Dieser Zwang, zu zerstören: eine Vojtatherapie-Geschichte
Dieser Zwang zu zerstören entsteht nur aus Angst. „Nie wieder“ lautet das Ziel. Immer. Das Kind, es kann nur erahnen, wann der nächste Angriff kommt. Sein Schreien klingt wie eine Melodie. Erst zaghaft, fragend, klagend. Können die das wirklich wieder tun? Diesmal wird’s doch nicht so schlimm – oder? Doch, auch diesmal wird’s schlimm. Und erbarmungslos. Die Sprache, es gibt sie noch nicht. Kein Wort. Das Schreien steht auf. Das Kind, es schreit in Not. Alle hören es. Doch keiner hört hin. Keiner geht hin. Die Täter und Täterinnen machen weiter. Verzweiflung. Spitze, verzweifelte Schreie. Das hört niemals auf. Es geht um Leben und Tod. Um alles oder nichts. Es gibt kein Zeit-Erleben, kein Weiterleben. Sterben geht nicht, nur vielleicht. Totstellen geht nicht, weil der Druck zu Reflexen zwingt. Das Kind hat es schon oft probiert, das Totsein. Es ist alles unendlich. Es hört nie mehr auf.
Das Kind, es kapiert: Es ist Opfer.
Nun mischt sich auch Wut in die Schreie. Grenzenlose Wut. Weite Wut. Wüste Wut. Verdammte Hacke! Es wird zu Bewegungen gezwungen, die es nicht will. Immer und immer wieder. Es kann nicht ausruhen, sich nicht zurückziehen. Die Bewegung wird von ihm abverlangt, in ihm ausgelöst, von irgendwoher. Auf ihm, über ihm, in ihm – da sind sie alle. Mit vielen Händen.
Am Ende lächelt es.
Das Kind, es ist erwachsen. Und immer diese bohrende Angst. Der andere, er ist die Gefahr. Die Wiedergeburt, sie wäre die Gefahr. Als Baby wiedergeboren werden und wieder Vojta bekommen. Ewiges Leben, das ist die Gefahr. Ewig sich wieder fühlen wie in Vojtas Zwang. Und immer, wenn das Kind mit anderen Menschen beisammen ist, wenn es zu zweit ist, dann kommt dieser Zwang: „Hab‘ Angst, denn sie schützt dich vor neuen Angriffen. Warte nicht auf das, was da kommt. Sei vorbereitet. Mach es kaputt, bevor es zu spät ist. Bring dich um, bevor du ins ewige Leben rutschst. Sei wachsam. Pass auf. Lass es nie wieder geschehen.“
Was immer das Kind als Baby auch gemacht hätte: Es hätte sich niemals schützen können. Angst hätte es nicht geschützt, Vorsicht hätte es nicht geschützt, Schreien schützte es nicht (nur vielleicht). Das Schicksal war stärker. Jetzt ist das Kind groß. „Gib dich dem Schicksal hin, lege deine Hände in den Schoß und schau, was kommen wird“, sagt der Herr Klugemann vom Meditationszentrum. Niemals. Nur wer achtgibt, nur wer zerstört, der ist vorbereitet auf seine ewige Zeit als Opfer.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 26.4.2016
Aktualisiert am 29.3.2024
One thought on “Dieser Zwang, zu zerstören: eine Vojtatherapie-Geschichte”
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oder man macht es wie es bisher so tief in mir verankert war. Man tut einfach meist nichts, ist und bleibt noch als Erwachsene handlungsunfähig, in sehr vielen Lebensbereichen, weil man es viele Jahre tagtäglich immer und immer war. Noch heute lasse ich viel zu vieles, was ich nicht möchte, was nicht gut für mich ist einfach geschehen. Ich spüre im Vorraus, etwas ist nicht gut für mich. Aber ich lächele freundlich, passe mich dem Schlechten an ( denn dann könnte es vielleicht wenigstens etwas weniger schlimm sein) und ich warte einfach ab, lasse geschehen und halte aus, in dem Gefühl.: Was kommen soll, ist ohnehin unvermeidlich und ICH kann nichts dagegen ausrichten, denn das konnte ich noch nie. Wut über dieses Ausgeliefertsein von dem ich so tiefgreifend überzeugt war, richtete sich, wenn sie denn aufflammte in allen Formen gegen mich selbst. Erst vor kurzem habe dieses Muster in mir erkannt, das aus vielen tiefen Erfahrungen mit eben dieser Therapie entstanden ist, Jetzt versuche ich in ganz kleinen alltäglichen Schritten das bewusste aktive Handeln zu lernen, weg vom passivem Geschenenlassen, hin zum Handeln, entscheiden und damit bestimmen, was geschieht und was nicht, – Das ist ein neues Ziel für die Zukunft.