Yoga und Psychoanalyse: Mit weichen Muskeln vergeht die Zeit oft langsamer
Während meiner Lehranalyse (4-mal pro Woche im Liegen auf der Couch) begann ich mit Yoga. Irgendwann bemerkte ich, wie ich im Liegen entspannter war und wie dadurch die Zeit für mich langsamer verging – ein wunderbarer Effekt, denn gerade gegen Ende der Lehranalyse wollte ich die einzelnen Sitzungen noch richtig auskosten. Wenn unsere Muskeln angespannt sind, sind wir oft auch im Denken angespannt – oder umgekehrt: Wenn wir verkrampft denken, spannen wir unsere Muskeln an. Der Kürmel im Kopf macht, dass wir nicht geordnet denken können und dass uns die Zeit dabei davon rast (denken wir nur an hitzige Streitereien).
Wenn Du Yoga machst, bekommst Du ein feineres Gespür für Deine Muskeln und Du bemerkst vielleicht erstmals, wo und wann Du überall angespannt bist – vielleicht sogar während Deiner Psychotherapiesitzungen. Wenn wir schnell alles gleichzeitig und übereinander denken, dann rast auch die Zeit. Wir haben das Gefühl, wir hetzen uns gedanklich ab und uns bleibt kaum Zeit, in Ruhe nachzudenken. Wenn sich jedoch unsere Muskeln entspannen, ist auch mehr Platz in unserem Denk-Raum.
Es kann sein, dass durch die Muskelentspannung auch das Denken wieder langsamer und geordneter wird. Und manchmal stellst Du dann vielleicht fest: Auch die Zeit vergeht subjektiv langsamer. Diese Erfahrung ist vielleicht erst nach einigem Üben möglich, da Verkrampfungen und „schnelles Denken“ nicht einfach sofort beeinflusst werden können, wenn man die meiste Zeit so unterwegs ist. Und sicher ist es auch ein Unterschied, ob wir ganz alleine in einem Raum sind oder mit einer anderen, vertrauten Person.
Wissenschaftler konnten verschiedene Effekte der Entspannung, auch auf das subjektive Zeitempfinden, in „Float Tanks“ nachweisen (z.B. Wittmann et al. 2024). Vielleicht motiviert schon das Wissen um diese Zusammenhänge dazu, mit Yoga, Achtsamkeitsübungen, Qi Gong, Tai Chi oder ähnlichen Bewegungsmeditationen zu beginnen.
Verwandte Artikel in diesem Blog:
- Die Seele wohnt auch in den Muskeln
- „Der andere macht mir Druck!“ Und wie werden wir ihn wieder los?
- Yoga hilft bei Erschöpfung
- Yoga wirkt entzündungshemmend: weniger Interleukin-6 und CRP bei regelmäßigem Üben
- Östrogene beeinflussen Muskeln
Links:
What Really Happens in a Float Tank? The Facts and Science of the Sensory Deprivation Tank
Dr. Justin Feinstein of the Laureate Institute for Brain Research, 11.5.2024
https://www.youtube.com/watch?v=qV8A49GvqMw
Marc Wittmann – Zeit als Konstruktion – Freier Wille
PIP N° 37/2/ Marc Wittmann im Gespräch mit Konstantin Schimert
20.4.2024
https://www.youtube.com/watch?v=bxV9YpewzPE
Hruby H, Schmidt S, Feinstein JS, Wittmann M. (2024):
Induction of altered states of consciousness during Floatation-REST is associated with the dissolution of body boundaries and the distortion of subjective time.
Scientific Reports 2024 Apr 23;14(1):9316.
doi: 10.1038/s41598-024-59642-y.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38654027/
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 8.9.2018
Aktualisiert am 4.11.2024