Hitzewallungen in den Wechseljahren kommen oft mit System: Selbstbeobachtung kann helfen

Oft fallen Hitzewallungen nicht vom Himmel. Sie treten z.B. bei angestrengtem Nachdenken auf, bei körperlicher Anstrengung oder im Stau bei Aufregung. Sie kommen mitunter an den Tagen, an denen normalerweise die Regel eingesetzt hätte und bleiben in Wellen manchmal auch so lange. Sie können gut etwa um vier Uhr morgens auftreten, zu der Zeit, in der früher die Regel in der Nacht wieder verstärkt einsetzte – eine Zeit, in der wir nachts sowieso oft Hitze entwickeln. Und die Wellen bleiben nicht auf ewig: Sie sind bei vielen selbstlimitierend und nach einigen Monaten wieder verschwunden – um nach ein paar Monaten in abgeschwächter Form vielleicht wieder aufzutreten.
Besonders die hitzeentwicklung im kopf ist oft erstaunlich – wenn ich einen normalen denkprozess zu ende gedacht habe, habe ich keine hitze. wenn ich aber nochmal schärfer über etwas nachdenken will, ist es, als würde eine grenze durchbrochen. die hitze kommt oft beim nachdenken über unangenehmes – über finanzen, zeitpläne oder ähnliches. auch in psychotherapien zeigt sich das manchmal: das nachdenken über unangenehme themen lässt uns manchmal sagen: „können wir bitte ein fenster öffnen?“ der physiker carlo rovelli schreibt: „… and in fact, thinking produces heat in our heads.“ (carlo rovelli: the order of time, penguin books, 2017/2018: s. 23, amazon)
Die Wärmeregulation im Körper wird besonders auch durch die Atmung bewirkt. Wenn die Atemwege verengt sind, wenn Du erkältet bist oder wenn Du gegen Widerstand ausatmest, dann wird Dir warm. Aufgeregte Atmung und trockene Schleimhäute können mit zu Deinen Hitzewallungen beitragen, daher übe unterstützend vielleicht ein paar Yoga-Atemübungen (Pranayama) ein und sorge für eine gute Raumbelüftung. Sei dir bewusster als früher, dass du auch mit deiner Kleidung deine Körpertemperatur steuern kannst.
Von der Hitzewallung betroffen sind besonders der Kopf, der Hals und der obere Brustbereich. Vielleicht schwitzt du auch sichtbar und es ist dir unangenehm, so gesehen zu werden. Versuche, dich selbst damit in Frieden zu lassen. Du kannst nichts dafür. In den Wechseljahren zeigt dir dein Körper einfach sehr deutlich, wenn Grenzen der mentalen und körperlichen Anstrengung erreicht sind. Vielleicht ärgert es dich – aber vielleicht gelingt es dir auch, deinen Körper anzunehmen wie einen erwachsenen Gesprächspartner. Versuche, so gut du kannst mit ihm mitzugehen.
Schamesröte
Nicht selten tritt die Hitzewallung auch dann auf, wenn andere Gefühle beteiligt sind. Wenn Du in eine Situation gerätst, in der Du Dich anstrengst, einen hohen Blutdruck hast oder Dich schämst, kann daraus auch eine Hitzewallung entstehen. Und umgekehrt: Die sichtbare Hitzewallung kann zu Scham führen: Jetzt lässt sich das Älterwerden nicht mehr verstecken. Es kann extrem frustrierend sein – der Körper macht sich vielfach bemerkbar: Vielleicht brichst du dir plötzlich im Winter den Arm, was auf deine schwächer werdenden Knochen hinweist. Möglicherweise verlierst Du Zähne, Du musst Dir die Oberlippenregion rasieren, Du bekommst Schwierigkeiten beim Wasserlassen, Du spürst, wie sich Deine Gebärmutter senkt und Du befürchtest einen Vorfall.
