Psychogene Schluckstörungen und Phagophobie (Angst vor dem Schlucken) können quälen. Was hilft?

„Ich kann nicht schlucken, weil ich immer Angst habe, mich zu verschlucken.“ Sich zu verschlucken, also etwas in die Luftröhre zu bekommen, ist mit das Unangenehmste, was wir erleben können. Kein Wunder, dass manche davor richtig Panik haben. Wenn Du Dich verschluckst, bekommst Du für ein paar Augenblicke (eine gefühlte Ewigkeit) keine Luft mehr. Das Einatmen kann dann furchterregend klingen – Du hast dann einen sogenannten „Inspiratorischen Stridor“, also ein Erstickungsgeräusch beim Einatmen. Besonders, wer unter einer Schluckstörung leidet, kann verzweifeln. Was hilft?

  • Der Schluckakt findet in der Regel während der Ausatmung statt. Du kannst versuchen, bewusst relativ am Anfang der Ausatmung zu schlucken, denn so weißt Du: Wenn Du Dich verschluckst, hast Du genügend Luft, um das Verschluckte durch Husten wieder herauszubefördern (das hat man sowieso fast immer, doch das bewusste Darauf-Achten kann helfen).
  • Denke beim Schlucken an eine „Weg!-Bewegung“, denn der Kehlkopf stößt Flüssigkeit förmlich ab. Wenn Du schluckst und „Weg!“ denkst, merkst Du, wie die Flüssigkeit nochmal ein Stück hoch geht, bevor sie in der Speiseröhre hinunterläuft. Das lindert Dein Gefühl von zu schnellem Eindringen.
  • Bemerke, wie Stress in jeder Form, Deinen Schluckakt beeinträchtigt. Das kann auch gesellschaftlicher Stress sein, sodass Du zusammen mit dem Partner oder mit Kollegen am Tisch mehr unter Deiner Schluckangst leidest als wenn Du alleine bist. Versuche, Dir vorzustellen, Du seist trotz der Gesellschaft auf einer einsamen Insel.

Menschen mit einer Phagophobie (Angst vor dem Schlucken) atmen schneller als nicht Betroffene (siehe Youtube-Video Dr. Weiss: „Schluckangst“). Sie haben daher im Blut einen zu niedrigen(!) Gehalt an Kohlendioxid (CO2). Das kann Atmung und Schlucken durcheinanderbringen. Atemübungen aus dem Yoga können helfen. Schaue auf Youtube unter „Pranayama“ (Atemübungen im Yoga, wörtlich „Lebensenergie beherrschen“) nach.

  • Verschiedene Speisen verschlimmern die Schluckbeschwerden: Oft kann Flüssiges wie z.B. Suppe nur schwerer geschluckt werden als Breiiges. Manche haben jedoch gerade mit Breiigem wie z.B. Kartoffelpüree Probleme. Achte einmal darauf, ob Du systematisch Muster erkennst, oder ob Dein Schlucken doch überwiegend von der Tagesform abhängig ist.
  • Achte darauf, ob das Problem tagsüber und nachts gleichermaßen besteht oder nicht. Es kann sein, dass Du Deinen Nachtdurst viel leichter löschen kannst als Deinen Tagesdurst, weil Du nachts vielleicht leichter in großen Schlucken ein Glas leeren kannst als tagsüber. Nachts sind Deine Muskeln je nach Wachphase entspannter, sodass auch der Schluckakt leichter geht.
  • Das Schlucken kann leichter sein, wenn der Mund voller ist. Manche nehmen aus lauter Angst vor dem Sich-Verschlucken zu wenig Essen oder Trinken in den Mund.

Beim Schlucken drücken wir automatisch die Zunge nach hinten und oben an die Rachenwand. Das bildliche Wissen kann Dir helfen, das Gefühl der Kontrolle zu haben. Außerdem ist das Schlucken leichter, wenn Du den Kopf etwas nach unten absenkst. Aus dem Erste-Hilfe-Kurs weißt Du vielleicht, dass man den Kopf eines bewusstlosen Patienten nach hinten beugt, damit er besser atmen kann. Wenn Du Deinen Kopf also zurücklehnst, wird der Weg zur Luftröhre freier, wenn Du Deinen Kopf nach vorne beugst, wird die Luftröhre eher verschlossen und die Nahrung kann leichter den Weg in die Speiseröhre finden.

