Die Perle in mir – wann mach‘ ich auf, wann mach ich zu?
Da ist eine Perle in mir. Ich bin eine Auster und lasse mich in der Tiefe des Meeres sanft hin- und herbewegen. Meistens ist meine Schale zu, denn ich befürchte, dass man mir meine Perle klauen könnte, wenn ich mich öffne. Was aber, wenn es gar nicht (mehr) so ist? Was, wenn die anderen respektvoll vor mir stehen bleiben? Wenn sie mein Gesicht, meine Perle respektieren? Wenn sie selbst darum bemüht sind, meine Perle zu beschützen? Ich komme an einer anderen Auster vorbei. Sie ist weit offen und trägt eine wunderschöne Perle. Ich sehe sie glänzen. Neid kommt auf. Und auf einmal bin ich es, der rauben will! Ich will diese Perle haben, ich will sie klauen, mir zu eigen machen. Doch dann fällt mir meine eigene Perle ein. Ich hätte nichts davon, die andere Perle zu klauen. Sie würde nicht zu mir passen. Ich hinterließe eine leere Schale und würde selbst einsam werden. Da ist es doch sinnvoller, ich lasse meine eigene Perle in Ruhe wachsen, sodass sie selbst schön glänzt.
Wenn jemand meine Perle angreift, kann ich mich schützen und meine Schale verschließen. Wenn ich merke, der andere respektiert meine Perle, kann ich mich wieder öffnen. Und so kann ich mich hin- und herbewegen und schauen und mich anpassen und mich anschmiegen und mich zu- und wieder aufmachen. So, wie es für mich genau richtig ist. Wie in einem Tanz mit dem anderen.
Ich glaube, ich wollte mich auch vor mir selbst schützen. Ich spüre manchmal den Drang, der anderen Muschel die Perle zu klauen und gehe davon aus, dass andere diesen Drang kennen und daher auch mir meine Perle klauen wollen. Doch ich kann auch davon ausgehen, dass auch andere dieselbe Erkenntnis haben wie ich: Dass auch die Perle des anderen schützenswert ist.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 10.3.2017
Aktualisiert am 30.7.2024
2 thoughts on “Die Perle in mir – wann mach‘ ich auf, wann mach ich zu?”
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Das freut mich, liebe NinaSaupe! Danke.
Wunderbar geschrieben, danke!