Wenn Du Schulangst hast, brauchst Du einen guten inneren Raum
Die Fehlstunden häufen sich und Du weißt nicht weiter: Morgens in der Schule wird’s Dir oft so schlecht, dass Du nach Hause gehen musst. Oder aber Du möchtest flüchten, hast jedoch das Gefühl, dass Du unbedingt in der Schule bleiben musst. Du fühlst Dich bedroht, eingeschlossen und gezwungen. Und so richtig helfen kann Dir scheinbar niemand – Du hast Schulangst. Genaugenommen unterscheidet man zwischen „Schulphobie“ und „Schulangst“. Bei der Schulphobie hat man konkret Angst vor der Schule – zum Beispiel vor Mobbing, vor dem Gebäude, vor den Lehrern oder vor Klassenarbeiten. Bei der „Schulangst“ sind verschiedene Ängste beteiligt, die sich in der Schule besonders zuspitzen wie z.B. Angst vor Krankheiten oder Angst davor, dass irgendwas mit den Eltern ist. Im Grunde aber geht eines in das andere über.
Wenn Du Dich zu Hause nicht wohlfühlst, weil Deine Eltern so viele Probleme haben, vielleicht laut streiten, Dich oft bestrafen oder Alkohol trinken, dann hast Du nicht den Kopf frei zum Lernen. Du bist beschäftigt mit der „Nicht-Geborgenheit“ und musst Dich ständig sorgen. Wenn Du dann in der Schule sitzt und Dein Zuhause gar nicht mehr im Blick hast, dann bekommst Du vielleicht Panik. Du kannst aber in vielen Mini-Schritten daran arbeiten, einen guten „inneren, psychischen Raum“ aufzubauen, z.B. indem Du Deinen Körper gut kennenlernst und eine gute innere Stimme entwickelst.
Vielleicht üben Deine Eltern auch einen hohen Druck auf Dich aus – sie verbieten Dir das Spielen und erwarten gute Noten, damit Du einmal einen guten Beruf ergreifen kannst. Deine Eltern haben also vielleicht selbst Angst vor vielem. Vielleicht haben sie selbst keinen Schulabschluss. Dann fragst Du Dich vielleicht irgendwo auch, was passiert, wenn Du besser wirst als Deine Eltern.
Kinder wollen manchmal während der Schulzeit nach Hause, weil sie die Lage checken wollen. Sie wollen sehen, ob noch alles halbwegs in Ordnung ist, ob es Vater, Mutter oder Geschwistern gut geht. Sie wollen ihrer Familie irgendwie helfen und das können sie eben nur, wenn sie zu Hause sind. Das ist den Kindern oft gar nicht so bewusst – die meisten können das so gar nicht beschreiben.
Was kann ich tun?
Um Dich wohlzufühlen, brauchst Du ein Gefühl von innerer Freiheit, aber auch von Geborgenheit. Beides fehlt Dir vielleicht. Vielleicht kannst Du einmal überlegen, welchen Lehrer oder Schüler Du in der Schule wirklich gut findest – manchmal kann die Angst etwas zurückgehen, wenn man weiß, dass da in der Schule jemand ist, der „gut“ ist, also der viel versteht, geduldig ist und wirklich für einen da ist. Versuche, jemanden zu finden, der in der Schule ist und der Dir ein Gefühl von Halt gibt.
Die Schule kann manchmal auch wie ein Zufluchtsort sein – während Du in der Schule bist, hast Du vielleicht Ruhe vor der Unruhe zu Hause.
Versuche, Dir einen eigenen inneren Raum zu schaffen. Schaue, dass Du etwas mit in der Schultasche hast, was Dir gut tut – eine duftende Creme vielleicht, ein Bild mit schönen Farben oder einen weichen Schal. Versuche, eine Körperhaltung herauszufinden, die Dir gut tut. Es kann gut tun, die Fingerkuppen beider Hände aufeinander zu legen – das kann Dir das Atmen erleichtern. Du kannst auch so ausatmen, als würdest Du gegen eine Scheibe hauchen, nur mit geschlossenem Mund (Ujjayi-Atmung). Achte außerdem darauf, wie Du innerlich selbst mit Dir sprichst („Wie sprichst Du eigentlich mit Dir?“). Schau einmal in Deiner Umgebung oder in Filmen, wer eine angenehme Stimme hat und freundlich spricht. Versuche, selbst mit Dir freundlich und mitfühlend zu sprechen. Wenn Du wütend bist, kannst Du aber auch in Deinen Ärmel oder Ellbogern schreien: „Ich bin so sauer!“ Mache Dir auch klar, dass die Zeit vergeht. Du kannst Dir die Minuten bis zum Stunden-Ende aufschreiben und hinter jedes Minütchen, dass Du geschafft hast, ein Häkchen machen. Wahrscheinlich bemerkst Du irgendwann, dass die Angst nachlässt. Du kannst auch auf die Toilette gehen und warmes Wasser über Deine Hände laufen lassen. Die Wärme kann beruhigen. Auch kannst Du Dir mit der Faust über den Brustkorb rubbeln.
Ohnmacht kann beängstigend sein – Kontrolle kann helfen
Sich ohnmächtig zu fühlen, kann sehr beängstigend sein – aber Du kannst immer noch atmen (zumindest bewusst ausatmen). Wenn bei Dir Handys verboten sind, versuche mit Lehrern zu sprechen und zu erklären, dass dir das Handy Sicherheit geben kann. Vielleicht kannst Du auch fragen, ob es in der Schule einen Ruheraum gibt, in den Du Dich bei Angst für ein paar Minuten zurückziehen kannst. Du kannst Dich auch auf die Toilette zurückziehen, aber das ist echt traurig – versuche, Mitgefühl mit Dir selbst zu haben.
Vielleicht fühlst Du Dich in der Schule eingesperrt. Verschlossene Fenster, die man aus Sicherheitsgründen nur kippen kann, abgeschlossene Türen, Schultore und Verbote vergrößern Deine Unruhe enorm. Häufig ist es nicht das konkrete Eingesperrtsein, das Angst macht. Aber es ist ein Symbol des Eingesperrtseins, das an ein „eingesperrtes Lebensgefühl“ erinnern kann. Vielleicht wurdest Du zu Hause auch durch Eingesperrtwerden bestraft. Vielleicht kannst Du Lehrern erzählen, dass Dir das Eingeschlossensein Angst macht.
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Links:
Rachel L. Grover, Golda S. Ginsburg, Nick Ialongo (2006):
Psychosocial outcomes of anxious first graders: a seven-year follow-up
Depression and Anxiety, Volume 24, Issue 6, pages 410–420, 2007
Article first published online: 13 OCT 2006, DOI: 10.1002/da.20241
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/da.20241/abstract
Dieser beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 2.9.2012
Aktualisiert am 3.3.2024