Wir müssen nicht immer „machen“
„Da muss jetzt unbedingt etwas passieren. Was soll ich tun?“ Nichts. Manchmal einfach nichts. Oder sogar öfter mal nichts. Wir kommen so oft in Bedrängnis, weil wir ständig das Gefühl haben, dass wir aktiv etwas tun sollen. Wir wollen immer sofort reagieren. Im Rechtsstreit, bei medizinischen Problemen, bei psychischen Beschwerden. Schlimmer noch: Wir wollen nicht nur sofort reagieren, wir wollen sogar verhindern, dass etwas passiert. Doch so kann sich nichts entfalten. Gerade in der Meditation oder in der Psychoanalyse entdecken die Menschen häufig unerwünschte Gefühle, die sie sofort wieder loswerden wollen, nachdem sie sie entdeckt haben: „Was soll ich jetzt tun?“, ist die Frage, die sofort kommt.
Wenn wir innerlich Druck verspüren, haben wir den Drang, uns zu bewegen. Die Muskeln sollen für die Abfuhr der Spannung sorgen. Man möchte innerlich wegrennen. Doch mal stehen zu bleiben, die Angst zu spüren, sie zu überwinden und zu schauen, was da ist, gelingt oft nur schwer. „Diesmal muss ich aber wirklich etwas tun“, denken wir.
Druck überall
Viele stehen unter einem enormen privaten, finanziellen und beruflichen Druck. Manchmal steckt auch Einsamkeit dahinter, die wir nicht spüren wollen. Das drängt zum Handeln. Doch wer sofort handelt, kann nicht kennenlernen, was da eigentlich los ist. Es ist wichtig, die Dinge erst einmal wahrzunehmen und sich mit ihnen vertraut zu machen. Unerwünschte Gefühle wie Hass, Angst, Schmerz und Neid oder schwer erträgliche Erinnerungen kann man allein oder zusammen mit einem Psychotherapeuten oder Meditationslehrer anschauen und verstehen. Unseren Impulsen müssen wir meistens nicht gleich nachkommen, auch wenn wir meinen, dass wir aber genau in unserem aktuellen Fall jetzt nicht warten können. Doch, das können wir meistens – dann haben wir Raum, zu schauen, was das Unangenehme zu bedeuten hat.
Die entscheidenden Dinge entstehen ohne Druck
Vieles erledigt sich von selbst – wie eh und je. Viele entscheidende Dinge geschehen nur in Abwesenheit von Druck. Kinder tun oft ihre ersten Schritte und Alte sterben oft, wenn keiner hinschaut. Entscheidende Schritte, Kreativität und Traum brauchen Freiraum. Im Schlaf repariert sich der Körper von selbst. Besonders das vegetative Nervensystem, das eng mit den Affekten zusammenhängt, funktioniert verlässlich ohne Druck. Verdauung klappt nur im entspannten Zustand, ebenso wie das Einschlafen. Wir machen uns vieles kaputt, wenn wir uns ständig dazu veranlasst sehen, sofort etwas zu machen.
Achte einmal darauf, wie oft Du im Alltag zum Handeln gedrängt wirst – von allen möglichen Leuten, aber auch von Dir selbst. Wenn Du einmal damit experimentierst und abwartest (und sei es anfangs nur eine Minute länger als sonst), wirst Du sehen, wie sich vieles ohne Handeln löst. Wir müssen nicht immer machen. Wir können viel öfter einfach mal abwarten und den Dingen ihren Lauf lassen. Viele Dinge entwickeln sich viel seltener zu einer Katastrophe, als wir so annehmen.
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Dieser Beitrag erschien erstmals am 14.3.2015
Aktualisiert am 23.10.2023