Grausame Kreise – eine kurze Geschichte der Weihnachtseinsamkeit
Es war, als sei ich eines Tages, mitten im Leben, aufgewacht inmitten einer großen Leere. Wie konnte ich nur hierhin gekommen sein? Wo waren die anderen? Die anderen waren im Kreise ihrer Familie. Dort waren sie geboren, feierten ihre Feste, heirateten und starben dort. Mir wurde kalt. Im Alltag, im Beruf, da war ich im Kreise meiner Freunde und Arbeitskollegen. Aber Mengenleere ist grausam: Sobald die Feiertage kommen, ziehen sich alle in ihre Kreise zurück. Unruhe machte sich breit. „Neidisch ist man besonders auf die, deren Ziele man theoretisch auch selbst hätte erreichen können“, hörte ich. „So weit wie Du kommen die meisten mit Deinen Startbedingungen gar nicht“, tröstete mich eine Freundin.
Egal, was ich hörte – es konnte meinen Schmerz nicht übertönen. Er wurde laut und lauter. Immer um diese Zeit. Immer an Weihnachten. An Ostern. Im Sommer. „Nie war der Schmerz so groß wie dieses Jahr“, dachte ich. Jedes Jahr. „Das Grausamste an Gewalt in der frühen Kindheit ist, dass sie zur Einsamkeit verdammt“, sagten mir meine Gedanken. Manchmal konnte ich einfach nur laut aufschluchzen, weil es so weh tat. Mitten in der Nacht. Mitten in der Vorlesung. Mitten im Nirgendwo.
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Dieser Beitrag erschien erstmals am 22.12.2017
Aktualisiert am 1.4.2024