„Ich will mich nicht bewegen.“ Über Bewegungsunlust bei schwerem psychischen Leid
Gefühle, Gedanken und Erinnerungen hängen eng mit unserer Körperhaltung und Bewegung zusammen. Wenn wir in einer Körperhaltung sind, in der uns Schlimmes widerfahren ist, kann es uns auf einmal übel werden, ohne dass wir wüssten, warum. Vielleicht waren wir gerade viele Minuten in einer verkrampften Haltung, ohne es bemerkt zu haben. Wenn wir nachts etwas geträumt haben, kurz zur Toilette gehen und uns wieder in derselben Position hinlegen, die wir im Traum hatten, fällt uns der Traum wieder ein. Es ist, als hätten wir innerlich Sand, der sich wieder zur selben Sandburg formt, wenn wir dieselbe Körperposition einnehmen. „Würdest Du Dich mehr bewegen, ginge es Dir besser“, hören wir oft. Doch wir bewegen uns oft nicht, weil wir merken, dass uns diese „Innehalten“ irgendwie gut tut. Es ist, als ob uns die Bewegung durcheinanderschütteln und alles schlimmer machen würde.
Sich nicht zu bewegen kann Schutz bedeuten. „Ich verhielt mich mucksmäuschenstill, damit der Einbrecher mich nicht bemerkte“, erzählt eine Bekannte. Die Starre hat ihr vielleicht das Leben gerettet. Nicht-Bewegung ist oftmals sinnvoll – sie kann auch zur Erholung führen. Wenn Du Dich einige Tage besonders unwohl oder ängstlich fühlst, kann es Dir besser gehen, wenn Du Dich ruhig in Dein Bett muckelst. Auch kann sich Müdigkeit durch Übelkeit äußern. Du kannst ganz überrascht sein, wenn endlich Schlaf über Dich kommt und Du Dich danach um Längen besser fühlst.
Wenn es Dir schlecht ist, setzt Du Dich instinktiv ganz ruhig hin. Wenn Dir dann einer sagt: „Erst mal tief durchatmen“, geht es Dir vielleicht noch schlechter. Dein Körper hat intuitiv auf Flach-Atmung umgestellt, weil es körperlich und psychisch einen Sinn ergibt. Oft kann das verlängerte Ausatmen zur Verbesserung Deines Zustandes führen.
Das Verharren, die körperliche Starre, das „Eingemummeltsein“ hat seinen Sinn und ist sehr oft erst einmal hilfreich. Das Problem entsteht, wenn die unangenehmen Zustände chronisch sind und man sich dadurch dauerhaft nicht mehr bewegt. Dann ist es oft sinnvoll, mit sehr kleinen Bewegungen anzufangen, z.B. schon mit dem Strecken der Arme und Hände, wobei man dann langsam die Finger zu Krallen werden lässt. Dieses Gefühl der langsamen Dehnung entspricht oft dem Gefühl, das wir beim morgendlichen Strecken, Gähnen und Räkeln haben. Es führt mitunter zu einem Wohlgefühl.
Es soll angenehm bleiben
Wenn wir langsam wieder „in die Gänge“ kommen, dann können wir körperliche Bewegung zunehmend als hilfreich erleben. Irgendwann können wir die Bewegung dann wieder zu einer Gewohnheit machen und einen positiven Kreislauf veranlassen: Wenn wir uns täglich bewegen, z.B. täglich spazieren gehen, schwimmen oder Yoga machen, spüren wir, wie wir uns auch seelisch aufgeräumter fühlen. Dann können wir in eine Phase kommen, in der wir uns zur täglichen Bewegung disziplinieren können, weil wir die Wohltat spüren.
Wir können unser vegetatives Nervensystem durch Bewegung beruhigen.
Doch auch das ruhigste Meer kann durch einen Tsunami wieder aufgewühlt werden und dann ist die Aufgeregtheit, ist der „Bann“ und das Überwältigtsein wieder zu spüren und wir wollen uns wieder ruhig verhalten. Vielleicht hilft uns das bewusste Nachdenken über die möglichen Körperzustände, Bewegungen und seelischen Zustände. So können wir bewusster unsere Bewegung so dosieren, wie wir es brauchen.
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