Single-Sein – jahrelang, jahrzehntelang, erschöpfend

„All die Jahre, in denen ich mein Kind großzog, war ich alleine“, erzählt eine Frau. Und noch eine. Und noch eine. „Ich finde es immer lächerlich, wenn in den Zeitschriften über Frauen berichtet wird, die seit fünf Jahren nicht mehr mit einem Mann geschlafen haben. Das ist doch gar nichts! Unzählige Frauen kommen 10, 15, 20 Jahre und länger nicht in den Genuss. Doch weil man nichts davon hört, kommt man sich so komisch vor“ erzählt eine andere. Viele leiden unter der Beziehungslosigkeit und darunter, dass sie einen so bedeutsamen Teil des Lebens wie die Sexualität nicht leben können.

Beziehungsratgeber sagen, Frauen würden zu lange auf Mister Perfect warten, hätten zu hohe Ansprüche, idealisierte Vorstellungen von Partnerschaft, falsche Vorstellungen über die Liebe und so weiter. Da gibt es Trainings und Coachings und immer wieder wird den Frauen das Gefühl vermittelt, sie könnten jemanden finden, wenn sie nur ernsthaft wollten. Die Beiträge erinnern an Zeitschriftenartikel à la „Nie wieder Kopfschmerzen“ oder: „Was bei Rückenschmerzen wirklich hilft.“ Wer betroffen ist, weiß jedoch: Manchmal hilft einfach nichts.

Es gibt Lebenssituationen, die nur wenig steuerbar sind, auch wenn sie leicht zu steuern scheinen. Nicht wenige Menschen, die keinen Partner finden, hatten schwierige Beziehungen zu ihren Eltern. Sie waren unsicher gebunden und erfuhren in ihrer Ursprungsfamilie viel Leid. Infolge ihrer Erfahrungen neigen viele zunächst dazu, Beziehung zu vermeiden. Viele lernten erst spät ihren ersten Partner kennen. Die Beziehungsschwierigkeiten ziehen sich nach frühen Beziehungstraumata weiter durchs Leben und ähneln einer chronischen Erkrankung.

Großer Stress

Alleinsein wider Willen kann großen körperlichen und seelischen Stress bereiten. Niemanden zum Anlehnen zu haben, nicht berührt zu werden und selbst niemanden in den Arm nehmen zu können, ist eine ungeheure Last.

Kaum etwas ist schmerzhafter als ein leeres Bett.

Besonders nachts wachsen die Einsamkeitsgefühle. Das leere Bett fühlt sich schmerzhaft an und die Einsamkeit macht unruhig. Sorgen können nicht geteilt werden und ein Ende der Situation scheint nicht in Sicht. Gerade alleinerziehende Mütter sind völlig okkupiert mit Beruf, Geldverdienen und Kindererziehung. Es bleibt ihnen manchmal nichts anderes übrig, als einfach im Rad weiterzulaufen in der Hoffnung, dass die Kinder irgendwann groß sind und noch einmal neue Freiheit winkt.

So duster sieht es natürlich nicht immer aus. Keine Beziehung zu haben, fühlt sich oftmals an wie eine schwere Krankheit. Dann gibt es jedoch auch wieder leichte Phasen, in denen nichts fehlt und die Zufriedenheit überwiegt. Erleichtert blickt man auf streitende Paare und in der Beziehung unterdrückte Menschen. Manchmal kommt dann auch Freude darüber auf, glücklich alleine zu sein. Doch was kann man in den schweren Phasen tun?

Annehmen

Ohnmachtsgefühle, Hoffnungslosigkeit und das Gefühl, irgendwie fehlerhaft zu sein, begleitet viele Betroffene. Doch die Lebenslage ist eben teilweise auch ein Schicksal. Es so zu betrachten, fällt vielen nicht leicht. Doch es kann auch entlastend sein. Natürlich kann man nach Kräften versuchen, seine Situation zu verändern, was wohl die Meisten auch tun. Partnerbörsen und Single-Coaches haben jedoch nicht nur Recht, wenn sie sagen, man könne selbst etwas verändern. Oftmals kommt es darauf an, die Ohnmacht anzunehmen und sich nicht so zu betrachten, als mache man etwas falsch.

