Magersucht – der kindlicher Blick im alt wirkenden Körper kann auf sehr frühe Traumata hinweisen
Magersucht betrifft meistens Mädchen auf dem Weg ins Erwachsenenleben. Nicht wenige haben schon sehr früh im Leben medizinische Behandlungen über sich ergehen lassen müssen oder Gewalt und sexuellen Missbrauch erlebt. Durch Schuldgefühle bemüht sich die Mutter oft um eine besonders harmonische Beziehung. Die Kinder empfinden die sehr enge Beziehung häufig als etwas Gutes. Andererseits wollen viele auf eine auffallend starke Art nie „so werden wie die Mutter“.
Magersucht wirkt oft aggressiv, denn es hat vordergründig etwas Demonstratives: „Siehe, ich bin nicht satt geworden“, könnte die Botschaft lauten. Was gibt es Schlimmeres für Eltern, als zu sehen, dass sich das Kind so sehr selbst beschädigt? Es könnte ein Hinweis darauf sein, wie sehr das Kind einst selbst von den Eltern oder anderen nahestehenden Menschen beschädigt wurde. Häufig spielen auch Schuldthemen eine Rolle wie z.B. der Tod eines Geschwisters. Das eigene Leben scheint nicht mehr erlaubt zu sein.
Die Magersucht ist oft als Überlebenskampf zu verstehen. Sie wirkt oft auch wie ein Angriff gegen die Mutter oder den Vater. Abzumagern ist oft der Versuch, sich aus etwas herauszuschälen. Hinter dem wie aggressiv wirkenden Verhalten stehen oft unaushaltbare Phantasien, unbewusste Erinnerungen und (Körper-)Zustände. Möglicherweise gab es in der Familie die verschiedensten Formen von extremer Grenzüberschreitung, von (sexueller) Gewalt oder von Todeserlebnissen. (Spezialfall Vojta-Therapie als Baby: Immer wieder höre ich auch, dass magersüchtige Mädchen als Baby Krankengymnastik nach der Vojta-Methode auf dem Küchentisch erhalten haben.)
Komplex
Im schwer erträglichen Zuhause wissen die Betroffenen nicht, was sie tun sollen. Einerseits möchten sie ausbrechen, andererseits sind sie oft noch zu jung, um von zu Hause auszuziehen, oder sie fürchten sich (unbewusst) davor, mit einer Trennung die Eltern zu verletzen. Obwohl die Magersucht vordergründig eine Selbstschädigung ist, so ist sie häufig auch ein verzweifelter Versuch, sich zu befreien und den anderen zu verletzen. Doch hinter der Magersucht kann auch der Wunsch stecken, sich selbst fürsorglich zu behandeln.
Ein Ausstiegsversuch geht über die Leistung: Viele magersüchtige Mädchen und Jungen leisten unglaublich viel. Sie wollen sich unabhängig fühlen und fühlen sich doch abhängig. Wenn sie etwas schaffen, dann ist ein Elternteil vielleicht extrem stolz. Der Gedanke: „Siehst Du, das hast Du von mir“, könnte auftauchen. Und schon wieder sitzt man in der Falle. Nur im Hungern, da sind die Betroffenen sie selbst – so fühlt es sich für sie vielleicht an. Sie beherrschen sich selbst, aber auch andere. Sie bestimmen, wieviel sie zu sich nehmen und wieder abgeben.
Hilfe von außen erscheint bedrohlich
Oft kommen die magersüchtigen jungen Menschen auf Druck der Eltern in die Psychotherapie. Das ist für viele Betroffene in zweierlei Weise schlimm: Zum einen haben sie das Gefühl, die Eltern mischen sich ein und wollen erneut die Kontrolle übernehmen. Zum anderen ist es schwer für sie, Vertrauen zum Therapeuten aufzubauen. Wer das Bild von triumphierenden, gewalttätigen oder kontrollierenden Eltern in sich hat, der kann sich kaum vorstellen, dass andere Erwachsene nicht so sind. Und tatsächlich ist es nicht immer leicht, „nicht-kontrollierende Therapeuten“ zu finden, die weder Medikamente verordnen, noch mit der Waage ankommen.
