Ob alles oder nichts mehr passt, hängt oft von einer einzigen Beziehung ab

„Ich bin so unzufrieden! Nichts kann man mir recht machen. Alles scheint in einer Sackgasse zu enden“, sagt die Patientin. Sie versteht die Welt nicht mehr. Doch bevor wir uns an jede einzelne Baustelle begeben, bevor wir schauen, wo es überall hakt und hinkt und wo die „Ansprüche zu hoch“ sind, schauen wir lieber auf „die Welt“ – das ist in dem Fall der Psychoanalytiker. Viele empfinden es so: Stimmt die Beziehung zum Psychoanalytiker, stimmt auch alles andere. Es ist wie mit der Mutter und dem kleinen Kind: Ein Küsschen auf die Stirn und das Kind läuft freudig in die Welt hinaus.

Unser Lebensgefühl hängt stark von unseren Beziehungen ab. Ist die Beziehung zu unserer Hauptbezugsperson schlecht, dann wird alles andere davon überschattet. Ist sie gut, erscheint alles in einem sanfteren Licht. Das ist besonders dann der Fall, wenn jemand stark von einer Beziehung abhängig ist, also z.B. bei Analysand und Analytiker, bei Kind und Mutter/Vater, bei Patient und Arzt oder bei Verliebten. Wir kennen diese Situation aber auch von unserer Beziehung zum Partner, zu Arbeitskollegen, zu unseren Kindern.

Ein Problem (oder im guten Fall: das Gute) ist, dass wir die Ursprungsbeziehungen, nämlich die zu Vater und Mutter, in uns herumtragen. Wenn wir etwas tun, was der Vater argwöhnisch betrachtet hätte, kann es sein, dass der phantasierte Vater in uns die Augenbraue verhöhnend hochzieht. Manchmal passiert das ganz unbewusst. Wir bekommen wir auf einmal schlechte Laune und wissen gar nicht, warum.

Versuchen zu verstehen und nachdenken

Wer Eltern hatte, die einen selten verstanden und die nicht versuchten, zu verstehen, der fühlt sich oft im Regen stehen gelassen. Entscheidungen werden zur Qual, das tägliche Leben fühlt sich manchmal an wie ein Rätsel. In der Psychoanalyse machen viele das erste Mal die Erfahrung, wie es ist, wenn die wichtigste Bezugsperson sich Gedanken über sie macht und versucht, sie zu verstehen. Dann kann das Verlassenheitsgefühl nachlassen. Es gibt dann weniger ein „Richtig“ oder „Falsch“, sondern eher das Gefühl: Wenn ich meiner Intuition folge, wird’s schon irgendwie gut sein. Oft entsteht dann auch das Gefühl, wieder satt und mit den Dingen zufrieden sein zu können.

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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 13.3.2018
Aktualisisert am 7.11.2024

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