Präreflexives Selbstbewusstsein: das ganz normale Erleben vor dem Erzählen

Unter dem „präreflexivem Selbstbewusstsein“ (pre-reflexive self-consciousness) versteht man das bewusste Erleben, bevor wir darüber nachdenken. In der Stanford Encyclopedia of Philosophy heißt es (frei übersetzt von Voos): Das präreflektierende Selbst-Bewusstsein ist da, wann immer ich durch eine Erfahrung gehe, das heißt, wann immer ich die Welt bewusst wahrnehme. Dazu gehört z.B. die Erinnerung an ein vergangenes Ereignis, die Vorstellung eines zukünftigen Ereignisses, das Denken eines gerade auftretenden Gedankens. Auch Traurig- oder Fröhlichsein, Durst- oder Schmerzenhaben, gehören dazu.“

„… the pre-reflective self-consciousness which is present whenever I am living through or undergoing an experience, e.g., whenever I am consciously perceiving the world, remembering a past event, imagining a future event, thinking an occurrent thought, or feeling sad or happy, thirsty or in pain, and so forth.“ Phenomenological Approaches to Self-Conciousness, Feb 19, 2005

Sobald wir darüber sprechen, sobald wir das Wort „Ich“ benutzen und ein Narrativ haben, nennt man es nicht mehr „präreflexives Bewusstsein.“ Bei der Schizophrenie soll dieses präreflexive Selbstbewusstsein vermindert sein (Aaron L Mishara, 2010). Heute geht man davon aus, dass bei der Schizophrenie eine präreflexive (= operative) Hyperreflexivität besteht (Aaron L Mishara, 2010). Als „Hyperreflexivität“ wird ein verstärktes Nachdenken (über sich selbst) bezeichnet.

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Literatur:

Thomas Fuchs (2011):
Psychopathologie der Hyperreflexivität
De Gruyter, 29.8.2011, Aus der Zeitschrift Deutsche Zeitschrift für Philosophie
https://doi.org/10.1524/dzph.2011.0045
https://www.degruyter.com/document/doi/10.1524/dzph.2011.0045/html?lang=de

Thomas Fuchs: „As a rule, mental illnesses are connected with increased self-observation, a narrowing of attention to one’s own person, and with the backward turn of thinking to what has already been done or has happened. These phenomena can be summed up in the concept of hyperreflexivity.“
(frei übersetzt von Voos): „Psychische Störungen sind verbunden mit einer erhöhten Selbstbeobachtung und einer Verengung der Aufmerksamkeit auf die eigene Person. Dazu gehört auch ein verstärktes rückwärts gerichtetes Denken über das, was schon getan wurde oder was passierte. Dieses Phänomen kann als Konzept der Hyperreflexivität bezeichnet werden.“ (Thomas Fuchs, Psychopathologie der Hyperreflexivität)

Aaron L Mishara (2010):
Kafka, paranoic doubles and the brain: hypnagogic vs. hyper-reflexive models of disrupted self in neuropsychiatric disorders and anomalous conscious states.
Philosophy, Ethics, and Humanities in Medicine, 2010; 5: 13.
Published online 2010 Aug 20. doi: 10.1186/1747-5341-5-13


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