Paukenerguss: Leben in der Wattewelt
Nach einem Infekt leiden nicht wenige Menschen an einem Paukenerguss. Infolge der Nasennebenhöhlenentzündungen hat sich Sekret im Mittelohr angesammelt. Man hat das Gefühl, als sei der Kopf unter Wasser. Man hört fast nichts, vielleicht kommt Schwindel dazu. Manche fühlen sich dabei permanent grippig und völlig erschöpft. Kreislaufschwäche, Konzentrationsschwäche, Frösteln ohne Fieber oder Hitzegefühle ohne Fieber sind typische Symptome, die den Paukenerguss begleiten. Manche hören ihren Puls, andere bekommen einen Tinnitus dazu, oder es tritt gleich beides ein. Es knackt unter Umständen im Nacken und beim Kauen knistert es. Der ganze Kopf scheint in Mitleidenschaft gezogen.
Das Trommelfell wird unter anderem vom Nervus vagus (10. Hirnnerv, Ramus auricularis) und vom Nervus trigeminus (5. Hirnnerv, Ramus auriculotemporalis) innerviert.
Daher ist es kein Wunder, dass man sich insgesamt so schlecht fühlt: Der Vagus-Nerv ist ein Teil des parasympathischen Nervensystems. Er ist für die Ruhe des Körpers zuständig. Er steht mit dem Verdauungstrakt in Verbindung. Wird er überreizt, können Übelkeit und Schwächegefühle entstehen.
Panik
Ein Paukenerguss geht sprichwörtlich an die Nerven. Besonders Menschen, die ihre Ohren beruflich brauchen, sind in heller Aufruhr: z.B. Lehrer, Psychoanalytiker oder Musiker. Wer dann im Internet liest, verstärkt seine Ängste.
Da stehen dann Dinge drin wie: Wenn es zu Entzündungen, Ausweitungen und Vereiterungen käme, könne das Mastoid (der Knochenfortsatz hinter dem Ohr) mitbetroffen werden. Es könne eine Hirnhautentzündung entstehen. Oder auf Dauer würden die Gehörknöchelchen angegriffen und man verliere dauerhaft sein Hörvermögen.
Auch ein Tinnitus könne dauerhaft entstehen. Kurzum sieht man sich in Lebensgefahr. Man müsse jedenfalls sofort den Hals-Nasen-Ohrenarzt (HNO) aufsuchen. Ruft man da an, erhält man jedoch erst eine Woche später einen Termin. Da gibt’s dann schon eine Diskrepanz zwischen Internet-Infos und Praxis-Alltag.
Die Odyssee
Viele bekommen vom HNO dann Nasentropfen verschrieben, damit die Nasenschleimhäute abschwellen und alles besser belüftet wird. Das Mittelohr steht über die Tube (Eustach’sche Röhre) mit der Nase und dem Rachen in Verbindung. Manche Ärzte empfehlen eine Aufweitung der Eutschach’schen Röhre (HNO-Privatpraxis München). Wird die Tube erweitert, kann Flüssigkeit abfließen. Andere Ärzte versuchen es erst mit einer Parazentese (Schnitt in das Trommelfell, Trommelfellinzision), damit die Flüssigkeit herauslaufen kann.
Bei Kindern wird oft auch ein Paukenröhrchen in das Trommelfell gesetzt, damit das Mittelohr mit der Außenwelt verbunden bleibt. Manche Ärzte raten auch zu einer Entfernung der Polypen. Viele verschreiben Antibiotika oder auch Kortison-Nasensprays. Manche schlagen einen Allergietest vor.
Andere rücken dem Patienten direkt mit einer Nasenscheidewand-Operation zu Leibe. Manche haben Glück und es hat sich nur ein Cerumenpfropf (Schleimpropf) im Gehörgang gebildet. Sobald der HNO-Arzt ihn ausgespült hat, fühlt sich der Betroffene bald besser. Der Behandlungsversuche gibt es jedenfalls viele.
Abwarten
Manche verzweifeln auch, weil sie alles probieren und keine Besserung finden. Sie leben gesund, fasten, treiben vorsichtig Sport, schlafen viel, gehen viel an die frische Luft, gehen spazieren, machen Yoga und Kopfstände, probieren Ayurveda und Chinesische Medizin (TCM), meditieren, tragen Mützen, verzichten auf Schokolade, ernähren sich vegan. Und manchmal ist es so, dass der Paukenerguss dennoch eine ganze Weile Gast im Hause bleibt. Man kann wirklich „Kopfstände“ machen und es bessert nichts.
Doch der Körper braucht anscheinend diese Zeit. Einen Paukenerguss zu haben bedeutet, viel Zeit mitzubringen.
Da gehen schon mal mehrere Wochen ins Land, bis sich etwas tut. Nach COVID oder einer echten Grippe (Influenza) kann der Körper mehrere Monate brauchen, bis alles überstanden ist. Nasennebenhöhlenentzündungen und Paukenergüsse können dazugehören.
Der Paukenerguss bettet den Kopf ein in ein Wattegefühl. Er ist lästig und überflüssig wie ein Kropf, so scheint’s. Doch meistens hilft Eines, um aus der Wattewelt herauszukommen: Das Warten.
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Dieser Beitrag erschien erstmals am 11.4.2015
Aktualisiert am 7.11.2021
6 thoughts on “Paukenerguss: Leben in der Wattewelt”
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Das freut mich, vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Ich wünsche Ihnen viel Geduld.
Bin gerade dankbar für den Artikel. Ich habe den Paukenerguss „erst“ seit 10 Tagen und war sehr beunruhigt, weil ich die Ohren auch beruflich brauche. Ich fühle mich durch den Artikel gesehen und werde die Hoffnung also beibehalten.
Ich hatte am 6.6. eine Mittelohrentzündung und dann einen Paukenerguss… mittlerweile hör ich wieder u fast alles ist normal… doch ich spüre noch Flüssigkeit im Mittelohr und es knackt immer wieder mal… ich mache viel Sport – auch Wettkämpfe… dieses Wochenende wäre ein Radrennen… ich weiß nicht ob ich starten soll… ich hab mich nun ein Monat geschont…
Ich hab auch Probleme im rechten Ohr, ich hab auch Wasser hinter dem Trommelfell.
Mein HNO Arzt hat einen Schnitt gemacht im Trommelfell
Aber ich hab das Problem immer noch
Man bekommt Angst.
Hab mir heut Nasenspray gekauft, vielleicht wird es ja bald besser.
Ich hab das Problem seit dem 22.12.2020
Danke, Dir auch, liebe Clia!
Ah, das ist gut zu wissen! Hatte mir schon Sorgen gemacht, weil ich mich nach einer saftigen Erkältung/Grippe (´was es genau war, weiß ich nicht) samt deftigem Nebenhöhlendings schon länger schlapp und wattig fühle.
Wünsche Dir ein sehr schönes Wochenende, liebe Dunja!