Kritische Experten-Stimmen zur Vojta-Therapie
Wenn bei Deinem Kind eine Störung der Bewegung, Haltung oder Koordination festgestellt wird, bekommst vielleicht die Vojta-Therapie („Physiotherapie auf neurophysiologischer Grundlage“) für Dein Kind verordnet. Während die Vojta-Therapie körperlich anscheinend hilfreich ist, kann sie jedoch möglicherweise psychisch schaden. Das Baby zeigt deutlich, wie gequält es sich fühlt, doch die Qual wird nicht beendet. Das löst großen Stress bei Mutter und Kind aus. Das Thema kann sich zu einem regelrechten Familienkonflikt ausweiten, wenn z.B. der Vater dafür ist, die Therapie zu beenden. Ziel dieser Beitrags-Reihe ist es, Fachleute wie auch Mütter und Väter auf die möglichen nachteiligen psychischen Folgen der Vojta-Therapie aufmerksam zu machen.
Wenn Du Dich unwohl mit der Vojta-Therapie fühlst, aber Dich nicht traust, sie zu beenden, möchte ich sagen: „Liebe Mamas, habt mehr Mut! Holt Euch weitere Meinungen von Kinderärzten ein.“ Es gibt genügend Fachleute, die dieser Therapiemethode sehr kritisch gegenüberstehen. Hier einige Beispiele:
Dr. med. Franziska Cottier-Rupp (Kinderpsychiaterin, Schweiz): „Es erstaunt mich sehr, dass diese Umfrage im Jahr 2011 stattfindet. 1973 habe ich mich als Medizinstudentin an der Medizinischen Fakultät in Bern ein paar Monate im damaligen Zentrum für Cerebrale Bewegungsstörungen der Universitätskinderklinik Bern mit neurologische Untersuchungs- und Behandlungsmethoden von Kleinkindern mit leichten bis schweren cerebralen Bewegungsstörungen nach Risikoschwangerschaft und -Geburt vertraut gemacht. Später habe ich eine Dissertation über das Thema „Outcome nach Risikoschwangerschaft“ (5 Jahre nach Geburt) geschrieben (1978).
Schon damals galt die Vojta-Therapie als veraltet und vor allem unmenschlich. Schon damals haben Kinderneurologen Bobath-Therapie verordnet, die ja von der Veränderung der zentralen Bewegungssteuerung ausgeht und nicht von der Unterdrückung der pathologischen Reflexe durch Gewaltanwendung am Kind.
Dass die Vojtatherapie in Europa immer noch verordnet wird, erstaunt mich deshalb sehr. Sie kann meiner Meinung nach nur solange weiter angewendet werden, solange die Eltern nicht ihrem Gefühl vertrauen und sich durch sogenannte Fachpersonen beeindrucken lassen, welche ihnen einen Therapieerfolg durch Gewaltanwendung an ihrem Säugling versprechen.
Es ist mir keine ernsthafte Doppelblindstudie bekannt, die eine solche Gewaltanwendung rechtfertigen würde. Es ist eher bekannt, dass Schmerzzufügung im vorsprachlichen Alter eines Kindes zwar nicht mehr als sprachliche/bildliche Erinnerung haften bleibt, jedoch wird das ganze HPA-System auf Stress im Gehirn verändert und hat Einfluss auf die Verarbeitung von Stress im späteren Leben.
Eine Schweizerische Nationalfondstudie geleitet durch Blaise Pierrehumbert, Lausanne, geht dieser frühen Veränderung des Stress-Systems durch Traumata in der frühen Kindheit nach, und untermauert die Einsicht, dass Schreien beim Säugling Ausdruck von Schmerz ist, der bei wiederholten Gewaltanwendung zu einem Trauma führen kann und auch die Mutter-Kind Beziehung erheblich beeinträchtigen kann, da das Kind erfährt, dass diese Gewaltanwendung durch die primäre Bezugsperson nicht unterbunden wird. Es wäre deshalb an der Zeit, diese obsolete Therapieform ins Gruselkabinett zu verbannen.“
Dr. med. Franziska Cottier-Rupp
FMH Kinder- und Jugendpsychiatrie und- psychotherapie
CH- 3400 Burgdorf
Professor Marguerite Dunitz-Scheer (Kinder- und Jugendpsychotherapeutin): „Ich arbeite schon ein ganzes Berufsleben mit Babies mit teils schweren Bewegungsstörungen, mentaler Retardierung und auch Schreibabies. Man kann über Vojta sicher vieles sagen, aber ich empfinde es als inakzeptablen und beschämenden Missbrauch einer Methode, wenn sie an Menschen durchgeführt wird, die niemals und wie denn auch, eine Chance haben oder haben werden, ihre Wahrnehmung dieser Erfahrung anders als durch Schreien zu äussern. Solche pseudotherapeutischen Ansätze sind aus der Zeit der ’schwarzen Pädagogik‘ und sind meiner Meinung nach strikt abzulehnen! … Ich hoffe, ich schockiere Sie nicht mit dieser heftigen Aussage, aber aus meiner Perspektive ist es schlimm, was teils durchaus qualifizierte Personen, die als Autorität angesehen werden, mit Babies machen.“
Univ. Prof. Marguerite Dunitz-Scheer
Universitätsklinik für Kinderheilkunde
University Hospital for Children
A 8036 Graz, Österreich
Dr. med. Dr. rer. nat. Thomas Fröhlich (Kinderarzt): „Selbst wenn eine Wirksamkeit der Methode nachgewiesen worden wäre – was meines Wissens nie methodisch sauber erfolgt ist – wäre sie abzulehnen: der Preis, um den die hypostasierten Effekte erreicht werden, ist unbestreitbar zu hoch. Das wird an dem gefühllosen Umgang mit dem schreienden Säugling des gezeigten Videos (Youtube) deutlich, und ebenso ergibt es sich aus Elternberichten. Das In-Kauf-Nehmen von Ängstigung und Panik ist in der medizinischen Welt längst zu Gunsten einer umfassenden Stressminderung verlassen worden.
