Dann fühlen wir uns endlich angekommen – sogar schon, bevor wir uns real auf den Weg machen. Vielleicht aber sind wir bei der Ankunft auch enttäuscht und wir leiden darunter, dass sich unser Sehnsuchtsort so sehr verändert hat. Vielleicht erkennen wir kaum etwas wieder und die Menschen, Wälder und Gebäude, die uns viel bedeuteten, sind nicht mehr da.

„Das Meer tröstet mich nicht mehr“, sagt ein Freund.

Das Mitgefühl mit uns selbst kann uns oft mit unserer Zerrissenheit und unserer Lebenssituation versöhnen. Wir können versuchen, uns selbst und die Umgebung genau zu erforschen. Wir können kleine Regionen liebevoll anblicken und gestalten. Und wir können uns mit unserer Wahrheit auseinandersetzen, mit den Gefühlen, die wir fühlen. Oft können wir nichts tun als warten und schauen, wie sich alles entwickelt. Dinge, die wir wiedererkennen und die wir als angenehm in Erinnerung haben, geben uns ein gutes Gefühl. Es lohnt sich, die Sprache zu lernen – dazu können auch die Gebärdensprache und die Blindenschrift gehören. Offenheit für das, was jetzt gerade um uns ist, kann zu mehr Loslösung vom Ersehnten führen. Bewusst die Beziehung zum Aussen aufzunehmen und sie wachsen zu lassen, erweckt in uns neue Heimatgefühle. Aber an manchen Orten unserer Seele bleiben wir vielleicht einfach nur ungetröstet zurück.

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