Viele Mädchen und betroffene Jungen spüren, dass eine Psychotherapie auch Trennungsschritte von den Eltern mit sich bringt, doch das verstrickte System will von Trennungen verschont bleiben. Und umgekehrt: Als Betroffene/r möchte man nicht erneut in ein „therapeutisches Aufpasssystem“ geraten. Und obwohl die Unabhängigkeit das innere Ziel sein kann, kann eine grosse Angst vor dem Alleinsein bestehen.
Der Beginn der Therapie ist für viele Betroffene wie die Aufgabe des eigenen Selbst. Nicht selten leiten die Eltern die Therapie ein, aber sie sind es auch, die die Therapie gelegentlich wieder beenden, sobald sich Fortschritte zeigen. Zu groß ist die Angst der Eltern, dass das Familiensystem aus dem Gleichgewicht gerät, wenn es der Tochter/dem Sohn besser geht und sie/er wirklich unabhängig von ihnen werden. Manchmal nehmen die Eltern dann das Kind auch wieder aus der „unnützen“ Therapie wieder heraus.
„Bevor ich mich untergebe, übergebe ich mich lieber.“
Das Dilemma
Die Betroffenen haben es also auf vielen Ebenen schwer. Wenn sie sich von der Mutter trennen, tun sie ihr weh, so der (unbewusste) Gedanke. Wenn sie sich vom Therapeuten helfen lassen, haben sie das Gefühl, wieder unselbstständiger zu sein, aber gleichzeitig auch Trennungsschritte gegenüber der Mutter einzuleiten. Sie fühlen sich erneut gefangen. Zudem sind sie mit den selbst auferlegten Hungergesetzen Gefangene ihrer selbst. Der Gehirnstoffwechsel leidet und die Kommunikation mit dem eigenen Körper wird gestört. Die Betroffenen spüren das und oft hassen sie sich dafür.
Auch der Ekel spielt bei der Magersucht eine große Rolle. Mütterlichkeit, Fraulichkeit, Weichheit, Nähe – all das wird rasch als ekelig empfunden. Ekelgefühle entstehen oft dann, wenn eine zu große, distanzlose und abstoßende Nähe entsteht. Alles Weiche führt zu Ekel. Besser zu ertragen sind oft „harte Kanten“ (ähnlich wie bei der Autismus-Spektrum-Störung).
Musterkinder
Viele betroffene Mädchen sind Musterkinder, die überaus angepasst an die Umgebung sind. So angepasst, dass sie sich fast darin auflösen. Wie ein Strich in der Landschaft wandern sie umher. Sie fühlen sich oft ausgeliefert und ineffektiv. Sehr häufig haben sie ein besonderes Körperbild und empfinden sich als weitaus „dicker“ als sie sind. Viele haben das Gefühl, sie sind völlig ausladend.
Studien mit engen (Tauch-)Anzügen haben ergeben, dass die Magersüchtigen wieder zu essen anfangen, wenn sie sich gehalten fühlen (z.B. Grunwald & Weiss, 2005).
Viele magersüchtige Mädchen sind überdurchschnittlich intelligent und sehr verletzlich. In ihnen ist eine ungeheure „Sehn-Sucht“ nach Wärme und Geborgenheit, in der sie sich selbst nicht aufgeben müssen. Sie wirken kindlich und hilflos, gleichzeitig oft „über-erwachsen“ und sehr differenziert.