Alleine alt werden – das möchten die meisten Menschen wohl nicht. Es wird neue Lebensphasen geben und immer neue Chancen.

Kraft schöpfen

Kraft zu schöpfen ist wichtig – und die Kraft kommt für viele partnerlose Menschen aus der Natur. Manchmal helfen Geschichten von Menschen, die in die Wüste gegangen oder weit gereist sind, um sich selbst zu finden. Aber auch das Haustier, der Sport, die Musik oder der Beruf können Verbundenheitsgefühle wecken. Alleinerziehende müssen im Alltag immer wieder langsam werden und auf genügend Schlaf achten. „Den Körper behandeln wie eine Wunde“ – das kann helfen, körperlich gesund zu bleiben oder wieder zu gesunden. Wichtig ist das Wissen, dass es vielen anderen auch so geht. Es lohnt sich dabei immer, die Hoffnung zu nähren.

Leiden an unerfüllter Liebe – ein immerwährendes Thema:

Die Leiden des jungen Werther to go (Goethe in 10 Minuten)
Film von Michael Sommer, https://youtu.be/He-7C8UkhKk

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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 11.11.2015
Aktualisiert am 14.12.2022

8 thoughts on “Single-Sein – jahrelang, jahrzehntelang, erschöpfend

  1. Benjamin sagt:

    Dunja,

    Deinen Text kenne ich und habe ich schon vor etwa ein- bis eineinhalb Jahren gelesen.

    Noch immer bin ich Single. Und es macht mich unglaublich traurig. Meine Schwierigkeit ist allerdings, schwul zu sein. Es tut sehr weh, von Tag zu Tag, Woche zu Woche, Monat zu Monat, Jahr zu Jahr, Single zu sein. Ich sah eigentlich immer gut aus. Und sehe es noch – für mittlerweile 44 Jahre. Aber wen interessierts? – Ich schaue in den Spiegel, jeden Tag und weiß eigentlich gar nicht, wofür ich einigermaßen gut aussehe, wofür ich jeden Tag aufstehe – als wäre im Schlaf zu Versterben nicht oft besser. Ich empfinde die Welt als kalt. Älter werde ich umsonst.

    Irgendwie ist man auf viele Texte gestoßen zum Singledasein, doch kaum einer ist so gut wie dieser, da er viele Wahrheiten anspricht.

    Ich habe nicht einmal seit über fünf Jahren Sex. Für Schwule ist eine Zahl wie 44 abschreckend. Gefühlt geht man mit 30 schon in die „schwule Rente.“ Eine verzerrte Wahrnehmung ist dort eben auch keine Seltenheit. Leider stehe ich auf Leute in den Dreißigern. Doch auch die bekomme ich eher nicht. Würde ich auf 50+ abfahren, wäre ich schwer angesagt.

    Ich mag das Leben nicht. Aus genau diesen ganzen Gründen.
    Wie ich ja schrieb – ich habe seit über fünf Jahren nicht einmal Sex. Und ich sehe nicht unattraktiv aus – auch mein Körper nicht. Es erinnert mich mein eigenes Leben an eine Arte-Doku, auf die ich stieß: No Sex – Verzicht auf körperliche Liebe (bei Interesse, siehe Youtube) – eine Empfehlung für die Leser hier. Es geht darin meist um Heteros, aber auch schwul und asexuell. Interessante Doku über ein trauriges Thema. Ich bin schon 17 Jahre Single. Und weil das so ist, liebe ich das Leben auch nicht.
    Gestern hatte ich zwei kleine Teddybären im Arm. Tränen sind öfters. Einfach leben. Auch wenn es scheisse ist…
    Dunjas Text ist genau, was mein Leben für mich darstellt. Kaum einer oder eine, hat das so gut getroffen. Und jeder Tag neu aufstehen und Wasser ins Gesicht.

