Ist eine kPTBS heilbar?

Wenn du an einer komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung (kPTBS) leidest, wirst du vielleicht oft von tiefen Einsamkeitsgefühlen geplagt. Vielleicht kommt es immer wieder zu unaushaltbaren Spannungen in deinen Beziehungen und zu schweren körperlichen Symptomen. Es können auch kaum auszuhaltende Ängste dabei sein. Vielleicht fragst du dich: Ist meine kPTBS heilbar? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Ich für mich beantworte nach vielen Erfahrungen diese Frage so: Es gibt eine Art Heilung, ohne „geheilt“ zu sein.

Das Schlimmste bei der kPTBS ist es vielleicht, dass du dich deinen Beschwerden hilflos ausgeliefert fühlst. Es fällt dir vielleicht sehr schwer, einen Partner zu finden, arbeiten zu gehen und nicht in Anspannung zu geraten. Die Symptome kommen plötzlich wie bei einem Überfall. Leicht wird das Leben zu einem Drama. Die psychischen Schmerzen sind sozusagen „ungehalten“ und beziehungslos.

Was hilft?

Aus meiner Sicht ist bei einer kPTBS die Psychoanalyse in Kombination mit Yoga heilsam. Es dauert sehr, sehr lange, es braucht viel Zeit und man muss nahezu täglich daran arbeiten. Es kommt im Laufe der Jahre zu dem Gefühl, dass die eigenen Beschwerden von einem anderen (dem Psychoanalytiker) mitgetragen werden. Dieses Gefühl wird dann immer stabiler zum eigenen Gefühl und es wird möglich, die inneren psychischen Schmerzen mit der Zeit selbst zu tragen. Besonders erleichternd kann es sein, mit der Zeit zu merken, dass man über seine Zustände und Probleme so sprechen kann, dass die anderen es verstehen können. Auch das ist ein langer Weg.

Wenn du zum Beispiel eine Psychoanalyse machst, wächst deine Fähigkeit, dich selbst zu beobachten. Es findet eine innere Differenzierung statt. Auch, wenn Du Dich zum Zerreissen unruhig fühlst, so kannst du doch irgendwann ruhiger bleiben. Du merkst, dass die kPTBS auf deinen Körper geht, aber du kannst vielleicht auch immer mehr Mitgefühl mit dir selbst haben. Durch Yoga kannst du ein sehr feinsinniges Gefühl für dich selbst entwickeln. Anspannungen kannst du so viel früher bemerken. Du kannst dich im Alltag zunehmend auf eine verlängerte Ausatmung konzentrieren. Der unruhige Geist wird ruhiger.

„Früher ging ich immer davon aus, dass mich andere grundsätzlich nicht verstehen können. So habe ich es ja auch immer wieder erlebt. Ich war wie versteinert. Mit der Zeit habe ich gelernt, dass jeder Mensch auf seine Weise leidet und dass er das, was ich erlebe, auf seine Weise auch irgendwo kennt und vielleicht sogar nachvollziehen und mitfühlen kann. Seither fühle ich mich viel weniger einsam.“

„Yoga ist wie Hundeschule – zwar kann ich meinen Körper nicht immer kontrollieren, aber er gehorcht mir etwas besser“, sagt eine Betroffene.

Berührung wird möglich

Es gelingt dir vielleicht zunehmend, dich emotional berühren zu lassen und andere zu berühren. Die vorher oft „verstockte“ Kommunikation nach innen und außen wird weicher und fließender. Eine Betroffene sagt: „Ich kann mit anderen Menschen viel leichter in Beziehung treten, was der Einsamkeit entgegenwirkt. Ich kann die tiefe Einsamkeit wahrnehmen und muss nicht mehr gleich handeln, weil ich diesen Zustand nun auf irgendeine Weise halten kann.“

Ein Zeitgefüge entsteht

Innere Zusammenbrüche kommen immer wieder. Und manchmal ist es, als hättest du keine einzige Behandlungsstunde erlebt. In Phasen meinst du vielleicht immer wieder, ganz am Anfang zu stehen. Doch die Erfahrung zeigt, dass diese Phasen zu einem Ende finden. Vor der Psychoanalyse schienen die furchtbaren Zustände viel zeitloser zu sein.

„Heilung“ besteht also aus meiner Sicht aus der Fähigkeit, die furchtbaren Zustände besser zu tolerieren, sie zu beobachten und sie mitteilen zu können. Du kannst deine inneren Zustände besser einordnen. Dadurch wird das Gefühl von Ausgeliefertsein und Hilflosigkeit geringer. Gleichzeitig wächst die Fähigkeit, sich dem Leben hinzugeben und über das Ausgeliefertsein und die Hilflosigkeit zu meditieren. Die „Heilung“ bringt Beweglichkeit und Beziehung in das Ganze.

Was du erlebt hast, lässt sich nicht konkret ändern. Aber es kann sich innerlich weiterentwickeln und aus neuen Blickwinkeln betrachtet werden. Unsere „inneren Objekte“ verändern sich und somit auch unsere Beziehung zu uns selbst und anderen. Wir können das Erlebte in etwas Kreatives umwandeln und sich daraus etwas entwickeln lassen. Das fühlt sich oft so schön an, dass es einer Heilung gleichkommt – es ist die tiefe Zufriedenheit, die sich aus all der Arbeit gewinnen lässt. Es kann manchmal eine tiefe Sinnhaftigkeit aus etwas entstehen, was vorher zerrissen und sinnlos erschien. Und manchmal bleibt alles sinnlos und zerrissen. Den Wechsel können wir beobachten. Die Motivation zur harten Arbeit erwächst aus der Verzweiflung. Und oft fängt die bewusste und sinnvolle Arbeit mit Warten, Hoffen und Sich-Umsehen an.

Es ist vielleicht nicht gut. Aber so ist es gut.

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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 5.1.2022
Aktualisiert am 23.3.2025

4 thoughts on “Ist eine kPTBS heilbar?

  1. Maiken Liefeith sagt:

    wichtig. Selber machen. anfangen sich neue dinge ins Leben holen. Um stabiler zu werden und sich wieder mit dem Leben zu vernetzen.

  2. Dunja Voos sagt:

    Lieber Alexander,
    Ratlosigkeit. Haben Sie schon nach einem Psychoanalytiker gesucht? http://www.dgpt.de, http://www.dpv-psa.de?

  3. Maiken Liefeith sagt:

    Nein. Es mag schon sein, daß heilen kann, was Du anbietest. Es gibt aber auch andere Wege.

  4. Alexander sagt:

    „Und oft fängt die bewusste und sinnvolle Arbeit mit Warten, Hoffen, Sich-Umsehen und der Suche nach den geeigneten Hilfen an.“ Das probiere ich nun seit einigen Jahren. Hat sich bisher niemand erbarmen können mit mir zu arbeiten.
    Was ist der nächste Schritt?

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