Bloß nicht werden wie die Mutter
Viele betroffene Mädchen haben Angst davor, wie sich ihr Körper mit dem Reifen verändert. Mit Erschrecken stellen sie fest, dass sie weiblicher und kräftiger werden. Sie wollen das Ganze aufhalten und Herr über ihren eigenen Körper sein. Kleine Bemerkungen von anderen können der Auslöser sein, dass sie anfangen zu hungern. Die Regelblutungen bleiben möglicherweise bald aus. Die Mädchen laufen wie auf Stelzen. So werden wie die Mutter wollen sie auf keinen Fall. Das ideale Ich ist ein unabhängiges, dünnes, geschlechtsloses Wesen.
Gestillt und gefüttert zu werden ist das früheste Erleben eines Babys mit der Mutter. Für beide hat das Thema „Nahrung“ große Bedeutung. Dabei kommt es nicht nur auf die feste Nahrung, sondern auch auf die seelische Nahrung an: Kann die Mutter gönnen, geben und lassen? Hat die Mutter ein gutes Gespür für Hunger und Entleerungsdrang ihres Babys? Hat sie selbst das Gefühl, (auch emotional) gut nähren zu können oder hat sie ständig die Sorge, ihr Kind bekäme zu wenig? Diese Fragen begleiten die Mütter manchmal so lange, bis die Kinder erwachsen sind („Nun iss doch, Kind!“).
Schuldgefühle verbieten dem Mädchen, sich von den Rosinen des Lebens zu nehmen
Viele Mädchen haben große Schuldgefühle, weil sie glauben, für die Eltern nicht gut genug zu sein oder Schuld am Missbrauch, an der Erkrankung eines Geschwisters oder an der Scheidung der Eltern zu sein. Manche schämen sich sogar unbewusst dafür, mit dem „falschen Geschlecht“ auf die Welt gekommen zu sein. Manche Mädchen geben sich die Schuld dafür, dass der Vater übergriffig und alkoholkrank, oder dass die Mutter depressiv oder schizophren ist. Diese Mädchen strafen sich mit der Nahrungsverweigerung selbst, aber sie geben auch dem Unaushaltbaren einen Ausdruck. Sie meinen, sich nichts von den Rosinen des Lebens nehmen zu dürfen.
Sie sind oft angepasst und glauben, dass sie nicht „zubeißen“ dürften. Sie verbieten sich nach außen hin jegliche Aggression, greifen jedoch ihren eigenen Körper und ihre Seele durch die Magersucht massiv an. Manchmal klauen sie Nahrungsmittel, horten sie und lassen sie wieder verfallen. Der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt – vom Kotzen in Vasen, die in der Wohnung aufgestellt werden und weitere, nahezu unvorstellbare Szenen kommen vor. Spätestens hier werden die Themen Aggression, Trauma, unbewusste Erinnerungen und Ekel offensichtlich. Oft wird die Askese wie eine Reinigung von Schuld (auch von der gefühlten „Schuld am Missbrauch“) und Last erlebt. Es darf nichts „verdaut“ werden – nichts darf in den Körper übergehen und daran „hängenbleiben“. Es muss wieder herausbefördert werden, bevor es den Darm erreicht, so die Vorstellung.
Die Mädchen wollen die Dinge lieber „auskotzen“ als „auskosten“.
Aufnehmen und Hergeben
Essen und wieder Ausscheiden sind bei Gesunden ein organisches Aufnehmen und Hergeben. In der Phantasie können viele Dinge aufgenommen und hergegeben werden. Daher kann die Nahrungsverweigerung symbolisch für viele unbewusste Phantasien stehen. „Ich habe Dich zum Fressen gern“, sagen wir. Manches Mädchen hat unbewusst das Gefühl, mit etwas zu verschmelzen oder die Mutter oder Sperma in sich aufzunehmen, wenn sie isst. Sie würde dann ohne Grenzen mit der Mutter oder dem Vater zusammen sein und sich selbst dabei verlieren. Dann finden sie die Mutter oder Vater lieber zum „Kotzen“.