    Die psychischen Probleme, die Singles oft haben – gerade die, auch das kenne ich. Skinhunger – das Wort gibt es wirklich. Aber es fehlt alles. Die Liebe, die Berührung, der Sex. Ja, ich mag das Leben halt einfach nicht und hey…wir haben jetzt Winter. Doch manche oder…viele…leben auch im Winter auf der Sonnenseite des Lebens. Manchmal könnte ich denen vor die Türe kotzen. Aber was können die für meine Lonely Days and Nights? Schwule sind anstrengend. Ich bin es für mich selbst. Und manchmal wünschte ich, ich wäre asexuell und bräuchte niemanden. Das wäre doch vorteilhaft. Und mit diesem Leben funktioniert nicht einmal ein Selbstbetrug. So. Es wäre schön, wäre dieser Text nicht meine Realität. Aber ich mag es nicht sonderlich, am Leben zu sein.

  2. Anonym sagt:

    Ich kann als relativ kleiner Mann mit 1.71 ein Lied davon singen: Man wird oft noch nicht einmal als Mann wahrgenommen von Frau….100+ Dates (natürlich nur online verarbredet, als kleinerer Mann kann man sich es sparen eine Frau in freier Wildbahn in DE anzusprechen – auch wenn das alle Ratgeber einem dennoch raten). Viele Frauen finden mich sehr interessant (hochgebildet in vielen Bereichen, Führungsposition, intelligent, eloquent, gefplegt, finanziell ausgesorgt mit Mitte 30, gute Figur, guter Humor)….aber eben dann doch die 5-15 cm kleiner als sie sich ihren Idealpartner vorstellen – und das oftmals bei Frauen, die selber nochmals deutlich kleiner sind als ich…Inzwischen deswegen in Psychotherapie nach schwerer Depression begeben und für mich entschieden, dass ich einen grossen Bogen um das weibliche Geschlecht mache und mich auf meine Karriere, mich und mein Leben konzentriere und es mir alleine einrichte.

  3. Georg sagt:

    Buchtip
    C.S.Friedmann
    Die kühle Gesellschaft
    Von der Unmöglichkeit nach nähe

  4. Dunja Voos sagt:

    Das ist eine wunderbare Idee!

  5. Der Klugscheißer sagt:

    Ich stimme dem Artikel >>nicht<vielleicht< helfen könnte, wären einfach allgemeine, gut organisierte, (Beratungs- und) Vermittlungsstelle. Einfach Orte, die extra für Singles sind.
    Im ernst. Es gibt soviel Quatsch wie Singlebörsen, Dating-Apps die einen alle abzocken. Aber wieso gründet nicht jemand einfach mal z.B. ein Cafe extra nur für Singles??? Oder so eine Art Partnervermittlung die von sozialen Einrichtungen geleitet werden, damit eine gewisse Seriösität beim Anbieter vorherrscht? Es mag am Geld scheitern. Aber ich selbst finde es so ungeheuer schwierig Jemanden für Zweisamkeitsabsichten kennenzulernen, dass ich das echt als Angebotslücke in unserer sonst so überfüllten Welt sehe… Für manche liegt die Lösung vielleicht einfach in der Möglichkeit Leute bzw. Jemanden kennenzulernen. Wieso ist bisher niemand außer mir auf die Idee gekommen? Es gibt viele kostenlose Vereine und Veranstaltungen. Und Speeddating-Angebote finde ich, sind so eine Sache. Wieso nicht spezielle Treffpunkte, die gut organisiert sind, aufbauen?

  6. Gott sagt:

    Ja, willkommen on der Welt von Millionen Männern in sämtlichen lebensphasen. Vor allem jungen Männern. Und ja, tut weh. Aber Einsamkeit ist auch immer eine Chance. Ich denke Einsamkeit können Frauen gut von Männern lernen. Damit haben wir Erfahrung.

