Klaustrophobie: Wenn es im Leben zu eng wird
Klaustrophobie ist die Angst vor engen Räumen. Der Begriff setzt sich zusammen aus dem lateinischen Wort „Claustrum“ = „Käfig“ und dem griechischen „Phobos“ = „Furcht, Flucht“. Umgangssprachlich wird die Klaustrophobie auch „Platzangst“ genannt, obwohl damit korrekterweise die Angst vor weiten Plätzen, also die Agoraphobie gemeint ist (agora = altgriechisch: Marktplatz). Die Klaustrophobie wurde insbesondere zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschrieben – interessanterweise zur Zeit der Erfindung des Aufzugs.
Wer klaustrophobisch ist, hat schnell Angst, zu ersticken. Er hat unter Umständen Angst, mit sich selbst allein zu sein. Wer alleine im Aufzug steckenbleibt, ist mit sich selbst konfrontiert. Wer in Menschenmengen gequetscht wird, fühlt sich unwohl, vielleicht panisch, aber auch aggressiv. Für manche Menschen ist die Klaustrophobie so problematisch, dass sie ihren Alltag kaum meistern können.
Aus psychoanalytischer Sicht hat der Klaustrophobiker einen zu kleinen inneren Raum. Seine Gedanken, Gefühle und Zustände überfordern ihn rasch und er könnte leicht „platzen“. Es scheint einen inneren Mangel an etwas zu geben, dass die Emotionen und Gedanken „hält“. Wer an krankhafter Klaustrophobie leidet, hatte möglicherweise wenig einfühlsame Eltern, die die Gefühle ihres Kindes schlecht „containen“ konnten.
Gleichzeitig war die nächste Bezugsperson in der frühen Kindheit (meist die Mutter) möglicherweise oft bedrängend.
Vielleicht hat nie eine gesunde psychische Trennung zwischen Mutter und Kind stattgefunden, z.B. weil der Vater fehlte. So hat der Betroffene im übertragenen Sinne immer noch das Gefühl, im engen Mutterleib zu sein. Auch Missbrauchssituationen können dazu führen, dass eine Klaustrophobie entsteht. Sobald der Betroffene z.B. in einer Psychoanalyse später wieder mehr Nähe zulassen kann, lässt häufig auch die Klaustrophobie nach.
Was hilft?
Vielen Patienten hilft eine Verhaltenstherapie. Hier übt der Betroffene, sich der Enge auszusetzen und nach und nach die Angst davor zu verlieren. Mit Imaginationsübungen, Vorbildern (Lernen am Modell), Entspannungsübungen, Aromatherapie, Hypnose, Konfrontation und Exposition lernt der Betroffene, mit seiner Angst umzugehen.
Die Idee in der Verhaltenstherapie (Exposition): Man soll sich so lange an enge Räume gewöhnen, dass man seine Angst davor verliert.
Der Therapeut versucht auch, mit dem Patienten zu verstehen, woher die Klaustrophobie kommt und hilft ihm, mögliche schwierige Ereignisse nachträglich psychisch zu verdauen. Das Gefühl von Selbstwirksamkeit, das Körpergefühl und das Selbstwertgefühl werden gestärkt, sodass der Betroffene sich nicht mehr so leicht überwältigt fühlt.
Bei hartnäckiger Klaustrophobie hilft oft eine Psychoanalyse, denn hier wird unter Umständen an der „engen Beziehung“ gearbeitet: Der Analytiker wird für den Patienten eine Zeit lang die wichtigste Bezugsperson. Dadurch fühlt sich der Patient möglicherweise engeengt. Die Gefühle der Einengung werden also wieder wachgerufen. Der Patient kann dann in der Beziehung zum Analytiker neue Wege finden, indem der Analytiker und das eigene Über-Ich mit der Zeit an Strenge verlieren.
Man erfährt in der Psychoanalyse, wie es sich anfühlt, auf gesunde Weise getrennt zu sein. Man fühlt sich zunehmend auch im Alleinsein mit anderen verbunden. Man macht die Erfahrung, „in Ruhe gelassen“ zu werden, aber erfährt auch, wie Spannungszustände vom Analytiker psychisch „gehalten“ werden (siehe Containment). Dieses Gehaltenwerden erfährt man in der Psychoanalyse so oft, dass man es in sein Inneres als Lebensgefühl übernehmen kann.
Das Ich wird gestärkt: Man weiß oft leichter, was man selbst, denkt und fühlt und kann Gefühle und Gedanken immer besser aushalten. So kann man sich auf Dauer selbst besser beruhigen, sodass es zunehmend gelingt, sich generell, aber auch in engen Räumen freier zu fühlen. Man lernt, in sich selbst zu Hause zu sein, auch wenn andere dabei oder eben nicht da sind. Dabei hilft insbesondere auch Bewegung wie z.B. Yoga, wodurch das Selbstgefühl gestärkt wird.
Verwandte Artikel in diesem Blog:
- Klaustro-Agora-Phobie: Mit dem anderen geht’s nicht und ohne ihn auch nicht
- Containment: Gefühle wollen gehalten werden
Buchtipp:
Donald Meltzer:
Das Claustrum
Eine Untersuchung klaustrophobischer Erscheinungen
Brandes & Apsel
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 6.2.2007
Aktualisiert am 19.12.2021