Andere Mädchen haben die unbewusste Phantasie, dass das Aufnehmen bei der Frau auch bedeutet, den Geschlechtsakt aufzunehmen. Den Samen aufzunehmen und dick, also schwanger zu werden und hinterher ein Kind zu gebären. Manche Mädchen wiederum werden sexuell missbraucht und setzen die Aufnahme des Essens mit der Aufnahme des Penis in den Mund gleich.
Im Laufe psychoanalytischer Therapien kommen solche angstbesetzten Phantasien und schrecklichen Realitäten zutage. Wenn die Ängste bearbeitet werden, wenn die Lebensbedingungen der Mädchen verändert werden können, wenn das Mädchen in der Beziehung zum Therapeuten ein stärkeres (Liebes-)Gefühl für sich selbst und dn anderen entwickelt, wenn die Erfahrung von Trennung gemacht werden kann und das Mädchen gute Bindungen aufgebaut hat, dann kann die quälende Beziehung zum Essen an Bedeutung verlieren.
Die Mutter ist der „Container“ für die Gefühle des Kindes
In der Psychoanalyse gibt es das Modell, dass die Mutter der „Container“ für die psychischen Inhalte des Kindes ist. Das Kind gibt seine unaushaltbaren Körperzustände, seine Gefühle und Ängste bei der Mutter (z.B. als Baby durch Schreien) ab. Die Mutter nimmt das Baby wahr und verarbeitet die Zustände des Babys psychisch. Sie gibt dem Baby die psychischen Zustände sozusagen in verdauter Form zurück: Hunger wird (tatsächlich materiell) durch Milch gestillt, Wellen der Angst werden durch Beruhigung geglättet, unaushaltbare Zustände bekommen einen Namen und werden zu Gefühlen. Wann immer das „Container-Contained-System“ zwischen Mutter und Kind stärker gestört ist, können psychische Störungen entstehen.
Auch der Magen ist ein „Container“ – für Gefühle und vieles mehr.
Erfahren statt Lesen
Jede/r Betroffene hat ihre/seine eigene Geschichte, eigene Ängste, Wünsche und Phantasien. Darum können es Ratgeber oder Artikel über die Erkrankung meistens nicht schaffen, eine Veränderung zu bewirken. Jede Betroffene muss selbst im Gespräch „erfahren“, welche Nöte hinter der Erkrankung stecken. Es gibt vorübergehende anorektische Reaktionen, bei denen wenige therapeutische Gespräche oder auch Selbsthilfe ausreichen, um die Probleme zu lösen. Es gibt aber auch magersüchte Wege, die tödlich enden. Die meisten Geschichten liegen wohl irgendwo in der Mitte. Auf jeden Fall braucht es sehr viel Geduld, oft über Jahre und Jahrzehnte.
Wohin mit eigenen Aggressionen? Es ist immer schwer, mit Aggressionen umzugehen. Wenn in der Familie nicht gut über (Abgrenzungs-)Wünsche und Wut gesprochen werden kann, dann geschieht es vielleicht, dass Du Deine Magersucht auch als Aggression einsetzt. Du erhältst vielleicht recht viel Macht, wenn andere sich um Deine Gesundheit sorgen. Du kannst rund um gemeinsame Mahlzeiten vielleicht viel bestimmen – andere nehmen Rücksicht und Du wirst zu einer Art „Herrscherin“. Überlege, ob das der Fall sein könnte.
Vielleicht fühlst Du so etwas und verachtest Dich selbst und andere dafür. Es ist oft tatsächlich nicht leicht, andere Wege zu finden – gerade, wenn Deine Eltern vielleicht selbst psychische Probleme haben. Vielleicht ist es in Deiner Familie nur sehr schwer möglich, „normal“ und ruhig über Ärger, Befürchtungen und Wünsche zu sprechen. Da hilft manchmal nur die (zeitweilige) Trennung. Auch andere Beziehungen oder Psychotherapie können Dir Auswege zeigen und Möglichkeiten bieten, über Deine Vorstellungen und Gefühle zu sprechen.