Die Autorin Louise Foxcroft beschreibt alle diese unschönen Leiden eindrücklich in ihrem Buch „Hot Flushes, Cold Science – A History of Modern Menopause, 2010, amazon: „Historically, it might have showed in a moustache, revealed in the “manliness‘ of the three witches in Macbeth: ‚you should be women, and yet your beards forbid me to interpret that you are so.‘ Or in a toothless mouth: Lady Sarah Cowper had ‚but three teeth besides stumps‘ by the time she was seventy-one in 1715. Or in the skin, in a stoop, or in broken bones due to calcium loss: older women were ‚lame, ympotente‘ and often carried the ‚dowager’s hump‘ of osteoporosis.“
(Frei übersetzt von Voos:) „Historisch gesehen zeigte sich die Menopause in einem Bart, wie er in der ‚Männer-Artigkeit‘ der drei Hexen von Macbeth auftaucht: ‚Ihr solltet Frauen sein, aber eure Bärte verbieten mir, euch als solche zu sehen.‘ Oder sie wurde durch einen zahnlosen Mund deutlich: Lady Sarah Cowper hatte ’nur noch drei Zähne neben ihren Stümpfen‘ im Alter von einundsiebzig Jahren im Jahr 1715. Auch wurde das Alter durch die Haut sichtbar, durch die gebückte Haltung oder durch Knochenbrüche aufgrund von Kalziumverlust. Ältere Frauen waren lahm und impotent und trugen oft den Osteoporose-Buckel einer reichen Schabracke.“ Es kann auch eine Erfahrung sein, sich dem Hässlichen und Vergänglichen zu stellen. Es kann irgendwie tröstlich sein, das für sich Gedachte auch einmal zu lesen, denn es zeigt: anderen geht es auch so. Ein Gegenentwurf zu dem Buch von Dr. Sheila de Liz: Woman on Fire: Alles über die fabelhaften Wechseljahre. Rowohlt 2020, amazon.
Und wenn die Hitzewallungen nachts kommen und Du bist Medizinerin, denkst Du natürlich gleich an die „B-Symptomatik“, die auf ein Krebsleiden hinweisen kann und aus nächtlichem Schwitzen, leichtem Fieber und Gewichtsverlust besteht. In den Wechseljahren ist jedoch häufig die Gewichtszunahme das Problem. Frauen mit Übergewicht leiden mitunter öfter und stärker unter Hitzewallungen als normalgewichtige Frauen (wird z.B. erwähnt bei Ozcan et al. 2019).
Der Kampf um die Gesundheit
Vielleicht befindest du dich gerade jetzt auch in dem Kampf, schlanker und fitter werden zu wollen, doch immer wieder hindern dich neue gesundheitliche Probleme an deinen Vorhaben. Du zwingst dich zur Disziplin, um gleich morgen wieder festzustellen, dass dir schon kleinste Überlastungen zu schaffen machen. Wieder sind vielleicht neue Beschwerden da: ein heisser Kopf, ein trockener Mund, fiebrige Gefühle, Erschöpfung und Depression. Lass dir Zeit – mir sagte einmal eine 80-jährige Frau im Schwimmbad, dass es ihr in der Zeit von 50-60 Jahren deutlich schlechter ging als im höheren Alter. Die Belastung der Wechseljahre zusammen mit Berufstätigkeit und dem Kümmern um Kinder und Eltern übersteigen manchmal unsere Möglichkeiten. Du bist einerseits gezwungen, dich mehr deinem Körper zuzuwenden und dich um ihn zu kümmern, andererseits muusst du daraus auch kein ehrgeiziges Projekt machen. Du hast auch noch in einem höheren Alter Zeit, dich Deinem Körper neu zu widmen. „65 is not old“, sagt die 100-jährige japanische Nonne Jakucho Setouchi im Video „Empowering the Elderly“ (YouTube)
Alles, was Dein vegetatives Nervensystem stärkt, kann Dir möglicherweise auch dabei helfen, Hitzewallungen besser zu überstehen. Winterschwimmerinnen berichten, dass das Schwimmen im kalten Wasser ihnen dabei hilft, die Wechseljahrsbeschwerden zu reduzieren (Pound et al. 2024). Es können auch schon kalte Duschen reichen oder ein paar Schritte barfuss morgens im nassen Gras. Natürlich trainiert auch das Gegenteil unsere Fähigkeit, den Wärmehaushalt zu regulieren: die Sauna. Suche Dir aus, was Dir gut tut und was finanziell möglich ist.
Im Schlaf wird’s Dir warm
Auch der Schlaf wirkt wärmeregulierend. In den Wechseljahren leidest du vielleicht besonders unter schlechtem Schlaf und manchmal können wir kaum etwas daran ândern. Wichtig ist jedoch das Bewusstsein für die Zusammenhänge – so hast Du wenigstens etwas Einfluss darauf. Stell dir vor, wie du dich fühlst, wenn du vielleicht nach einer Feier spät ins Bett gekommen bist oder wenn du auf einer Reise eine grössere Zeitumstellung hast. Oft ist der Kopf dann heiss und der Mund ist trocken. Auch wenn es im Alltag schwierig sein kann: Versuche auf Müdigkeitsgefühle zu achten und Dich auszuruhen, sobald Du Dich müde fühlst. Versuche, irgendwie wenigstens annähernd ausreichend zu schlafen. Auch hier wieder kann Yoga helfen, den Schlaf zu verbessern.
Während viele Frauen unter Berührungsmangel und/oder Partnerlosigkeit leiden, ist es für andere mit Stress verbunden, mit ihrem Partner das Bett zu teilen. Beide können sich mit Phasen der Schlaflosigkeit und nächtlicher Unruhe abwechseln, sodass auch durch diesen Stress Hitzewallungen entstehen können. Überlege vielleicht immer wieder neu, ob es für heute Nacht besser wäre, getrennt zu schlafen. Suche dabei nicht nach strengen Regeln, sondern schau, was du brauchst, was dein Partner braucht und was jetzt gerade am besten ist.
