Pötzl-Phänomen: Wahrnehmung unterhalb der Reizschwelle
Unter dem Pötzl-Phänomen, benannt nach dem österreichischen Psychiater Otto Pötzl (1877-1962), versteht man das Auftauchen von Bildern in Träumen, die aus kurz dargebotenen Bildern im Wachzustand stammen. Man spricht auch von „subliminaler Wahrnehmung“, weil man unbewusst einen Reiz wahrgenommen hat, der unter der Reizstärke lag, die ein Reiz haben müsste, um direkt ins Bewusstsein zu gelangen. Das Thema „subliminale Wahrnehmung“ ist bei vielen Menschen mit einem unguten Gefühl behaftet. Viele kennen die Versuche mit subliminaler Limonaden-Werbung im Kino oder mit Filmen, durch die ein Affe läuft, der von den meisten Zuschauern nicht direkt wahrgenommen wird.
Die britische Band Led Zeppelin soll sich das Poetzl-Phänomen zunutze gemacht haben. Der Gitarrist Jimmy Page hat angeblich einen Text in den Song „Stairways to Heaven“ (Youtube) eingebaut, der den Zuhörer unbemerkt beeinflussen sollte. Wenn man den Refrain rückwärts ablaufen ließe, sollten die Zuhörer eine satanische Botschaft hören (z.B. ,,Ah, I worship you, my sweet Satan.“ (Meghisan, Flaviu:
Ehtics and Commercial Communication, Management & Marketing, Volume XII, Issue 2/2014: S. 272
https://www.mnmk.ro/documents/2014_X2/14-16-2-14.pdf)
Möglicherweise hängt das merkwürdige Gefühl bei diesem Thema jedoch auch mit der Person Otto Pötzls zusammen, denn er war im zweiten Weltkrieg Mitglied der NSDAP (Nationalsozialistische Arbeiterpartei). Otto Pötzls Vater war der Schriftsteller Eduard Pötzl, ein Sohn der Physiker Johannes Pötzl (1930-1993). Otto Pötzl forschte zu optisch-agnostischen Störungen und zu den Beziehungen des Großhirns zur Farbenwelt. Er unterstützte Sigmund Freud und die Psychoanalyse. Ernsthafte Forschung zu subliminaler Perzeption (Wahrnehmung von Reizen unterhalb der Bewusstseinsschwelle) betreiben z.B. der Psychoanalytiker Wolfgang Leuschner und Mitarbeiter des Sigmund-Freud-Instituts (siehe: Telepathie und das Vorbewusste).
Ein weiterer bekannter Psychoanalytiker, Subliminalitäts- und Schlafforscher war Charles Fisher (1908-1988), Mount Sinai Hospital, New York.
Der Psychoanalytiker Wolfgang Leuschner schreibt: „Charles Fisher (1960), der wohl bedeutendste Subliminalitätsforscher nach Pötzl, hatte entdeckt, dass unterschwellige Reize bereits unmittelbar nach ihrer Darbietung im Wachen zerfallen und dann auch reassoziiert werden können. Deshalb meinte er, dass ‚die Traumarbeit schon am Tage stattfinde‘.“ (S. 85: Wolfgang Leuschner: Telepathie und das Vorbewusste, Sigmund-Freud-Institut, Psychoanalytische Beiträge Band 12. Und: Charles Fisher (1960): In: Otto Pötzl et al. Preconscious stimulation in dreams. associations and images. Classical Studies. Psychological Issues, Monogr. 7. New York: International Universities Press, 1-40)
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Links:
Pulver SE and Eppes B (1963):
The Poetzl phenomenon: some evidence
J Nerv Ment Dis 1963 Jun;136:527-34. doi: 10.1097/00005053-196306000-00003.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/13972522/
Poetzl Phenomenon, Oxford Reference
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 29.9.2022
Aktualisiert am 31.8.2023