Zu viel Freizeit tut Alleinerziehenden nicht gut
Also wie soll ich sagen? Natürlich tut ein Abend am See oder im Biergarten gut. Natürlich ist es schön, wenn man keine Schulbutterbrote schmieren muss und vielleicht sogar länger schlafen kann. Aber für viele Alleinerziehende stellen sich in jeden Ferien auf’s Neue ähnliche Probleme ein. Man fährt von Hundert auf Null, wenn die Kinder beim Vater sind. Die Ferien ermöglichen es zwar, sich einmal das Hirn durchpusten zu lassen, doch es sorgt auch für Einsamkeit und Lähmung.
Nicht wenige Mütter haben nie Erholung, weil es keinen Vater (bzw. kein anderes Elternteil) gibt. Bei ihnen sind die Kinder dann auf einmal nur noch da, weil Kita und Schule geschlossen sind. Bei vielen muss die Arbeit weiter gehen, denn sie arbeiten selbstständig, weil sich eine Festanstellung mit dem Alleinerziehen oft nur sehr schwer vereinbaren lässt. Die Anspannung bleibt.
Alleinerziehende sind schon im Alltag meistens erschöpft und angespannt. Was sie oft gelernt haben, ist, sich der Mühle hinzugeben. Viele können die unzähligen notwendigen Arbeitsschritte so gestalten, dass sie darin quasi meditieren. Die vielen Termine und Arbeitspunkte können wirken wie ein Korsett – negativ, weil’s zu eng ist, aber auch positiv, weil ein Korsett Halt gibt. Wenn man „im Tritt“ ist, ist die Erschöpfung geringer als wenn die Schritte ungleichmäßig werden. Das wäre auch bei einer langen Wanderung so.
„Ach bleib‘ doch noch!“
So manche Alleinerziehende lässt sich überreden, jetzt doch mal länger auf zu bleiben und die Sommernachtsfeste zu genießen. „Ist ja auch schön“, denken sich viele, während sie doch nervös mit den Händen spielen, weil sie denken: „Eigentlich müsste ich jetzt am Schreibtisch sitzen.“ Und dann kommt am nächsten Tag die Gewissheit, dass die Arbeit nicht getan wurde. Es waren keine Heinzelmännchen da. Was erschöpft, ist nicht die getane Arbeit- es ist die Arbeit, die vor einem liegt.
Bei Alleinerziehenden ist die Erschöpfung dann am geringsten, wenn sie in allem einen Mini-Schritt voraus sind: wenn die Wäsche etwas früher gewaschen werden konnte, obwohl der Korb noch nicht ganz voll war. Wenn das Auto beim TÜV war, obwohl man noch zwei Monate Zeit gehabt hätte. Wenn die Zahnarztvorsorge schon stattgefunden hat, kurz bevor der Termin fällig geworden wäre. Dieses „Immer-ein-bisschen-Vor-Sein“ hilft vielen Alleinerziehenden, denn dann haben sie das Gefühl, einen Puffer zu haben. Etwas vorschlafen ist wichtig, weil Alleinerziehende immer einberechnen müssen, dass das Kind nachts kotzt oder die Kinder sie mit Husten und Alpträumen wecken.
Geht schon
Wenn der Alltag geregelt ist, ist mehr oder weniger alles gut. Entfällt der Alltag und gibt es mehr Freizeit-Verlockungen, kann alles ins Wanken geraten. Manche Alleinerziehende fühlen sich, als hätten sie einen Kater, ohne etwas getrunken zu haben. Die Nachwehen der „zu vielen Freizeit“ schlagen auf’s Gemüt, weil man mit der Arbeit rasch nicht mehr nachkommt oder weil man sich plötzlich wie gelähmt fühlt und gar nichts mehr tun kann.
Auf Reisen liegt die ganze Verantwortung auf einer Person (wenn man denn alleine mit den Kindern fährt) – pünktlich die Busse, Züge, und Flieger erreichen. Reiseunterlagen, Pässe zusammenhalten. Selbst gesund bleiben. Die Kinder gesund halten. Laune aufrecht erhalten. Für Bespaßung sorgen. Und nie sagen können: „Halt mal kurz das Kind“ – Oder: „Mach du mal kurz, ich muss auf’s Klo.“
Wie konnte ich mich bloß freuen?
Und schon bald ist nur noch schwer nachzuvollziehen, warum die Freude auf die Ferien so groß war. Die Anspannung ist immer noch da, die Unregelmäßigkeiten, Organisationsprobleme, Verdienstausfälle und hohen Kosten der Ferien machen unruhig, Und so manches Mal freut man sich dann schon auf das 20. Schulbutterbrot der Zukunft, denn dann kann es sein, dass man endlich wieder in der Struktur ist, in der man am besten funktioniert.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 2.8.2018
Aktualisiert am 5.11.2024