Es geht nicht um verlerntes Essverhalten
In einer psychoanalytischen Therapie geht es in erster Linie nicht darum, das Essen zu kontrollieren oder „Erfolge“ beim Essverhalten auszumachen. Denn Hungern, Essen und Abführen sind wichtige Kontrollmechanismen der Betroffenen. Sie sind ja die Lösung, die sie selbst erst einmal gefunden haben, um mit ihren Spannungen umzugehen. Gerade wenn Fortschritte anstehen, greifen die Frauen auf dieses eigene Mittel zurück, um mit den Veränderungen zurechtzukommen.
Es sind also nicht unbedingt „Rückschritte“, wenn sich die Essstörung wieder verstärkt. Schulungen zum „richtigen Essen“ mögen manchmal nützlich sein, sind aber sehr oft fehl am Platz, denn viele Betroffene wissen sehr wohl, wie die „richtige“ Ernährung aussieht. Gerade sie sind sehr oft Expertinnen für gutes Essen und beköstigen andere nach höchsten Maßstäben. Nicht selten kommen die Mädchen „aus gutem Hause“, kennen das Essen „bei Tisch“, haben das Wissen über Vollkornprodukte und ausgewogene Ernährung. Belehrungen über richtiges Essen empfinden die Betroffenen oft als Bedrohung und/oder als Nicht-Anerkennung ihres oft sehr guten Wissens über die Ernährung.
Magersucht kann ein Versuch sein, die Außenwelt draußen zu lassen, weil alles, was von ihr aufgenommen wird, zur bedrohlichen Innenwelt wird.
Auch der erste Kontakt zum anderen Geschlecht und der Austausch von Zärtlichkeiten können so verunsichern, dass eine Magersucht ausgelöst wird. Doch das alleine reicht meistens nicht. Schaut man genauer, findet man fast immer Zusammenhänge, die die Schwierigkeiten der Mädchen besser erklären können.
Zusatzinfos: Magersucht und Bulimie
Magersucht ist die Sucht, mager zu sein. Auch wenn es viele Ähnlichkeiten zur Bulimie („Fress-Brech-Sucht“) gibt, so sind die dahinterliegenden Konflikte doch oft anders. Aber natürlich gibt es Übergänge. Der Begriff „Bulimarexie“ steht für eine Mischform zwischen Magersucht und Bulimie. Der Fachausdruck für Magersucht ist „Anorexie“ und leitet sich vom Griechischen „orexis“, also „Verlangen“ ab. „Anorexie“ heißt wörtlich „ohne Verlangen, Appetitlosigkeit“. Psychotherapeuten unterscheiden mitunter diese Typen:
Betroffene vom asketischen Typ (Restricting Type) wollen oft ausschließlich durch Hungern das Gewicht minimieren. Betroffene vom hyperorektischen Typ achten auf kalorienarme Ernährung und nehmen Abführmittel (Laxanzien) oder Entwässerungstabletten (Diuretika) ein. Diese Betroffenen sind ständig in Bewegung. Der Hunger quält sehr, oft kommt es zu Heißhungeranfällen. Manche geben den Heißhungeranfällen nach und erbrechen dann (Binge-Eating/Purging Type). Diese Form wird auch Bulimarexie genannt. Andere ignorieren das Heißhungergefühl. Im echten Leben lassen sich solche Unterscheidungen häufig nicht treffen. Insbsondere mit den Veränderungen des Lebens und der eigenen Weiterentwicklung verändert sich auch der Umgang mit dem Essen und seine Bedeutung.
