„Dann mach‘ ich’s lieber selbst kaputt“ – warum wir das Gute angreifen
Wenn es uns selbst gerade schlecht geht, können wir das Wohlergehen der anderen manchmal nicht gut ertragen. Vielleicht können wir es auf gewisse Weise schwer mit ansehen, wie gut es unserem Partner oder unserem Kind geht, während es uns selbst oft so schlecht ergangen ist. Vielleicht fühlen wir uns im Stich gelassen oder es wird uns schlecht. Wenn wir als Kind Eltern hatten, die aus heiterem Himmel böse wurden, schlugen, schrien, Therapien veranstalteten, dann haben wir Eines immer wieder erlebt: Unser Wohlergehen wurde wie aus dem Nichts zerstört. Der Schmerz von Vater und Mutter schlug um in Gewalt gegen uns. Und dann passiert etwas Schlimmes mit dem wertvollen Zeitraum, in dem es uns gut geht: Er scheint uns ständig bedroht.
Wenn es uns gut geht, bekommen wir eine große Sehnsucht danach. Das Gutgehen soll nicht enden. Aber da jedes Gutgehen – wie auch das Schlechtgehen – natürlicherweise auch wieder zum Ende kommt, wollen wir unbewusst vielleicht das Gutgehen lieber selbst beenden. Das geht ganz schnell: Jemand sagt etwas Gutes zu uns, sodass wir uns wohlig fühlen. Und dann ist es, als ob eine innere Kraft käme, die dieses Gute angreifen will.
Der innere Angreifer kann unter anderem ein Rest von früher sein. Plötzlich „hören wir uns etwas sagen“, das das Gute zerstört, das der andere uns eben gegeben hat. Wir finden es schwer, diese gute Zeit, diesen guten Moment, diesen wertvollen „Augenblick“ auszuhalten. Der andere könnte es sich ja schnell anders überlegen oder es könnte ein Zerstörer von draußen kommen. Also sagen wir rasch etwas und machen es selbst kaputt. Und dann machen wir uns dafür wiederum fertig. Manchmal geht es uns wieder besser, wenn wir bewusst versuchen, uns selbst in Ruhe zu lassen.
Das Gute verunsichert uns
Das Gute ist nach Traumatisierungen manchmal problematischer als das Schlechte, weil „Gutes“ = „Bevor Schlechtes kommt“ heißt. Aber wenn wir lernen, dieses „Plateau des Guten“ auszuhalten, wenn wir uns bewusst darauf einlassen, dass gerade ein guter Moment da ist, dann können wir üben, ihn zu halten. Wir können hier unsere geistige Kraft genauso trainieren wie unser Gleichgewicht. Das Gute ist ein Gleichgewicht, das vielleicht leichter kippen kann als das Schlechte. Das Schlechte ist schon am Boden. Um das müssen wir uns keine Sorgen machen. Es ist stabiler.
Langsam werden und genau gucken, was wir da tun. Dadurch können wir das Gute manchmal länger halten.
Einlassen
Es ist ein Abenteuer, sich auf das Gute einzulassen. Es stehen zu lassen. Es gut sein zu lassen. Es ist wichtig, die Angst, die damit verbunden ist, zu spüren und anzunehmen. So kann sich das Gute ausdehnen, mehr Platz einnehmen, geräumiger werden, stabiler werden. Und so verlieren wir auch die Angst vor uns selbst: Wenn wir lernen, nicht mehr reinzupreschen, nicht mehr sofort zu reagieren, nicht mehr das Gute zu zerstören, wenn wir lernen, uns zurückzuhalten und unsere Ohnmacht auszuhalten, kann das Gute immer länger bleiben. Wir akzeptieren, dass es irgendwann von irgendwo her, von innen oder außen aufhören kann. Aber wir müssen das Aufhören nicht mehr aktiv beschleunigen.
Wir müssen nicht mehr an unserem Unglück aktiv mitbasteln, damit es erträglicher wird. Irgendwann bleiben wir gelassener, wenn uns etwas Gutes geschieht. Wir halten es dann vorsichtiger und mit mehr Würde.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 20.3.2017
Aktualisiert am 23.12.2024
One thought on “„Dann mach‘ ich’s lieber selbst kaputt“ – warum wir das Gute angreifen”
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Hallo!
Genau füt dieses Konzept suche ich einen theoretischen Hintergrund! Also das lieber selbst kaputt machen, als es zu verlieren. Lieber selbst etwas falsch machen und DESWEGEN verlassen werden als EINFACH NICHT GELIEBT ZU WERDEN
Wer hat darüber geschrieben? Könnten Sie mir da für meinen Prüfungsfall weiterhelfen?
Heißen Dank und beste Grüße
Sonja Groß