  7. DieterZ. sagt:

    …Ein sehr guter Artikel, der, aus der Sicht einer Frau geschrieben, ebenso auch Männer betrifft und dabei ein Problem anspricht, das gesellschaftlich leider tabu ist. Was kann man tun, wenn man keine Partnerin findet, weil man nicht imstande ist, sich in eine der wenigen Frauen zu verlieben, die sich für Dich interessieren? Trifft man andererseits auf liierte Männer gleichen Alters, fragt man sich oft: Warum er und nicht ich? Was hat er, was ich nicht habe? Was vor allem kann er, was ich nicht schon lange kann? Und warum hat er trotzdem so eine attraktive Frau, obgleich er mir sowohl geistig als auch körperlich unterlegen ist? Immer wieder sucht man nach Ursachen. Ist man wirklich so unattraktiv oder gar häßlich? Ja, irgendwann empfindet man selbst große Abscheu vor dem eigenen Spiegelbild. Man sieht nichts Schönes mehr an sich und fühlt sich biologisch überflüssig. Doch kann es sein, daß die wahren Ursachen zu einem großen Teil gesellschaftlicher Genese sind? Gibt es möglicherweise soziale Komponenten, die eine wesentliche Rolle dabei spielen, daß sich Menschen nicht mehr finden und einander verlieben? Ist es nicht auch eine Tatsache, daß unser ästhetisches Bewußtsein zum einen manipulierbar ist und wir Menschen von klein auf mit falschen Schönheitsidealen geprägt werden, die uns später bei der Suche nach einem Partner zeitlebens im Wege stehen? Fakt ist, daß wir auch in einer sexistischen Gesellschaft leben, in der sexuelle Attraktivität nicht nur an jeder Ecke und auf jedem Produkt vermarktet und zu Geld gemacht, sondern in der dadurch auch ganz nebenbei und unbemerkt unser ästhetisches Bewußtsein falsch geprägt und damit dauerhaft manipuliert wird – bis hin zur Unfähigkeit, sich in Menschen zu verlieben, die eigentlich ideale Lebenspartner wären. Potentielle Partner werden somit von vornherein ausgeschlagen im falschen Glauben, daß man immer noch etwas Besseres finden könne. Das allergrößte Problem jedoch ist, daß es sich hierbei um eine Einbahnstraße zu handeln scheint. Ein einmal geprägtes Schönheitsideal scheint nicht revidierbar zu sein. Einmal Ausselektiertes wird also nur schwerlich wieder begehrlich.
    Zum andern aber ist auch unser Wertebewußtsein im Allgemeinen manipulierbar. Es bleibt eine Tatsache, daß insbesondere Frauen bei der Wahl ihres Partners sehr stark nach Gesichtspunkten selektieren, die eigentlich nichts mit unserem natürlichen Verhalten zu tun haben, wie soziale Herkunft und finanziell-materielle Sicherheiten. Oftmals geschieht das in einer Weise, die nichts mehr mit gesellschaftlichen Realitäten zu tun hat, weil Frauen, neben manipulierten Schönheitsidealen, zudem auch noch viel zu hohe materielle Maßstäbe bei der Wahl eines Partners an den Tag legen. Dieses der Realität nicht gerechtwerdende Wertebewußtsein hat seine Ursachen in den sozialen Verhältnissen, die nicht korrekt soziologisch, sondern ideologisiert (bis hin zu unwissenschaftlich) über die Politik gerechtfertigt werden und die in den Köpfen der Menschen daher ein stark verzerrtes Abbild der Wirklichkeit projizieren. Sie, diese Ursachen, wären hingegen abstell- und veränderbar.
    Daß sich unter den dauerhaft partnerlosen Männern anteilig jene in Überzahl befinden, die in der ehemaligen DDR sozialisiert worden waren, ist also nicht zufällig.

  8. CB sagt:

    Oh kann, das kenne ich zur Genüge und ständig fühlt man sich unvollständig oder fehlerhaft, weil man partnerschaftlich nichts auf die Reihe bekommt, als wenn man schlecht gewordenes Obst wäre, dass keiner mehr essen will……….

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