  • Sobald Du das Gefühl hast, satt zu sein, solltest Du mit dem Essen aufhören, denn die Schluckschwierigkeiten können auch das Signal des Körpers sein: Ich mag nicht mehr.
  • Auch der Untergrund und die Körperhaltung spielen beim Schlucken eine Rolle (Yuta Uesugi et al. 2019). Probiere einmal, im Stehen zu trinken. Dann stelle Dich auf die Zehenspitzen und versuche, nochmals zu schlucken – merkst Du einen Unterschied? Wenn Du entspannt sitzt und isst oder trinkst, versuche, Deine Füße beide auf den Boden zu stellen. Wie ist es dann? Vielleicht geht es doch leichter, wenn Du Deine Beine übereinanderschlägst? Spiele mit An- und Entspannung.
  • Auch das Hören bestimmter Musik kann das Schlucken erleichtern.

Bei einer psychisch bedingten Schluckstörung kann man einen Kopfstand machen und dennoch transportiert die Speiseröhre die Speise in den Magen. Bei einer körperlich bedingten Schluckstörung (z.B. bei Multipler Sklerose) ist das nicht so einfach.

Tipps beim Verschlucken:

  • Wenn wir uns verschlucken, neigen wir dazu, hektisch einatmen zu wollen. Der Körper versucht reflexartig, durch Husten und Schlucken das fehlgeleitete Stückchen (Krümel, Wasser, Spucke) wieder in die richtige Bahn zu bekommen, also raus aus der Luftröhre (weg vom Kehlkopf) hin in die Speiseröhre. Es lässt sich beobachten, wie man automatisch schluckt. Anstatt aber verkrampft weiter zu versuchen, Luft einzuatmen, kann es hilfreich sein, für einen kurzen Moment die Luft anzuhalten und sich die Nase zuzuhalten. So kann sich der verkrampfte Kehlkopf entspannen.
  • Kinder bekommen „gerne“ mal ein kleines Spielzeug oder eine Erdnuss in die falsche Röhre. Auch das kann sehr bedrohlich sein. Vielleicht hilft das Wissen, dass so eine Erdnuss, wenn sie tief verschluckt wird, oft geradeaus nach unten in den rechten Bronchus gelangt. Der linke Bronchus knickt natürlicherweise über dem Herzen nach links ab und bleibt frei. Das Kind kann dann über eine Lunge atmen, bis es im Krankenhaus behandelt wird. 112 wählen.

Wir schlucken zwischen 1000- und 3000-mal pro Tag.
Videotipp: Dr. Weiss: Schluckangst – Phagophobie – neue Erkenntnisse – neue Therapien. Youtube.

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Links:

Yuta Uesugi et al. (2019)
Sole-ground contact and sitting leg position influence suprahyoid and sternocleidomastoid muscle activity during swallowing of liquids.
Clinical and Experimental Dental Research 2019 Oct; 5(5): 505–512.
Published online 2019 Jul 9. doi: 10.1002/cre2.216
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6820804/

RT Journal Article
A1 Kim, Soo Ji
Music Therapy Protocol Development to Enhance Swallowing Training for Stroke Patients with Dysphagia
Journal of Music Therapy, 2010, Vol. 47
doi 10.1093/jmt/47.2.102
https://doi.org/10.1093/jmt/47.2.102
https://academic.oup.com/jmt/article-abstract/47/2/102/916463

Psychogene Dysphagie verstehen und überwinden
https://hannover-logopaedie.de/aktuelles/psychogene-dysphagie-verstehen/

Kerstin Richter, Florian Heimann, Astrid Schmidkort, Martina Hielscher-Festabend (Hrsg.):
Aktuelle Aspekte der Dysphagiediagnostik und Behandlung. Forschungsbeiträge zu Störungen des Schluckens und der Nahrungsaufnahme bei Erwachsenen und Kindern.
Schriften zur Sprachtherapie und Sprachförderung. Nr. 12
www.peterlang.com
https://library.oapen.org/bitstream/handle/20.500.12657/52990/9783631829684.pdf

Schluck-Wecker
https://mit-musik-geht-reha-besser.de/schluck-wecker

Dysphagiezentrum Köln
https://www.dysphagiezentrum.de/dysphagie-was-ist-das/therapeutische-interventionen/

Dieser Beitrag erschien erstmals am 31.10.2022
Aktualisiert am 1.5.2024

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