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Links:
Sven Cnattingius et al. (1999):
Very Preterm Birth, Birth Trauma, and the Risk of Anorexia Nervosa Among Girls
Arch Gen Psychiatry. 1999;56(7):634-638. doi:10.1001/archpsyc.56.7.634
https://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/fullarticle/205100
Jennifer Malecki et al. (2017)
Childhood trauma and anorexia nervosa: from body image to embodiment
Health Care for Women International, Volume 39, 2018 – Issue 8: pages 936-951
https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/07399332.2018.1492268
„Body image has come to symbolize all that can go wrong with women’s relationships with their bodies, food, and eating. The problem with this approach is its failure to consider the experience of women who have survived childhood abuse.“
Lilly Lia Hoffmann (2024)
Yoga bei Essstörungen
lillylia-yoga.com
Thomas Ettl (2006):
Mythos Essstörungen.
www.psychoanalyse-aktuell.de
Hilde Bruch:
Der Goldene Käfig. Das Rätsel der Magersucht.
https://bibliophiline.wordpress.com/2014/05/17/der-goldene-kafig-das-ratsel-der-magersucht-von-hilde-bruch/
Tilmann Habermas:
Zur Geschichte der Magersucht.
Eine medizinpsychologische Rekonstruktion.
amazon.de
Lucia Westerhausen:
„Schlankheit ist jetzt nicht mein Lebensziel“
Essstörungen und Bewegungsbiografien in weiblichen Lebensgeschichten
Verlag Dr. Kovac, 2009
VG-Wort Zählmarke im ersten Abschnitt (e08bfd4878b1415bbe4b856c10c4b685)
Dieser Beitrag erschien erstmals am 11.1.2012
Aktualisiert am 26.01.2025
7 thoughts on “Magersucht – der kindlicher Blick im alt wirkenden Körper kann auf sehr frühe Traumata hinweisen”
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Danke, liebe NinaHuba, für diese wichtige Ergänzung. Ich habe auf Ihre Anregung hin einen Absatz zu diesem Thema hinzugefügt.
Ein Punkt fehlt mir, nämlich der sekundäre Krankheitsgewinn.
Magere Magersüchtige gewinnen erheblich an Macht über Menschen, die sie umgeben. Die Tochter ist die Königin, die entscheidet, wann und was gegessen wird. Ein Blick reicht, um eventuelle Skeptiker ruhigzustellen und dafür zu sorgen, dass sie aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden.
Eine Mutter war den ganzen Tag damit beschäftigt, was ihre Tochter gern essen würde. Entsprechend wurde das Restaurant ausgewählt. Aja. Sport dürfe sie nicht mehr machen. War zuvor nicht die Sportskanone, aber plötzlich wollte die Tochter ständig laufen gehen und verfiel in Depressionen, weil das nicht mehr ging. Naja, hat sie ja auch nicht ahnen können, dass und welche Konsequenzen ihr Handeln hat. Furchtbar. Ich musste an kleine Tyrannen denken. Aber ich bin ja auch kein Therapeut.
So zu tun, als ob Kinder von Haus aus Engel wären, halte ich allerdings für nicht richtig. Und eine Aushöhlung der Psychoanalyse. In einer Therapie müssen aber auch diese unschönen Seiten thematisiert werden.
Lieber Jay,
vielen Dank für Ihren Kommentar! Sehr interessant finde ich Ihre Beschreibung, dass Sie eine Sie „einverleibende“ Mutter hatten. Da sind Essstörungen ja eine logische Konsequenz.
Viele Grüße
Dunja Voos
Liebe Annaapfel,
herzlichen Dank für Ihre Rückmeldung und Ihre offenen Worte! Besonders interessant finde ich Ihre Bestätigung, dass „Essschulungen“ bei Magersucht oft einfach „Blödsinn“ sind (im wahrsten Sinne des Wortes), weil der Sinn der Magersucht dadurch verkannt wird.
Ihnen alle guten Wünsche – besonders auch für die Psychoanalyse!
Dunja Voos
Danke für diesen großartigen Artikel!
