Über die Angst, den Respekt und die Autorität zu verlieren

Eltern, Lehrer, Ärzte, Führungskräfte kennen es: Die Angst, ihre Autorität zu verlieren. „Das Kind, der Klient, der Mitarbeiter soll mir auf keinen Fall auf der Nase herumtanzen“, sagen sie. Doch was genau befürchten Eltern ebenso wie Führungskräfte, wenn sie um den Verlust ihrer Autorität fürchten? Ein „Autor“ zu sein bedeutet ja, der Urheber von etwas zu sein. Wenn alles gut geht, spüren wir, dass wir etwas bewirken können. Zufriedene Kinder wissen: Wenn ich eine Umarmung brauche und meiner Mutter das zeige, wird sie mir die Umarmung geben.

Ein zuversichtlicher Mensch spürt, dass er „selbstwirksam“ ist. Wenn ein Kind „gehorcht“, dann hat der Erwachsene das Gefühl, dass es da eine gute Bindung zwischen ihm und dem Kind gibt. Und er fühlt sich möglicherweise selbstwirksam.

Viele Eltern haben Sorge, dass ihr Kind nicht tut, was sie von ihm wollen. Damit mein Kind annehmen kann, was ich sage, ist es wichtig, dass das Geforderte einen Sinn ergibt. Der Aussage: „Zieh dir jetzt einen Schal an“, wird das Kind wohl nur ohne Weiteres nachkommen, wenn es friert oder wenn es alt genug ist, dass es die Kälte da draußen vor dem Fenster erahnen kann.

Die anderen können selbst denken

Wenn ein Kind nicht „hört“, dann wird deutlich, dass es ein Eigenleben hat. Zwei Dinge passieren dann: Der Erwachsene fühlt sich einerseits beschämt, andererseits versetzt es ihm aber auch einen Stich, weil er merkt, dass das Kind ein eigenes Leben hat.

Die Angst, die Autorität zu verlieren ist oft nichts anderes als die Angst vor Trennung. Und die Autorität selbst ist oft nichts anderes als das Ergebnis einer guten Bindung.

Kleine Kinder suchen die gute Bindung

Wenn mein kleines Kind mich verletzt und ich mich verletzt zeige, beginnt es beispielsweise zu weinen, weil es fühlt, dass es mich verletzt hat – oder auch, weil es Angst hat, mich zu verlieren. Ist unsere Bindung jedoch gerade nicht gut, dann scheint es ihm „egal“ zu sein, wenn es uns verletzt hat. Oder schwieriger noch: Es scheint beruhigt zu sein. Es konnte uns erreichen, wenn auch nur im Negativen.

Bei der Lehrer-Kind- oder Arzt-Patienten-Beziehung ist es ähnlich: Kinder, die eine gute Bindung zu ihrem Lehrer haben, arbeiten auch ihm zuliebe. Patienten, die ihrem Arzt vertrauen, fühlen sich gut, wenn sie seinen Rat befolgen.

Selbst eingebettet zu sein ist wichtig

Wer sich alleine fühlt, hat eine übergroße Angst vor Trennung. Mütter oder Führungskräfte, die selbst nicht genügend Rückhalt oder „warmes Nest“ um sich herum haben, sind emotional viel mehr darauf angewiesen, dass ein Gefühl von Verbindung bzw. „Einheit“ bestehen bleibt als andere Menschen, die sich selbst gut eingebunden fühlen. Wer als Erwachsener selbst genügend Zuwendung erhält, der muss nicht so sehr um die Liebe bzw. um den Respekt eines anderen kämpfen. Wer selbst ausreichend angenommen wurde, behandelt sich selbst ebenfalls rücksichtsvoll. Er hat Mitleid mit sich selbst, er sorgt dafür, dass es ihm gut geht, er pflegt sich und schaut wohlwollend auf sich selbst. Und er tut alles dafür, dass es auch dem anderen gut geht.

Trennung vom Alten bringt neue Verbundenheit

Wenn der andere zeigt, dass er ein Eigenleben hat und eigene Wege geht, spürt man vielleicht einen kleinen Stich. Es ist ein Trennungsschmerz, ein Stück Trauer. Doch derjenige, der sich selbst gehalten fühlt, kann diesen Stich spüren und annehmen. Er muss nicht um jeden Preis den anderen zu sich zurückziehen. Der andere aber spürt den Respekt, der ihm selbst entgegengebracht wird. Er spürt, dass er sich wohlfühlen und frei sein darf. Und dann kann er in Freiheit bleiben.

Der berühmte Satz von Joachim Gauck trifft auf das Thema „Autorität“ besonders zu: „Wir werden bleiben wollen, wenn wir gehen dürfen.“

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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 14.11.2014
Aktualisiert am 28.3.2020

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