So werden z.B. Schmerzen bei Früh- und Neugeborenen heutzutage in allen Fachkliniken sehr ernst genommen und entsprechend bestmöglich vermieden. Ebenso achtet man längst darauf, dass möglichst wenig Stress durch Lärm im Inkubator etc. entsteht. In all dem hat sich die gesicherte Erkenntnis niedergeschlagen, dass – wie von Kollegin Cottier-Rupp dargestellt – Veränderungen im HPA-System Langzeitfolgen haben können. In meinem Fachgebiet (Allergologie, Psychotherapie) finden sich entsprechende Untersuchungen zum Thema Stress und späteres Asthmarisiko etwa in den Arbeiten der Arbeitsgruppe von Mary Klinnert, Denver, Colorado (Anmerkung Voos: z.B. hier: Maternal emotional signaling: Its effect on the visual cliff behavior of 1-year-olds,1985).“
Dr. med. Dr. rer. nat. Thomas Fröhlich
https://www.kinderarzt-froehlich.de/
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Buchtipp:
Dunja Voos:
Vojta-Therapie bei Babys – ein Aufschrei
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Selbstveröffentlichung, 9.2.2021
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 1.3.2011
Aktualisiert am 27.3.2024
One thought on “Kritische Experten-Stimmen zur Vojta-Therapie”
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Die Vojta Methode verletzt nicht nur die Seele, sondern im gleichen Maß auch den Körper, ganz konkret.
In der Neurologie ist schon seit vielen Jahrzehnten bewiesen worden (ohne dass die verantwortlichen Ärzte sich einen einzigen Gedanke machen werden), dass Angst und Panik, besonders einem Säugling oder Kleinkind über eine längere Zeit systematisch zugefügt, zum Absterben von sehr wichtigen, vitalen Nervenzellen im Gehirn führt. Das ist z.B. der Fall von Spiegelneuronen, ich nenne die “die sozialen†Neuronen, die einen befähigt, sich in die Absichten und in die Handlungen einer anderen Person hinein zu fühlen, hineinzuversetzen um passend zu handeln und zu reagieren.
Ausnahmslos ALLE Kinder, die Behandlungen nach Vojta oder Glenn Doman erleben mussten, bevor die zu mir gebracht wurden, musste ich mit diesen Kindern wie mit schwer autistischen Kindern unter andauerndem, undifferenziertem Schrei arbeiten. Einige von diesen Kindern konnten schon nach einer Stunde, andere erst nach mehreren Sitzungen verstehen, dass sie mit mir andere Art von Erfahrungen machen werden, als das, was ihnen bisher angeboten wurde. Diese Kinder konnten entweder wegen des frühen Alters, meistens unter einem Jahr, oder wegen deren schweren Behinderung sich nicht verbal artikulieren. Trotzdem konnten alle ausnahmslos früher oder später ihr Verhalten radikal positiv verändern, so dass irgendwann diese Kinder nicht mehr unter Panik geraten sind, sobald die aus dem elterlichen Haus rausgebracht wurden. Einige Eltern haben mir erzählt, dass wenn ihr ein- oder zweijähriges Kind mit dem Auto nur in den Viertel vorbeifahren musste, in dem sich die Praxis befand, wo das Kind die Vojta „Therapie“ erleben hat, fing das Kind an zu schreien.
Ein anderes 15 Monate altes Kind konnte nicht ohne heftige Schreie aus dem Haus gebracht werden, wenn nicht die beiden Eltern zusammen mit ihm gingen, weil, wenn nur die Mutter mit dem Kind zum Einkaufen oder zu Besuch gehen wollte, dachte das Kind, dass es zur „Therapie“ gebracht wird. Die kleinen Kinder entwickeln schon sehr früh Gedanken und Gewohnheiten aufgrund deren Erfahrungen im präverbalen Alter, die sind auf dieser Welt wie ein Emigrant in einem fremden Land, wo alles vom Anfang an gelernt werden muss. Das bedeutet aber nicht, dass die Kinder im präverbalen Alter nicht wie die Erwachsene denken und fühlen können. Oft denken diese Kinder viel schärfer als die Erwachsene, auch wenn sie noch nicht die Mittel entwickeln konnten, ihre Gedanken den Erwachsenen verständlich auszudrücken.
Im Angstzustand wird das Gehirn sehr viel von seiner Kontrolle über den Körper verlieren, der Körper und auch der Psyche wird undifferenzierter handeln und reagieren, als wenn man ohne Stress, sozusagen lässig und ohne Fixierungen handeln darf.
…
Mit herzlichen Grüßen,
Paul Doron Doroftei