Ich wurde als Jugendliche magersüchtig und rutschte dann plötzlich in massive Essanfälle mit einer dementsprechenden Gewichtszunahme ab,
In meinem ersten Klinikaufenhalt wurde ich an den sogenannten „Essbegleittisch“ gesetzt – was für ein Blödsinn. Wie Sie beschreiben, wusste ich selbstverständlich ganz genau, wie eine gesunde Ernährung funktioniert. Ich habe mich zwanghaft an alle vorgegeben Pläne gehalten, was als Heilung angesehen wurde. Ebenfalls – was für ein Blödsinn.
Ich agierte meine Anspannung dafür immer mehr über Selbstverletzungen aus, aber dieser offensichtliche Zusammenhang wurde nicht erkannt.
Ich kenne sehr viele junge Frauen, die teilweise etliche Aufenthalte in „Spezialkliniken“ für Essstörungen hinter sich haben. Die kommen dann mit ein paar Kilo mehr und einem „Plan für die Zeit nach der Klinik“ wieder. Leider wird dieser dann zwanghaft befolgt und es sind keine Abweichungen möglich.
Klar, wenn jemand gesundheitsgefährdent untergewichtig war, kann so etwas als Erfolg verbucht werden, aber es ist halt nur der erste, kleine Schritt. Leider herrscht oft die Meinung vor, dass psychische Probleme mit einem erreichten und gehaltenen Normalgewicht auskuriert sind.
Meinen Beobachtungen nach kommt es dabei einfach nur zu Symptomverschiebungen.
Ich bin heute immer noch übermäßig stark mit meiner Figur beschäftigt und habe Angst davor, zuzunehmen, aber mein Ideal hat sich verändert. Ich habe eine sportliche, aber sehr weibliche Figur und freunde mich immer mehr damit an.
Mir hilft es, mir in „schlimmen Phasen“ vor Augen zu halten, dass es in diesem Moment am wenigsten um das Essen oder mein Gewicht geht und zu schauen, was dahinter stecken könnte.
Zudem hilft mir die Therapie (Psychoanalyse) sehr.
Jay, ein kleiner Tipp: kämpfe am besten gar nicht gegen das Kalorienzählen an. Lass es einfach geschehen, denn wenn du versuchst, es zu unterdrücken, kann es zwanghaft werden. Im Idealfall schaffst du es, dich selber mit Humor zu nehmen und lächelnd über dich selber und über die Marotte des Kalorienzählens den Kopf zu schütteln. Innerlich. Es ist toll, dass du von der Erkrankung weggekommen bist, akzeptiere einfach, dass es noch einen kleinen Rest davon in deinem Kopf gibt, so wie eine Narbe, wenn man einen Unfall hatte. Je weniger man dagegen ankämpft, umso eher verblasst dieser letzte Rest dann auch noch.
Ich habe, obwohl ich kein Mädchen bin, zeitweise ebenfalls meine Erfahrung mit dieser Essstörung machen müssen. Um das sechzehnte Lebensjahr begann ich mit selbst auferlegten Hungerkuren abzunehmen. Danach, mit ungefähr 18, artete es in eine bulimische Erkrankung aus, die ca. ein Jahr andauerte.
Die dominante, klammernde, zuschnürende, einen sich einverleibende Mutter war bei mir wahrscheinlich auch der Auslöser. Hinzu kam, dass ich von meiner Mutter als narzisstisches Selbstobjekt zur Präsentation nach außen benutzt wurde. Sie ist aus der Modebranche – da musste der Sohn natürlich auch rank und schlank und toll aussehen.
Interessant ist, dass bei Freud die Nahrungsaufnahme den Sexual- und Destruktionstrieb gleichzeitig verkörpert.
Vollkommen „normal“ ist mein Verhältnis zum Essen bis heute immer noch nicht. Auch wenn die Störung akut schon lange nicht mehr vorhanden ist, so erwische ich mich oft dabei, wie ich im Kopf Kalorien mitzähle.