Da Östrogene mit an der Regulation von Gefässweite und Wärme beteiligt sind (Sturdee 2008), lassen sich viele Frauen mit Hormontabletten behandeln. Häufig gibt es eine „Östrogendominanz“, während das Hormon Progesteron nur noch in geringer Konzentration vorhanden ist. Allerdings lässt sich anscheinend kein Zusammenhang zwischen Serumkonzentrationen von Östrogen im Blut und der Häufigkeit von Hitzewallungen (Hot Flushes) feststellen („There is no correlation between serum estrogen levels and frequency and severity of HFs“ (Bansal and Aggarwal, 2019). Und vielleicht möchtest du auch keine Hormonersatztherapie (Hormon Replacement Therapy, HRT). Irgendwann stellst du vielleicht erstaunt fest: Nimmst du keine Hormone ein, stellst du vielleicht fest, dass die Hitzewallungen zeitgleich mit denen der Freundin aufhören, die erzählt, dass sie endlich, seit sie die Hormone nimmt, Besserung verspürt. Es gibt viel Interessantes zu entdecken.
Auch bestimmte Antidepressiva, die sogenannten „Serotoninwiederaufnahmehemmer“, können bei Hitzewallungen helfen („SSRIs and SNRIs are the most effective drugs for Hot Flashes after Hormone Replacement Therapy“, Bansal and Aggarwal 2019). Ich persönlich bin immer „neugierig auf die Natur“ und habe selbst nie solche Medikamente genommen. Die Neugier kann eine gute Führerin durch schwierige Zeiten sein. „Was geschieht mir?“, lautet die Frage. Anteile deines Körpers verabschieden sich und das ist oft auch mit einer Mischung aus Trauer und Erleichterung verbunden. „Der Tod ist immer schon da“, hörte ich einmal. Und ich denke, bewusst zu leben heisst auch, bewusst Abschiede wahrzunehmen. Hitzewallungen begleiten viele Frauen – und das unterschiedlich lang.
Erlaube dir deine ehrlichen Gedanken. Die Autorinnen Myra Hunter und Irene O’Dea lassen in ihrem Buch „Menopause – Bodily changes and multiple meanings“ eine Frau zu Wort kommen, die sagt:
„I think once the menopause is over you feel as though you’re fast approaching retirement and it doesn’t seem so very long now to being old. … It brings home to you that perhaps you’re in the last half of life … You sit and think, where are we going from here, what do I want to do now?“ (Frei übersetzt von Voos:) „Ich denke, wenn die Menopause erstmal vorüber ist, spürst du, wie sich dein Ruhestand nun rasch nähert. Es dauert nicht mehr so sehr lange und du bist alt … Diese Zeit bringt dir nahe, dass du vielleicht in der letzten Hälfte deines Lebens angekommen bist … Du sitzt da und denkst: Wo gehe ich von hier aus hin? Was will ich jetzt?“
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links:
Myra S. Hunter and Irene O’Dea (1997)
Menopause – Bodily changes and multiple meanings
Bodytalk, Routledge 1997, Page 24
Taylor & Francis
David W. Sturdee (2008):
The menopausal hot flush—Anything new?
Maturitas, Volume 60, Issue 1, 20 May 2008, Pages 42-49
https://doi.org/10.1016/j.maturitas.2008.02.006
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0378512208000418
Bansal, Ramandeep and Aggarwal, Neelam (2019):
Menopausal Hot Flashes. A Concise Review
Journal of Mid-life Health 10(1):p 6-13, Jan–Mar 2019.
DOI: 10.4103/jmh.JMH_7_19
https://journals.lww.com/…
Fabrice Midal
Foutez-vous la paix!
Flammarion Versilio, 2017
https://www.amazon.fr/Foutez-vous-paix-Fabrice-Midal/dp/2081404281
Louise Foxcroft (2010)
Hot Flushes, Cold Science:
A History Of The Modern Menopause
www.amazon.com/…
Handan Ozcan et al. (2019)
Complementary and alternative treatment methods for menopausal hot flashes used in Turkey
African Health Sciences, Vol. 19 No. 4 (2019)
Open Access
DOI: 10.4314/ahs.v19i4.21
https://www.ajol.info/index.php/ahs/article/view/192279
Megan Pound et al. (2024):
The swimming habits of women who cold water swim
Women’s Health, Volume 20: 1 –9, Open Access
https://doi.org/10.1177/17455057241265080
https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/17455057241265080
dieser beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 26.12.23
aktualisiert am 21.4.2025
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